BERLIN (dpa-AFX) - Der Untersuchungsausschuss zum Bilanzskandal beim ehemaligen Dax-Unternehmen Wirecard beharrt darauf, dass dessen früherer Chef Markus Braun zur Vernehmung nach Berlin gebracht wird. Eine entsprechende Stellungnahme reichten die Mitglieder nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur am Dienstag beim Bundesgerichtshof ein. Braun, der in Bayern wegen Betrugsverdachts in Untersuchungshaft sitzt, hatte sich gerichtlich gegen die Vorladung nach Berlin gewehrt. Er will lediglich per Video aussagen - und hatte das unter anderem mit der Corona-Pandemie begründet. Der Ausschuss will seine Weigerung jedoch nicht akzeptieren.

"Für Markus Braun als mutmaßlich Hauptverantwortlichen darf es bei der Befragung keinen Rabatt geben", sagte der Grünen-Finanzpolitiker Danyal Bayaz. Er sowie Abgeordnete von Linken, FDP und SPD betonten, dazu gebe es im Ausschuss große Einigkeit. "Es gibt ein überragendes öffentliches Interesse, Markus Braun in Person zu vernehmen", sagte der Finanzpolitiker der Linken, Fabio De Masi. Braun müsse sich im Strafprozess nicht selbst belasten, es gebe aber genügend andere Themen wie etwa seine Kontakte zur Politik.

Der FDP-Finanzpolitiker Florian Toncar warf Braun vor, sich als Opfer einer Kampagne übelwilliger Gegner zu inszenieren, die es auf ihn abgesehen hätten. "Die Verhaltensmuster sind dieselben wie zu seiner Zeit als Wirecard-Chef", sagte er. Der SPD-Obmann im Ausschuss, Jens Zimmermann, betonte: "Wir lassen uns auf keine Spielchen ein."

Nach dem Bilanzskandal bei Wirecard waren Braun und weitere Manager im Sommer in U-Haft genommen worden. Nach dem ehemaligen Vorstandsmitglied Jan Marsalek fahndet die Polizei weiterhin. Die Staatsanwaltschaft sieht in Braun einen Hauptverantwortlichen für "gewerbsmäßigen Bandenbetrug", bei dem Wirecard über Jahre Scheingeschäfte in Milliardenhöhe verbucht haben soll. Banken und Investoren sollen um bis zu 3,2 Milliarden Euro geprellt worden sein.

Für eine persönliche Aussage müsste Braun nach Angaben seines Anwalts nicht nur von Augsburg nach Berlin und wieder zurück gebracht werden, sondern auch mindestens zwei Nächte in Berliner Gefängnissen verbringen. Dies, zusammen mit einem mehrstündigen Aufenthalt in einem Bundestags-Sitzungssaal, bedeute wegen der Pandemie ein unvertretbares Gesundheitsrisiko. Er vermute, dem Ausschuss gehe es vor allem um das Spektakel, einen Untersuchungshäftling zu vernehmen.

De Masi hält die Argumente nicht für stichhaltig. "Es ist abenteuerlich, wenn sich Herr Braun auf Corona beruft", sagte er. Im Bundestag würden die Hygieneregeln eingehalten. "Es ist nicht vermittelbar, dass Kassiererinnen und Polizisten morgens in überfüllten Bussen zur Arbeit anreisen, aber Herr Braun spielt Prinzessin auf der Erbse!", kritisierte der Abgeordnete./tam/DP/men