FRANKFURT (dpa-AFX) - Anleger von Thyssenkrupp haben am Mittwoch mit Aktienverkäufen auf die fortgesetzten Probleme im Anlagenbau des Industriekonzerns reagiert. Die gesenkten Jahresziele vergrätzten nicht wenige und ein Händler sprach in einer ersten Reaktion von einem "Desaster". Allerdings gab es auch andere Einschätzungen, die nun gestiegene Chancen auf einen raschen Konzernumbau wittern.

Die Anteile von Thyssenkrupp, die zum Börsenstart noch um mehr als 4 Prozent gefallen waren, gaben gegen Mittag noch um 2,15 Prozent auf 22,33 Euro nach. Damit zählten sie zusammen mit VW zu den Schlusslichtern im moderat schwächeren Dax. Der aktuelle Jahresverlust summiert sich nun auf mehr als 7 Prozent, womit Thyssenkrupp zu den zehn Dax-Werten gehört, die sich bislang im Jahr 2018 besonders schlecht entwickelt haben.

Wie Thyssenkrupp am Vorabend mitgeteilt hatte, rechnet der Konzern wegen höherer Kosten für verschiedene Großprojekte nun mit einem Verlust für die Sparte Industrial Solutions im abgelaufenen dritten Geschäftsquartal 2017/18. Das werde das Jahreskonzernergebnis (Ebit) belasten, was nun voraussichtlich am unteren Ende der bisher erwarteten 1,8 bis 2 Milliarden Euro liegen soll.

"Das sind ganze zehn Prozent unter der Durchschnittsschätzung der Analysten", monierte der Händler, der mit Blick auf die Gewinnwarnung von einem Desaster gesprochen hatte. Auch den nun erneut als negativ in Aussicht gestellten freien Barmittelfluss, der auch für die Dividendenzahlungen wesentlich ist, kritisierte er. "Die ohnehin alarmierende Kapitalausstattung von Thyssenkrupp verschlechtert sich damit weiter." Thyssenkrupp hatte zusätzlich davor gewarnt, dass sich der Free Cashflow zwar verbessern, aber nicht mehr wie erhofft positiv, sondern negativ ausfallen werde.

Durch die Gewinnwarnung erhält laut Analyst Sven Diermeier von Independent Research allerdings nun der Anfang Juli erfolgte überraschende Rücktritt des Vorstandschefs Heinrich Hiesinger einen neuen Aspekt. "Hiesinger hätte sonst noch mehr Gegenwind von den aktivistischen Investoren zu spüren bekommen", ist er überzeugt. Er sieht sich zudem in seiner Einschätzung bestätigt, dass das späte Gegensteuern im Anlagenbau einer der Fehler Hiesingers gewesen sei.

Auch JPMorgan-Analyst Luke Nelson sieht in der Gewinnwarnung einen zusätzlichen Aspekt: Werde sie im Hinblick auf den weiteren Antrieb für eine strategische Neuausrichtung gesehen, wie bereits der Rücktritt der Führungsspitze Heinrich Hiesinger und Ulrich Lehner (Aufsichtsratschef) unterstrichen habe, "könnte dies ein Katalysator für weitere strukturelle Reformen sein, so wie die aktionistischen Anteilseigner es fordern".

Bei Thyssenkrupp sind gleich zwei aktivistische Investoren aktiv: Einerseits die schwedische Investmentfirma Cevian, andererseits der Hedgefonds Elliott des US-Milliardärs Paul Singer. Doch während Cevian Thyssenkrupp gern zerschlagen und die gewinnträchtige Aufzugsparte herauslösen würde, will Elliott eigenen Angaben zufolge nur einen raschen Umbau. Der Verkauf kleinerer Unternehmensteile könnte dazugehören, aber keine Zerschlagung, wie Elliott-Fondsmanager Franck Tuil jetzt nochmals der Tageszeitung "Die Welt" (Mittwoch) sagte./ck/nas/jha/