Gleichzeitig wird sein Erfolg aber überschattet von der Beschattungsaffäre, die den Schweizer Finanzplatz monatelang in Atem hielt und Thiam schließlich zu einem unrühmlichen Abgang zwang. Er sei stolz auf das Erreichte, sagte der sichtlich bewegte Hüne. "Es ist nicht meine Stellenbeschreibung, mich unersetzlich zu machen. Es geht darum, etwas zu machen, was Bestand hat."

Im vergangenen Jahr schaffte Credit Suisse einen Gewinnsprung von 69 Prozent auf 3,4 Milliarden Franken. Den Löwenanteil steuerten das Schweizer Geschäft und die Vermögensverwaltung bei. Zudem profitierte die Bank von Sonderfaktoren wie der Wertsteigerung einer Beteiligung an der Schweizer Börse und einem Immobilienverkauf. Belastend wirkten dagegen neue Rückstellungen für US-Rechtsfälle. In den knapp fünf Jahren seiner Amtszeit hat sich der Gewinn der zweitgrößten Schweizer Bank damit annähernd verdoppelt.

"Alles was wir gemacht haben, hatte zum Ziel, die Bank an einen Punkt zu bringen, wo sie weniger abhängig von den Schwankungen der Weltwirtschaft ist", sagte Thiam bei seiner letzten Pressekonferenz. Aus einem stark vom riskanten Investmentbanking abhängigen Institut schmiedete der frühere Versicherungsmanager einen Dienstleister für vermögende Privatkunden mit deutlich niedrigeren Kosten und einer solideren Bilanz. Bei der für Vermögensverwalter zentralen Wachstums-Kenngröße ließ das Institut andere Branchenvertreter deutlich hinter sich. So sammelte Credit Suisse in den vergangenen vier Jahren fast 200 Milliarden Franken an neuen Geldern ein und kam auf rekordhohe verwaltete Vermögen von 1,5 Billionen Franken.

Das eine erfolgreiche Restrukturierung nicht selbstverständlich ist, zeigt das Beispiel der Deutschen Bank. Die Frankfurter haben den Umbau ungefähr gleichzeitig mit Credit Suisse eingeleitet, aber immer noch einen weiten Weg vor sich. Deutschlands größtes Geldhaus will das Investmentbanking verkleinern und sich stärker auf Firmen- und Privatkunden fokussieren. Weltweit fallen dabei 18.000 Jobs weg.

"ICH WERDE MICH ERSTMAL ERHOLEN"

Aber auch Thiam gelang nicht alles. So hat sich der Aktienkurs in seiner Amtszeit halbiert, was auch mit zwei milliardenschweren Kapitalerhöhungen zu tun hat. Zudem erwiesen sich seine Zielvorgaben wiederholt als zu ehrgeizig, vor allem was das Ertragswachstum anbelangte. Zuletzt musste er im Dezember angesichts von anhaltenden Mini-Zinsen und der Eintrübung der Konjunktur bei den Gewinnzielen für 2019 und 2020 zurückrudern.

Dass der Abschluss 2019 dennoch zum Schwanengesang des Ivorers wurde, hängt mit dem größten Skandal in der Schweizer Bankenbranche seit dem Kollaps des Bankgeheimnisses zusammen: Credit Suisse ließ 2019 zwei ehemalige Spitzenmanager überwachen. Die Schuld für die Vorfälle wurde Thiams engsten Mitarbeiter zugewiesen, während er selber wiederholt erklärte, nichts davon gewusst zu haben. "Wenn man eine so komplexe Organisation führt, gibt es immer Sachen, die man besser machen könnte." Es tue ihm leid, was passiert sei. "Ich habe ein reines Gewissen." Auf die Frage, was er als nächstes tun werde, sagte der 57-Jährige: "Ich werde mich erholen und Zeit mit meiner Familie verbringen. Und danach sehen wir weiter." Nach seinem Abschied könnte Thiam zwei Insidern zufolge eine Vergütung von bis zu 30 Millionen Franken erhalten.

Am Freitag übernimmt Thomas Gottstein das Steuer bei der Credit Suisse. Sein Nachfolger komme aus der Bank, sagte Thiam. "Das ist ein Erfolgsausweis." Gottstein hebt sich von der Persönlichkeit her und bezüglich seiner beruflichen Karriere von Thiam ab, dennoch verstehen sich die beiden bestens. "Ich habe das Privileg, Thiam als Freund bezeichnen zu können - obwohl er ein Fan von Arsenal ist", sagte Gottstein bezogen auf den Londoner Fußballclub. Bei der Führung des Instituts will der Vollblut-Banker vom bisherigen Kurs nicht abrücken. "Credit Suisse ist extrem gut aufgestellt", sagte der frühere Spitzengolfer. Er stellte sich auch hinter die im Dezember ausgegebenen Renditeziele. Seine Amtszeit beginnt er schon mal mit Rückenwind. Erstmals seit Jahren habe Credit Suisse über alle Divisionen hinweg einen sehr erfreulichen Jahresauftakt verzeichnet. Auf das Gesamtjahr blickt die Bank vorsichtig optimistisch.