LONDON (awp international) - In der Finanzbranche bahnt sich Kreisen zufolge ein weiterer spektakulärer Chefwechsel an. Der Unicredit-Chef Jean-Pierre Mustier sei einer der externen Kandidaten, der von HSBC als neuer Konzernlenker geholt werden könnte, berichtete die Nachrichtenagentur Bloomberg am Donnerstag unter Berufung auf mit der Angelegenheit vertraute Personen. Noch sei aber gar nicht entschieden, ob die britische Bank überhaupt jemanden von aussen hole oder die vakante Stelle des Vorstandschefs nicht doch intern besetze. Auch der derzeitige Interimschef Noel Quinn habe noch Chancen. Eine Sprecherin von Mustier wollte die Informationen ebenso wenig kommentieren wie HSBC, hiess es in dem Bericht weiter.

Quinn hatte erst Anfang der Woche den Sparkurs von HSBC forciert - dabei sollen bis zu 35 000 Stellen gestrichen werden. Er begründete das unter anderem mit der schlechten Entwicklung in einigen Bereichen. Beobachter werteten das als Kampfansage im Rennen um den Posten an der Spitze der grössten europäischen Bank. Er hatte den Posten als Konzernchef im vergangenen Jahr nach dem überraschenden Rücktritt von John Flint kommissarisch übernommen. Flint hatte die Bank nicht lange geführt - er war nur von Februar 2018 bis Sommer 2019 am Ruder.

Vor allem seine hohen Investitionen in IT und Wachstum sorgten bei den Anlegern immer wieder für Ärger. Nicht zuletzt deshalb musste die Bank im Herbst ihr Renditeziel begraben. Verwaltungsratschef Mark Tucker hatte bei Flints Rauswurf gesagt, dass die Suche nach einem neuen Chef sechs bis zwölf Monate dauern könne. In der Mitteilung zu den Jahreszahlen hiess es nur, dass es nichts Neues zur Chefsuche gebe und der Zeitplan weiter stehe. Er schaffte es in der Zeit nicht, die Investoren auf seine Seite zu ziehen.

Der 59-jährige französische Manager Mustier ist seit Mitte 2016 Chef von Unicredit, zu der auch die deutsche HVB gehört, und für seine harte Hand bekannt. Er hatte Unicredit saniert und trotz erster Erfolge im Dezember den Sparkurs forciert. So sollen bei der italienischen Grossbank rund 8000 weitere Stellen gestrichen werden - zuletzt kam die Unicredit noch auf knapp 85 000 Stellen. HSBC ist eine andere Nummer. Die Bank mit Wurzeln in Hongkong ist vor allem in Asien stark vertreten und beschäftigt derzeit 235 000 Mitarbeiter. Auch beim Börsenwert spielt HSBC in einer anderen Liga. Die Briten kommen auf umgerechnet fast 140 Milliarden Euro, während Unicredit gerade mal zirka 30 Milliarden Euro auf die Waage bringt.

In der Bankenbranche ist es erst am Donnerstag zu einem weiteren überraschenden Wechsel an der Spitze eines grossen Instituts gekommen. Nach dem plötzlichen Abgang von Credit-Suisse-Chef Tidjane Thiam vor wenigen Tagen geht nun auch der Chef der Konkurrentin UBS - allerdings erst Ende Oktober. Sergio Ermotti macht Platz für den Niederländer Ralph Hamers (53), bisher Chef der niederländischen Bank ING , wie UBS am Donnerstag mitteilte. Den Deal fädelte der frühere Bundesbankchef und heutige Verwaltungsratspräsident von UBS, Axel Weber, ein.

"Vor dem Hintergrund des tiefgreifenden Wandels der gesamten Branche ist Ralph Hamers die richtige Wahl, um UBS durch ihre anhaltende Transformation zu führen", sagte Weber. Hamers soll die Digitalisierung voranbringen. Der Banker ist seit fast 30 Jahren bei der ING. Er hatte dort 2013 die Führung übernommen. ING sei "eines der "besten Beispiele für die digitale Innovation" im Bankensektor, meinte der Vontobel-Analyst Andreas Venditti. Hamers soll ab September in der UBS-Konzernleitung mitarbeiten./zb/he