Der 73-jährige wird mit Ende der Hauptversammlung am 28. April aus dem Kontrollgremium ausscheiden, wie Bayer am Mittwoch mitteilte. Wenning war eigentlich bis 2022 gewählt. Sein Nachfolger soll Aufsichtsratsmitglied Norbert Winkeljohann werden, der ehemalige Chef der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers Europe. Wenning und Vorstandschef Werner Baumann gelten als treibende Kräfte hinter dem 63 Milliarden Dollar teuren Kauf des US-Konzerns Monsanto. Bayer stieg damit zum weltgrößten Anbieter von Saatgut und Pflanzenschutzmitteln auf, holte sich aber auch eine Klagewelle wegen der angeblich krebserregenden Wirkung der glyphosathaltigen Unkrautvernichter von Monsanto ins Haus.

Seit Monaten versucht der US-Staranwalt Ken Feinberg, eine außergerichtliche Einigung zwischen Bayer und den US-Klägern zu erreichen. Diese könnte den Konzern nach Einschätzung von Analysten zwischen acht und zwölf Milliarden Dollar kosten. Nachdem zuletzt mehrere geplante Gerichtsverfahren verschoben wurden, hatten Spekulationen zugenommen, dass es nicht mehr lange bis zu einem Vergleich dauern könnte. Wenning erklärte nun, Bayer sei strategisch und operativ auf einem sehr guten Weg. "Im Hinblick auf die Handhabung der rechtlichen Themen in den USA haben wir zudem Fortschritte gemacht und setzen dies fort. Daher ist jetzt ein guter Zeitpunkt, mein Amt an einen Nachfolger zu geben."

Bayer sieht sich in den USA mit mehr 42.700 Klägern wegen Glyphosat konfrontiert. Bislang hat der Konzern drei Prozesse in erster Instanz verloren und wurde zu millionenschweren Schadenersatzzahlungen verurteilt. Die Vorwürfe gegen Glyphosat hat Bayer stets zurückgewiesen. Zulassungsbehörden weltweit bewerteten das Herbizid bei sachgemäßer Anwendung als sicher. Gleichwohl hat die Klagewelle den Konzern in eine tiefe Krise gestürzt. Baumann war auf der Hauptversammlung im vergangenen Jahr als erster amtierender Vorstandschef eines Dax-Konzerns nicht entlastet worden. Dem Aufsichtsrat sprachen die Eigner nur knapp das Vertrauen aus. Baumann, der als Ziehsohn Wennings gilt, konnte sich dennoch der Rückendeckung des Aufsichtsrats gewiss sein. Nun verliert er seinen wichtigsten Unterstützer.

KRITIK AN MANGELNDER BRANCHENEXPERTISE VON WINKELJOHANN

Nach Einschätzung von Ingo Speich, Leiter Nachhaltigkeit und Corporate Governance bei der Fondsgesellschaft Deka, hatte sich Wennings Rückzug schon wegen seines Alters abgezeichnet. Denn die Altersgrenze liegt für Bayer-Aufsichtsratsmitglieder bei 72 Jahren. Darauf verwies auch Wenning: Er habe sich eigentlich schon im vergangenen Jahr wegen des Erreichens der Altersgrenze aus dem Kontrollgremium zurückziehen wollen. Der Aufsichtsrat habe ihn aber im Hinblick auf die damalige Lage des Unternehmens gebeten, diesem weiter zur Verfügung zu stehen.

Für Winkeljohann als Nachfolger spricht Speich zufolge, dass er seinen Posten unvorbelastet und mit frischem Auge angehen könne. "Das kann eine Herausforderung für Baumann sein, gerade in der schwierigen Phase, in der sich der Konzern befindet." Gleichzeitig gab Speich zu bedenken, dass es Winkeljohann an internationaler Erfahrung sowie Expertise in den Bereichen Pharma und Agrar mangele. "Das macht die Situation für Winkeljohann schwierig." Janne Werning von der Fondsgesellschaft Union Investment erklärte, Winkeljohann sei zwar "ein gutes Aufsichtsratsmitglied und mit der Arbeit im Bayer-Aufsichtsrat seit 2018 vertraut. Für einen Aufsichtsratsvorsitz hätten wir uns jedoch mehr Branchenexpertise gewünscht, gerade auch weil das vorgesehene neue Aufsichtsratsmitglied Herr Baier diese nicht mitbringt." Der ehemalige TUI-Finanzchef Horst Baier soll den freiwerdenden Posten im Aufsichtsrat übernehmen.

Bei Bayer endet mit Wennings Rücktritt eine Ära. Mit Winkeljohann übernimmt erstmals seit langem kein Bayer-Gewächs den Vorsitz im Aufsichtsrat. Sowohl Wenning als auch sein Vorgänger Manfred Schneider arbeiteten jahrzehntelang für den Konzern und waren lange selbst Vorstandschef. Winkeljohann (62) gehört dem Bayer-Kontrollgremium seit Mai 2018 an, er ist auch Aufsichtsratsmitglied bei der Deutschen Bank.