London/Zürich (awp) - Die Grossbank UBS will ihrer angeschlagenen Konkurrentin Credit Suisse nicht aktiv Kunden abwerben. "Wir wollen nicht aktiv auf ihre Kosten profitieren", sagte UBS-Verwaltungsratspräsident Colm Kelleher am Mittwoch an einer Konferenz. Der Kurs der CS-Aktie ist am Mittwoch auf neue Allzeittiefs gesunken.

Die Credit Suisse sei ein "würdiger Konkurrent", der gerade eine Krise durchlaufe, sagte Kelleher am Mittwoch in London an einer Bankenkonferenz der "Financial Times", wie das Wirtschaftsmedium online berichtete. Allerdings lebe man in einer Welt, wo Kunden ihre Gelder bewegen würden: "Wenn wir von Kunden proaktiv kontaktiert werden, lassen wir ihre Gelder zu uns kommen, ansonsten gehen sie zu unseren US-Konkurrenten", so der UBS-Präsident.

Bereits vergangene Woche hatte die Nachrichtenagentur Bloomberg berichtet, dass die UBS sowie die US-Bank Morgan Stanley von Zuflüssen von CS-Kunden vor allem in Asien profitieren könnten. Die Credit Suisse hatte vergangene Woche über massive Abflüsse von Kundengeldern vor allem in der Vermögensverwaltung berichtet. Insgesamt haben demnach CS-Kunden von Anfang Oktober bis Mitte November rund 6 Prozent der verwalteten Vermögen abgezogen, was rund 84 Milliarden Franken entspricht.

Neues Allzeittief

Die Credit Suisse-Aktien setzten derweil am Mittwoch ihren seit rund zwei Wochen anhaltenden Abwärtstrend fort. In einem insgesamt positiven Aktienmarkt waren die CS-Titel mit einem Minus von 2,8 Prozent auf 2,822 Franken erneut mehr klar schwächste Titel im Bluechip-Index SMI. Mit einem Kurs von 2,816 Fr. markierten die Titel der zweitgrössten Schweizer Bank auch am Mittwochabend wieder ein neues Allzeittief.

Das Misstrauen der Investoren bezüglich einer Erholung der Bank äusserte sich auch in neuen Höchstwerten der "Credit Default Swaps" (CDS), also der Absicherungen gegen einen Zahlungsausfall der Grossbank. Die 5-Jahres-CDS kletterten gemäss Daten von Reuters am Mittwoch auf neue Höchstwerte bei 409 Basispunkten, nachdem sie am Vorabend bei 407 Punkten geschlossen hatten. Zuletzt hatten die CDS Anfang Oktober auf ähnlichen hohen Niveaus notiert. Damals hatten in sozialen Medien Gerüchte um eine massive Schieflage der Grossbank die Runde gemacht.

Thiam verteidigt Leistungsausweis

Der frühere CS-CEO Tidjane Thiam verteidigte derweil an der "Financial Times"-Konferenz seinen Leistungsausweis bei der Credit Suisse im Hinblick auf die Debakel bei der Grossbank, die auf seinen Abgang gefolgt waren. "Ich war sehr streng und ich bin stolz darauf, dass nichts davon unter meiner Aufsicht geschehen ist", erklärte er.

Er selbst habe bereits 2016, in seinem zweiten Amtsjahr, zu einem "kulturellen Wandel" in der Bank aufgerufen, erklärte er. Kulturelle Angelegenheiten könnten nicht über Nacht gelöst werden. Zudem hätten einige Teile der deutschsprachigen Presse in Zürich eine "sehr toxische und wirksame Kampagne" gegen ihn gefahren.

Tidjane Thiam hatte die Führung der Credit Suisse 2015 vom US-Amerikaner Brady Dougan übernommen. Er musste im Februar 2020 zurücktreten und das Amt an Thomas Gottstein abgeben, nachdem ein Skandal um die Beschattung von ehemaligen Topmanagern während Monaten für negative Schlagzeilen gesorgt hatte.

tp/tv