BERLIN (dpa-AFX) - Während coronabedingte Kreditausfälle und das Dauer-Zinstief die Banken und Versicherer quälen, hat der Finanzdienstleister Hypoport seinen seit Jahren anhaltenden Erfolgskurs zuletzt fortgesetzt. Doch das Wachstum scheint Grenzen zu kennen. Was bei dem Unternehmen los ist, was Analysten sagen und was die Aktie macht:

DAS IST LOS BEI HYPOPORT:

Anders als die Banken befindet sich Hypoport trotz der Corona-Krise weiterhin auf Kurs zu einem Umsatz- und Gewinnplus im laufenden Jahr. Nach einem schwachen dritten Quartal sehen aber viele Experten dieses Ziel in Gefahr. Von Juli bis September schwächte sich das Wachstum weiter ab, und der operative Gewinn sank sogar um fast ein Viertel. Das Unternehmen begründete dies im Wesentlichen mit dem strategisch beabsichtigten Wegfall von Projektgeschäft in der Immobilien- und Versicherungsplattform.

Das nur noch geringe Umsatzplus von fünf Prozent sei auf die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise zurückzuführen. Dennoch äußerte sich Vorstandschef Ronald Slabke Anfang November zum bisherigen Jahresverlauf zufrieden: Das Umsatzplus zeige, dass Plattformgeschäftsmodelle auch in schweren Krisen robust seien.

Für das zu Ende gehende Jahr peilt Hypoport weiter einen Umsatz von 400 bis 440 Millionen Euro an. Das Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) soll nach wie vor bei 35 bis 40 Millionen Euro liegen. Damit rechnet Hypoport weiter mit einem Anstieg von Erlös und operativem Gewinn im Vergleich zum Vorjahr. 2019 legte der Umsatz um 27 Prozent auf 337 Millionen Euro zu, während das operative Ergebnis um 13 Prozent auf 33 Millionen kletterte.

Bei Hypoport dreht sich alles um die Digitalisierung. Die Holding, die in Lübeck sitzt und aus Berlin operiert, zählt zu den Großen der deutschen Fintech-Branche. Im Firmennetz tummeln sich Unternehmen, die digitale Lösungen für die Kreditwirtschaft, den Wohnungsmarkt und für Versicherungen anbieten - und damit durchaus erfolgreich sind.

Das ertragsstärkste Segment, die Kreditplattform, ist auf die digitale Abwicklung von Kreditgeschäften spezialisiert. Größtes Zugpferd ist der B2B-Kreditmarktplatz Europace. Dort können Finanzberater aus einer Vielzahl von Bausparverträgen und anderen Produkten auswählen, die Banken und Versicherungen dort anbieten. Dazu gehören auch Teilmarktplätze für Genossenschaftsbanken und Sparkassen. Weil klassische Kreditinstitute ihr Filialnetz immer weiter eindampfen, entsteht ein Vakuum im Vertrieb, das Europace als B2B-Plattform nutzt.

Im zweitstärksten Segment Privatkunden unterhält Hypoport unter dem Namen Dr. Klein einen Finanzvertrieb mit mehr als 600 Beratern. Sie vermitteln Baufinanzierungen, Versicherungen und Ratenkredite an Verbraucher - und schließen Geschäfte auch über Europace ab. Die Hypoport-Sparten Immobilienplattform und Versicherungsplattform sind zwar deutlich kleiner als die beiden Hauptbereiche, wuchsen prozentual zuletzt aber umso stärker.

DAS MACHT DIE AKTIE

Für die Hypoport-Aktie dürfte 2020 trotz zweier herber Rückschläge im Frühjahr und im Herbst ein weiteres Erfolgsjahr werden. Bis dato steht ein Plus von rund 50 Prozent auf dem Kurszettel. Sollte das bis Ende Dezember so bleiben, wäre es das fünftbeste Jahresergebnis seit dem Börsengang 2007.

Dabei ging es für das Papier im Corona-Crash im Februar und März wie für den Gesamtmarkt deutlich nach unten. Innerhalb weniger Wochen sackte der Kurs von knapp 400 Euro fast auf 200 Euro. Ab Mitte März, als die Finanzmärkte den ersten Corona-Schock verdaut hatten, schoss der Kurs jedoch steil nach oben - zumindest bis die Ergebnisse des dritten Quartals die Stimmung verhagelten. Vor allem die schwache Gewinnentwicklung verschreckte Investoren.

Vom Rekordhoch von 580 Euro Anfang Oktober sackte der Kurs innerhalb von vier Wochen bis auf rund 400 Euro ab. Inzwischen konnte sich der Kurs wieder etwas erholen. Eine Aktie kostete zuletzt mit rund 475 Euro wieder fast ein Fünftel mehr.

Nach dem Börsengang 2007 war Hypoport erst 2015 aus dem Schattendasein am Kapitalmarkt herausgetreten. Für den Aktienkurs ging es in dem Jahr dann von etwas mehr als 10 auf 80 Euro nach oben. Lohn dafür war der Aufstieg in den SDax.

Seitdem zog der Kurs weiter deutlich an. Inzwischen ist das Unternehmen, das aus der Fusion der 1954 gegründeten Dr. Klein & Co. AG und der Europace AG entstanden war, an der Börse rund drei Milliarden Euro wert und gehört damit im SDax fast schon zu den Top Ten. Damit wird der Finanzdienstleister an der Börse höher bewertet als Aareal Bank und Deutsche Pfandbriefbank zusammen.

Größter Nutznießer des kräftigen Kursanstiegs ist Unternehmenschef Ronald Slabke, der knapp 35 Prozent der Hypoport-Anteile hält. Sein Paket ist derzeit fast 1,1 Milliarden Euro wert. Slabke hatte als Geschäftsführer bei Dr. Klein angefangen und Hypoport 1999 in einem von ihm organisierten sogenannten Management-Buyout übernommen.

DAS SAGEN DIE ANALYSTEN:

Trotz des Höhenflugs und der gestiegenen Marktkapitalisierung steht Hypoport bisher nur bei relativ wenigen Branchenexperten im Fokus. Die Nachrichtenagentur Bloomberg hat sechs Analysten in der Datenbank, die sich mit dem Papier beschäftigen. Drei von ihnen raten zum Kauf, zwei zum Verkauf und einer zum Halten. Bis vor Kurzem zählte auch noch Warburg-Research-Experte Marius Fuhrberg zu den Optimisten. Anfang November stufte er das Papier jedoch von "Buy" auf "Hold" ab und senkte das Kursziel auf 486 Euro.

Das durchschnittliche Kursziel liegt derzeit bei 426 Euro, wobei vor allem Simon Bentlage von der Privatbank Hauck & Aufhäuser aus der Reihe tanzt. Er hatte erst Mitte Oktober sein Verkaufsvotum erneuert. Sein Kursziel von 160 Euro liegt rund zwei Drittel unter dem aktuellen Niveau. Er hatte die Beobachtung der Aktie Anfang 2019 aufgenommen und zählt seitdem zu den Skeptikern. Das schwache Ergebnis im dritten Quartal bestärkte ihn in seiner Einschätzung.

Bentlage sieht das Jahresziel nach den ersten neun Monaten stark gefährdet. Um das Ziel zu erreichen, müsste sich das Wachstum im Schlussquartal wieder deutlich beschleunigen - und dies, obwohl der Erlösanstieg im laufenden Jahr von Quartal zu Quartal schwächer ausgefallen ist. Da Hypoport am Markt derzeit immer noch als Wachstumswert eingestuft und dementsprechend bewertet wird, könnten die Zahlen zum Gesamtjahr zu einer deutlichen Abwertung führen, schätzt Bentlage.

Ganz anders sieht das Philipp Häßler vom Analysehaus Pareto Securities. Er erhöhte Anfang November nach der Bekanntgabe der detaillierten Zahlen das Kursziel von 440 auf 520 Euro. Die Wachstumsstory sei weiter intakt, schrieb er damals in der Studie. Das Unternehmen bleibe in der Pole-Position, um von der beschleunigten Digitalisierung in der Branche zu profitieren.

Mit seinem Kursziel liegt er aber noch 30 Euro unter demjenigen des Commerzbank-Experten Christian Blieffert, der die Aktie seit September analysiert. Dieser setzte das Kursziel von Anfang an auf 550 Euro fest und empfahl das Papier zum Kauf. Wie Häßler sieht er das Unternehmen weiter in der Erfolgsspur, auch wenn das Ergebnis im dritten Quartal vergleichsweise schwach war und das 2020er-Ziel auch aus seiner Sicht in Gefahr ist. Für 2020 senkte er seine Schätzungen leicht. Seine Erwartungen für 2022 und die damit einhergehende Bewertung sieht er aber nicht in Gefahr./zb/stw/jha/