Zug (awp) - Der Zementhersteller Holcim präsentiert am Mittwoch, 28. Februar, das Ergebnis zum Geschäftsjahr 2023. Zum AWP-Konsens haben insgesamt 13 Analysten beigetragen.

2023E
(in Mio Fr.)                AWP-Konsens    2022A    

Nettoumsatz                   26'984       29'189
Wiederkehrender EBIT            4722         4752
- Marge (in %)                  17,5         16,3
                                                 
(in Fr.)
Dividende je Aktie              2,66         2,50

Q4 2023E
Umsatzwachstum                             Q4 2022A
 Like-for-like (in %):           5,5          9,5
 

FOKUS: Im Zentrum des Interesses stehen diesmal nicht nur die Jahreszahlen, sondern auch die Abspaltung des Nordamerika-Geschäfts, die Holcim vor drei Wochen überraschend angekündigt hatte. Besonders gespannt ist man auf Angaben zur Umsetzung der Abspaltung und der Kotierung an einer US-Börse, die im nächsten Jahr über die Bühne gehen sollen. Ebenso stellt sich die Frage, wer künftig das Nordamerika-Geschäft leiten soll und wie hoch die Bewertung der restlichen Holcim ausfallen wird. Allerdings ist unsicher, ob schon bei der Bilanzvorlage diese Frage beantwortet werden. Holcim will später im Jahr noch zwei Kapitalmarkttage durchführen.

Bei den Jahreszahlen rechnen Analysten mit einem Rückgang von Umsatz und Gewinn. Dies ist aber insbesondere auf die Verkäufe der Zementgeschäfte in Indien und Brasilien zurückzuführen. Während das Geschäft in Europa und Nordamerika sich stark verbessert haben dürften, ist ein deutlicher Rückgang in Asien und Bremsspuren in Lateinamerika zu erwarten. Im Schnitt gehen die Experten von einer höheren Dividenden aus und zum Teil wird zusätzlich noch mit einem Aktienrückkauf gerechnet.

ZIELE: Im Oktober hatte Holcim bei der Vorlage der Quartalszahlen die Latte für die Profitabilität im Gesamtjahr 2023 höher gelegt. Neu will der Konzern eine EBIT-Marge von mehr als 17 Prozent erzielen (zuvor: "über 16 Prozent"). In den ersten neun Monaten wurde das Ziel mit 17,9 Prozent schon übertroffen. Die restlichen Zielvorgaben liess das Unternehmen unverändert. So wird ein organisches Wachstum beim Umsatz von mehr als 6 Prozent und beim Betriebsgewinn von über 10 Prozent erwartet. Der Free Cashflow soll sich auf rund 3 Milliarden Franken belaufen.

Und 2024 soll für Holcim das beste Jahr überhaupt werden. Dies habe der neue ernannte Konzernchef Miljan Gutovic dem Verwaltungsrat versprochen, sagte Holcim-Präsident Jan Jenisch bei der Ankündigung der Abspaltung des Nordamerika-Geschäfts Ende Januar.

Alleine in Europa will Holcim bis 2026 einen Nettoumsatz von über 10 Milliarden und einen Betriebsgewinn EBIT von über 1,6 Milliarden Franken erreichen. Dabei sollen die EBIT-Margen steigen.

Bis 2030 soll der Umsatz der restlichen Holcim (ohne Amerika) auf 22 Milliarden Franken und der EBIT auf über 4 Milliarden Franken steigen. Das würde im Schnitt ein Umsatzwachstum von über 4 Prozent pro Jahr und über 6 Prozent EBIT-Steigerung pro Jahr bedeuten. "Wir wollen den Cashflow um über 50 Prozent steigern auf über 3 Milliarden Franken", sagte Jenisch.

Das abgespaltene Nordamerika-Geschäft soll bis 2030 in den USA auf einen Umsatz von über 20 Milliarden Dollar wachsen. Der EBIT soll auf über 5 Milliarden Dollar zulegen.

PRO MEMORIA: Ende Januar hatte Holcim überraschend angekündigt, das Nordamerika-Geschäft im nächsten Jahr von Holcim zu trennen und als vollständig unabhängiges Unternehmen in den USA an die Börse zu bringen. Hintergrund sind die billionenschweren Investitionsprogramme der US-Regierung: "Sie werden in den nächsten acht bis zehn Jahren zu nie dagewesenen Ausgaben für die Bauindustrie führen", sagte Holcim-Präsident Jan Jenisch: Die Aufspaltung sei nötig, um das Potential gänzlich auszuschöpfen und voll durchzustarten. "Das Geschäft ist zu gross geworden, um es als Tochterfirma zu führen. Wir haben das Business in den letzten vier Jahren praktisch verdoppelt." Es sei der grösste Zementhersteller in Nordamerika und die Nummer 3 im Dachgeschäft. Bei Zuschlagsstoffen und Transportbeton liege der Konzern auf Platz 5. Das Nordamerika-Geschäft mit einem Umsatz von über 11 Milliarden US-Dollar und einem Betriebsgewinn (EBIT) von 2 Milliarden Dollar werde ein Rockstar-Unternehmen, sagte Jenisch. Auch Holcim alleine ist laut Jenisch ein Champion mit einem Umsatz von 17 Milliarden Franken im Jahr und einem EBIT von über 2,7 Milliarden Franken. In Europa will der Restkonzern von der Dekarbonisierung und dem Trend zur Nachhaltigkeit durch den "Green Deal" der EU profitieren.

Gleichzeitig hat Holcim Europa-Chef Miljan Gutovic per 1. Mai zum neuen CEO ernannt. Er löst damit Jenisch ab, der sich auf seine Rolle als Verwaltungsratspräsident konzentrieren wird. Jenisch wird ausserdem die Ausgliederung und Kotierung des Nordamerikageschäfts in den USA leiten.

Die Ratingagentur Moody's hat Anfang Februar die Kreditratings für den Zementkonzern Holcim im Nachgang der jüngsten Entwicklungen mit "Baa1" und einem Ausblick "stabil" bestätigt. Die geplante Abspaltung des Nordamerikageschäfts werde zwar den Umfang des Unternehmens erheblich verringern und dessen Geschäftsprofil schwächen, urteilte Moody's. Falls Holcim jedoch nach der Abspaltung eine ausreichend konservative Finanzpolitik anwende, seien die verbleibenden Aktivitäten umfangreich und robust genug, um das aktuelle Emittentenrating aufrechtzuerhalten, hiess es.

Daneben hat Holcim seine Einkaufstour fortgesetzt: Der Baustoffhersteller übernimmt den deutschen Anbieter von Dachbegrünungssystemen Zinco mit Sitz in Baden-Württemberg. In Spanien hat der Konzern die Mehrheit an Artepref gekauft, einem Hersteller von Betonfertigteilen. In Griechenland wurde W.A.T.T. Recycling gekauft, ein Hersteller von alternativen Kraftstoffen. Und in Grossbritannien schliesslich hat Holcim mit dem Kauf von Eco-Readymix den Markteintritt bei fortschrittlichen Mörtelprodukten geschafft.

Auf der anderen Seite hat sich Holcim von seinen Geschäften in Uganda und Tansania getrennt. Das Geschäft in Uganda (Hima Cement) wird an die Sarrai Group für einen Unternehmenswert von 120 Millionen US-Dollar veräussert. Zudem wird eine Beteiligung in Höhe von 65 Prozent an der Mbeya Cement Company in Tansania an die Amsons Group für eine nicht genannte Summe verkauft.

Weiterhin am Konzern klebt die Syrien-Affaire von Lafarge aus den Jahren vor der Übernahme durch Holcim: Die französische Antiterrorbehörde (Pnat) will laut der Nachrichtenagentur AFP gegen Lafarge und neun ehemalige Manager, darunter den früheren Lafarge-Chef Bruno Lafont vor das Pariser Strafgericht ziehen. Die Behörde wirft den Beschuldigten Finanzierung von Terroraktivitäten vor. Lafarge soll in den Jahren 2013 und 2014 - und damit vor der Übernahme durch Holcim im Jahre 2015 - Schmiergeld von mehr als 5 Millionen Euro an Terrorgruppen wie den sogenannten Islamischen Staat (IS) bezahlt haben.

Zuvor war Lafarge Mitte Januar im Pariser Prozess um die Aktivitäten im Bürgerkriegsland Syrien mit einem Rekurs teilweise gescheitert. Der französische Kassationsgerichtshof hat die Anklage wegen Beihilfe zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit zugelassen. Auch der Anklagepunkt wegen Finanzierung von Terroraktivitäten bleibt bestehen. Dagegen hob das oberste Gericht den Anklagepunkt wegen Gefährdung des Lebens seiner syrischen Angestellten auf. Damit kassierte es ein Urteil der Vorinstanz, des Pariser Berufungsgerichts vom Mai 2022. Dieses hatte Lafarge angefochten.

Auch in den USA hat Lafarge die Justiz am Hals: Mitte Dezember haben jesidische Amerikaner eine Klage bei einem Bundesgericht in New York eingereicht. Sie werfen Lafarge Terrorfinanzierung und Verschwörung mit dem IS im syrischen Bürgerkrieg vor.

AKTIENKURS: Die Aktien von Holcim haben seit Anfang Jahr um 5 Prozent zugelegt, und sind damit mehr gestiegen als der Gesamtmarkt gemessen am SMI. Im Vorjahr gehörten die Papiere mit einem Plus von rund 38 Prozent zu den Favoriten unter den Blue Chips.

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