ESSEN (dpa-AFX) - Die Fusion der Thyssenkrupp-Stahlsparte mit Tata ist besiegelt. Nach mehr als zwei Jahre dauernden Verhandlungen gab der Aufsichtsrat von Thyssenkrupp am Freitagabend grünes Licht für die Pläne. Die Verträge wurden am Samstag unterzeichnet. "Mit dem Joint Venture sichern wir uns langfristig eine wettbewerbsfähige Position in der europäischen Stahlindustrie - mit einem überzeugenden industriellen Konzept und auf Basis einer klaren strategischen Logik", sagte Thyssenkrupp-Chef Heinrich Hiesinger. "Damit erhalten wir langfristig Arbeitsplätze und erhalten Wertschöpfungsketten in europäischen Schlüsselindustrien."

Mit der Fusion verabschiedet sich der Essener Konzern weitgehend von dem stark schwankungsanfälligen Geschäft und gibt den Startschuss für einen weiteren Konzernumbau. Die Stahlfusion sei ein wichtiger Meilenstein für Thyssenkrupp auf dem Weg zu einem Industrie- und Dienstleistungskonzern, hieß es.

An dem neuen Stahl-Gemeinschaftsunternehmen mit Sitz in den Niederlanden wird Thyssenkrupp nur noch eine Beteiligung von 50 Prozent halten. Entstehen soll Europas zweitgrößter Stahlkonzern mit rund 48 000 Mitarbeitern und Werken in Deutschland, Großbritannien und den Niederlanden. Erwartet werden jährlich wiederkehrende Synergien in Höhe von 400 bis 500 Millionen Euro. Die Transaktion steht allerdings unter dem Vorbehalt der Freigabe durch die zuständigen Wettbewerbsbehörden, unter anderem in der Europäischen Union.

Die "Westdeutsche Allgemeine Zeitung" und die "Welt am Sonntag" zitierten aus einem Schreiben von ThyssenKrupp-Steel-Europe-Chef Andreas Goss an die Mitarbeiter. "Das ist eine gute Nachricht für den Stahl und wegweisend für unsere Zukunft", so der Manager. "Mit diesem Zusammenschluss sind wir besser aufgestellt - durch einen besseren Zugang zu Kunden und Regionen. Wir optimieren unser Produktangebot, können unsere Anlagen besser auslasten und profitieren von der Bündelung unserer Forschungskompetenzen."

Nach zunächst heftigen Protesten hatten schließlich auch die Arbeitnehmervertreter Zustimmung zu dem Vorhaben signalisiert. Die deutschen Stahlkocher hatten zuvor Beschäftigungsgarantie bis zum 30. September 2026 sowie eine langfristige Standortsicherung erhalten. Geplant ist aber auch der Abbau von bis zu 4000 Stellen, davon etwa die Hälfte in Deutschland.

Zuletzt hatten Bewertungsfragen im Mittelpunkt der komplizierten Gespräche gestanden. Im Fall eines Börsengangs soll Thyssenkrupp nun einen höheren Anteil von 55 Prozent an dem Erlös erhalten, Tata 45 Prozent.

Experten wie Professor Roland Döhrn vom RWI - Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung schließen jedoch Einschnitte auch künftig nicht aus. "Solche Fusionen sind häufig der erste Schritt für Bereinigungen", sagte Döhrn. Der Stahlexperte zeigte sich jedoch überzeugt, dass die bei der Fusion ausgehandelten Garantien verlässlich seien.

"Das größte Problem der Stahlindustrie ist, dass die Nachfrage durch den wirtschaftlichen Strukturwandel abnimmt", sagte Döhrn. Viele Produkte wie etwa Autos enthielten immer weniger Stahl, weil sie immer leichter würden. Während Industrialisierungsprozesse in der Regel sehr stahlintensiv seien, komme es in entwickelteren Ländern zu einer zunehmenden Verschiebung hin zu Dienstleistungen.

"Das sind Entwicklungen, denen kann sich die Branche nicht entziehen", sagte Döhrn. Weltweit stehe die Stahlbranche in den entwickelten Ländern daher vor weiteren Kapazitätsanpassungen. Auch wenn die Stahlkonjunktur derzeit recht gut laufe, könne sich dieser Prozess noch beschleunigen.

Thyssenkrupp-Anteilseigner hatten die angekündigte Trennung vom krisenanfälligen Stahlgeschäft dagegen als Befreiungsschlag gewertet. "Man hat jetzt die Chance, zum großen Wurf anzusetzen", sagte Thomas Hechtfischer von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpaperbesitz (DSW).

Zuletzt war der seit mehr als sieben Jahren amtierende Konzernchef Heinrich Hiesinger immer wieder zur Zielscheibe der Kritik von aktivistischen Aktionären wie dem US-Hedgefonds Elliott oder dem zweitgrößten THyssenkrupp-Anteilseigner Cevian geworden. Während die Anteilseigner mit Nachdruck einen schnelleren Umbau des Konzerns forderten, hatten sich die Verhandlungen über die Stahlfusion unter anderem wegen Bewertungsproblemen hingezogen./uta/DP/zb