BERLIN (dpa-AFX) - 54 Jahre nach der Eröffnung des Redaktionshochhauses von Axel Springer in Berlin hat der Medienkonzern dort einen weiteren riesigen Neubau in Betrieb genommen. Der niederländische Stararchitekt Rem Koolhaas konzipierte das markante Gebäude, das rund 3500 Mitarbeitern von Redaktionen und Internet-Portalen des Unternehmens Platz bietet. Das Konzerngelände liegt in einem Bereich, wo einst die Mauer verlief. Der Verlagsgründer setzte damals auch ein Zeichen für seine Hoffnung auf eine Wiedervereinigung.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sagte bei der Neubau-Eröffnung am Dienstag vor 70 geladenen Gästen unter anderem aus Politik, Wirtschaft und Medien, dass das Haus ein Symbol sein wolle. "Symbol für den radikalen Umbau eines Verlages in ein Medienunternehmen, eine Antwort auf die Anforderungen und die Herausforderungen der Digitalisierung."

Längst hat sich der von Axel Springer (1912-1985) im Jahre 1946 gegründete Verlag mit seinen heutigen journalistischen Kernmarken "Bild" und "Welt" in einen Medienkonzern mit mehr als 16 000 Mitarbeitern gewandelt, der inzwischen die Mehrheit seiner Umsätze im Digitalen verdient. Zum Portfolio gehören zum Beispiel Rubrikengeschäfte wie das Preisvergleichsportal Idealo. In Deutschland gehen seit Jahren die Auflagenzahlen von Presseprodukten zurück. Zugleich investiert die Branche verstärkt in digitale Produkte. Große Konkurrenten für die hiesigen Medien sind US-Plattformen wie Google, Facebook oder Amazon - weil diese vom Anzeigenmarkt profitieren.

Steinmeier nutzte seine Rede, um Journalismus in Zeiten der Digitalisierung grundsätzlich zu beleuchten. Man müsse sich fragen, wie sich journalistische Inhalte gegen den Zugriff der Plattformen behaupten und wie sie finanziert werden könnten, sagte er. "Der Axel Springer Verlag unter Mathias Döpfner hat sich und anderen diese Frage früh gestellt, früher als andere Verlagshäuser. Das ist ein Verdienst, Ihr Verdienst, lieber Herr Döpfner", sagte Steinmeier zum Vorstandsvorsitzenden des Konzerns.

Der Konzern ging im vergangenen Jahr eine strategische Partnerschaft mit dem US-Finanzinvestor Kohlberg Kravis Roberts (KKR) ein mit dem Ziel, schneller im Digitalen zu wachsen. Der Konzern peilt an, weltweit Marktführer im digitalen Journalismus und bei digitalen Rubrikengeschäften zu werden und zog sich dazu auch in diesem Jahr von der Börse zurück. Der Umsatz lag 2019 bei 3,11 Milliarden Euro.

Der Bundespräsident betonte: "Die Demokratie braucht den professionellen Journalismus, den politisch und wirtschaftlich unabhängigen Journalismus, der angstfrei agieren kann, der die Balance wahrt zwischen Distanz und Empathie."

Qualitätsjournalismus müsse sich auch auf unbestimmte Zeit gegen die "digitale Enteignung von Urheberrechten", auch gegen Verflachung und Verzerrung, und vielleicht auch gegen Glaubwürdigkeitsverlust der Inhalte behaupten. "Ich glaube, es ist für den Journalismus eine existenzielle Auseinandersetzung", sagte Steinmeier.

Der Bundespräsident sprach auch die Verantwortung der Medien als "vierte Gewalt" an. Feindbilder, Stimmungsmache und Kampagnenjournalismus seien ein Missbrauch dieser Gewalt, ebenso wie die fortgesetzte Verletzung der Sorgfaltspflicht. Der Satz "nichts ist so alt wie die Zeitung von gestern" gelte nicht mehr. Das Netz vergesse nichts, sagte der Bundespräsident.

Döpfner sagte in seiner Rede: "Wir sind fehlbar und weit von Perfektion entfernt." Die Suche nach der Wahrheit sei in dem System des vielfältigen Wettbewerbs unersetzbar. "Ich persönlich bin optimistisch, dass wir das in der digitalen Gegenwart und Zukunft durchaus als Chance für Journalismus nutzen können."

Döpfner (57), der nach einer Schenkung und dem Kauf von einem Teil der Anteile von Großaktionärin Friede Springer (78) künftig dann wie sie jeweils rund 22 Prozent der Anteile halten wird und auch ihre Stimmrechte übernimmt, dankte zugleich dem Stararchitekten Koolhaas (75), der ebenfalls zur Eröffnung kam. Dieser habe mit dem Bau all seine Erwartungen übertroffen. Die Detailliebe und das Engagement des Architekten beschrieb der Konzernchef mit dem Beispiel, dass sie sich sogar zu einem gemeinsamen Termin getroffen hätten, um die Klobürstenhalter auszusuchen.

Riesige Säulen, Brücken und ein 45 Meter hohes Atrium prägen das Bild des Gebäudes mit 13 Geschossen. In den Neubau sind verschiedene Unternehmensteile der Axel Springer SE eingezogen, darunter die Redaktionen von "Welt" und Mitarbeiter des Preisvergleichportals Idealo. Vor vier Jahren hatte der Bau begonnen. Auf mehr als 52 000 Quadratmetern verteilen sich die Büro- und Redaktionsflächen. Die Redaktionen von "Bild" und der Konzernvorstand bleiben im bisherigen Verlagshaus. Die Baukosten betrugen nach früheren Konzernangaben rund 300 Millionen Euro. Das Gebäude wurde zugleich - lange bevor es fertiggestellt werden sollte - an einen norwegischen Staatsfonds verkauft. Springer ist Mieter./rin/DP/zb