Zürich (awp) - Mit dem Abgang von Konzernchef Tidjane Thiam hofft die Credit Suisse, den Befreiungsschlag im Beschattungsskandal geschafft zu haben. Ganz ausgestanden ist der Skandal für die Grossbank damit zwar noch nicht, es dürfte aber in der Sache deutlich ruhiger werden.

Die ganze Affäre um die Beschattung von eigenen Top-Managern im Auftrag der Bank ist Tidjane Thiam letztendlich doch noch zum Verhängnis geworden. Bis heute beteuert der Franko-Ivorer zwar, davon nichts gewusst zu haben, dennoch muss er jetzt seinen Hut nehmen. Sein Nachfolger wird Schweiz-Chef Thomas Gottstein. Damit ist erstmals seit 2002 wieder ein Schweizer Konzernchef.

Bereits in einer Woche kommt es zum Machtwechsel. Vorher soll Thiam noch wie geplant am kommenden Donnerstag das Jahresergebnis 2019 präsentieren. Danach werde er die Credit Suisse verlassen, teilte das Geldhaus am Freitag mit. An einer Sitzung am Vortag habe der Verwaltungsrat einstimmig den Rücktritt von Thiam angenommen und Gottstein zum neuen CEO ernannt, hiess es.

Rohner: Wechsel unausweichlich

Dazu sagte Rohner im Radio SRF: Ab einem gewissen Punkt habe man feststellen müssen, "dass wir aus dieser Situation so nicht herauskommen, ausser man macht einen Wechsel".

Thiam seinerseits erklärte in der Mitteilung: "Ich bin mit dem Verwaltungsrat übereingekommen, dass ich die Bank verlassen werde." Er beteuerte zwar erneut, dass er nichts von den Beschattungen von zwei Top-Managern gewusst habe, deren Bekanntwerden seit dem vergangenen Herbst für grosse Aufregung gesorgt hatte.

Aber: Zweifellos habe dies der Credit Suisse geschadet und zu Verunsicherung und Leid geführt. "Ich bedauere das Vorgefallene, und es hätte nie passieren dürfen." Er sei gleichzeitig auch "stolz darauf, was das Team während meiner Zeit erreicht hat." Thiam kam im Juli 2015 vom britischen Versicherer Prudential zur Credit Suisse und wurde damit Nachfolger von Brady Dougan.

Im vergangenen September war bekanntgeworden, dass die Credit Suisse den früheren Top-Manager Iqbal Khan von Privatdetektiven beschatten liess. Eine Untersuchung ergab, dass der mittlerweile entlassene COO Pierre-Olivier Bouée in Eigenregie handelte. Konzernchef Thiam soll nichts davon gewusst haben. Später flog dann auf, dass es kein Einzelfall war, sondern Bouée auch Personalchef Peter Goerke überwachen liess.

Auf Konfrontation mit Grossaktionären

Das ist insofern brisant, als dass vielmehr Rohner in den vergangenen Monaten stark unter Beschuss gekommen war. Zwar forderten die Medien in den vergangenen Wochen vermehrt einen Rücktritt Thiams. Aber verschiedene Grossaktionäre sprachen sich vehement für Thiam aus. Der Vertreter des grössten CS-Aktionärs etwa, David Herro vom US-Fondsmanager Harris Associate, drohte Rohner mit der Abwahl, falls es an der operativen Spitze der Grossbank zum Führungswechsel kommen sollte.

Am Freitag forderte auch der Westschweizer Stimmrechtsberater Ethos prompt erneut eine Abwahl Rohners. "Der Verwaltungsrat hat auch eine Verantwortung", sagte Ethos-Chef Vincent Kaufmann zur Nachrichtenagentur AWP. Für die Glaubwürdigkeit wäre es wichtig, wenn dies an der anstehenden Generalversammlung in diesem Jahr geschehe und nicht erst wie geplant 2021.

Rohner ist seit 2009 Verwaltungsratsmitglied der Grossbank und seit 2011 deren Präsident. Eigentlich müsste er spätestens zur Generalversammlung 2021 abtreten, da er dann die maximale Amtszeit von zwölf Jahren im Gremium erreicht hat.

Der Verwaltungsrat sprach am Freitag jedoch Präsident Urs Rohner explizit das Vertrauen aus. Roche-Konzernchef Severin Schwan, der bei der CS Vizepräsident ist, erklärte, Rohner habe das Gremium "während dieser turbulenten Zeit in anerkennenswerter Weise geführt". Man erwarte, dass dieser sein Amt bis April 2021 ausüben werde.

Im Visier der Behörden

Im Zuge der Beschattungsaffäre hatte die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht Finma einen Prüfbeauftragten bei der Credit Suisse eingesetzt. So sollten Fragen der Corporate Governance bei der Bank geklärt werden, hiess es im Dezember von der Behörde. Die Beschattungsaffäre habe aufsichtsrechtlich relevante Fragen aufgeworfen. Diese Abklärung der Finma läuft trotz der Anpassungen im Management weiter. "Wichtig für die Bank ist jetzt, dass wieder Ruhe einkehrt", sagte Sprecher Tobias Lux zur AWP.

Zudem hatte Khan, der mittlerweile zur Konkurrentin UBS als Co-Leiter die weltweite Vermögensverwaltung gewechselt ist, im September Strafanzeige erstattet. Auch das daraufhin eröffnete Strafverfahren läuft noch.

Der neue Chef Gottstein ist ein CS-Urgestein. Er verfügt insgesamt über 30 Jahre Bankerfahrung. Er möchte mit seinen Kollegen in der Geschäftsleitung die Credit Suisse in die nächste Wachstumsphase führen, erklärte Gottstein der Nachrichtenagentur Reuters.

Sein Nachfolger als CEO der Credit Suisse (Schweiz) AG wird André Helfenstein, der damit auch in die Konzernleitung eintritt. Bisher war dieser das Geschäft mit institutionellen Kunden in der Schweiz verantwortlich.

An der Schweizer Börse verloren die Aktien der Bank zunächst an Wert, vermochten in der Folge aber die Verluste einzugrenzen. Ganz kurz vor Handelsschluss drehte das Papier gar ins Plus und schloss 0,2 Prozent höher.

ys/jb