München (Reuters) - Der untergetauchte Wirecard-Vorstand Jan Marsalek hat zu seinem Münchner Rechtsanwalt nach dessen Angaben weiterhin Kontakt.

Im Strafprozess gegen den früheren Wirecard-Chef Markus Braun vor dem Landgericht München kündigte Marsaleks Strafverteidiger Frank Eckstein am Mittwoch als Zeuge an, er werde noch im Dezember mit seinem Mandanten Rücksprache halten, um eine Frage des Gerichts zu klären. Detaillierte Auskünfte lehnte Eckstein ab. Denn Marsalek habe ihn von seiner gesetzlichen Schweigepflicht als Rechtsanwalt nicht befreit.

Marsalek, dem Kontakte zu russischen Geheimdiensten nachgesagt werden, gilt im Wirecard-Skandal als Schlüsselfigur. Er hatte sich kurz vor dem Zusammenbruch des Finanztechnologiekonzerns vor dreieinhalb Jahren abgesetzt und wird mit internationalem Haftbefehl gesucht. Im Juli des laufenden Jahres hatte sich der Österreicher mit einem von Eckstein verfassten Schreiben überraschend in den Münchner Prozess eingeschaltet und damit das erste bekannt gewordene Lebenszeichen seit seiner Flucht gesendet. Brauns Anwälte sehen den früheren Wirecard-Chef durch Angaben in dem Brief entlastet.

Am Mittwoch wollte der Vorsitzende Richter Markus Födisch von Eckstein wissen, ob Marsalek mit einer vollständigen Verlesung des Schreibens in der Gerichtsverhandlung einverstanden sei. "Da muss ich mit meinem Mandanten Rücksprache halten", sagte Eckstein. Auf die Frage des Richters, wann er dem Gericht das Ergebnis seiner Rücksprache mitteilen könne, antwortete der Anwalt: "Vor Weihnachten." Födisch verabschiedete Eckstein daraufhin mit Zustimmung der übrigen Prozessbeteiligten bereits nach wenigen Minuten.

Wirecard war im Juni 2020 zusammengebrochen, als aufflog, dass auf Treuhandkonten in Asien 1,9 Milliarden Euro fehlten. Für das Asien-Geschäft war Marsalek verantwortlich. Ex-Chef Braun und zwei weitere Ex-Manager sitzen wegen Bilanzfälschung und Bandenbetrug auf der Anklagebank. Sie sollen milliardenschwere Geschäfte mit sogenannten Drittpartnern erfunden haben. Braun hat dagegen erklärt, das Geld habe existiert und sei hinter seinem Rücken beiseitegeschafft worden. In dem Brief vom 6. Juli erklärte Eckstein in Marsaleks Auftrag, das Drittpartnergeschäft habe existiert und sei sogar nach der Wirecard-Insolvenz weiterbetrieben worden.

(Bericht von Jörn Poltz, redigiert von Myria Mildenberger. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)