MONTABAUR/MAINTAL (dpa-AFX) - Mit einem Bündel an Neuigkeiten sind der Internetkonzern United Internet und dessen Telekom-Tochter 1&1 vorgeprescht. Beide Unternehmen hoben ihre Prognose nacheinander an, und 1&1 verkündete nach langem Warten erste Details zu seinem 5G-Netzaufbau. Dabei zeigte sich United-Internet-Chef Ralph Dommermuth zuversichtlich, die Auflagen der Bundesnetzagentur zeitlich einhalten zu können.

So kündigte der Telekommunikationsanbieter 1&1 am Mittwochnachmittag an, sein 5G-Open-RAN-Netz mit dem japanischen Internetunternehmen Rakuten aufbauen zu wollen. Dabei wirbt das Unternehmen mit dem europaweit ersten, vollständig virtualisierten Mobilfunknetz auf Basis des offenen Standards "Open RAN". Konkret solle Rakuten die aktiven Netzbestandteile installieren und für die Gesamtperformance des Netzes verantwortlich sein. 1&1 bekomme Zugriff auf die Steuerungsplattform. Der Bau des 1&1-Netzes solle im kommenden Quartal beginnen.

"Open RAN" (Radio Access Network) verspricht den Abbau technologischer Barrieren, die bisher den Markt abgeschottet haben. Durch den neuen offenen Standard sollen Komponenten der Mobilfunknetze herstellerübergreifend kompatibel werden. "Open RAN" ist also eine Art Architektur, die Betreibern erlaubt, Zubehör von verschiedenen Anbietern zu nutzen. Bisher gibt es hier nur geschlossene Systeme.

Von dem neuen automatisierten Netz verspricht sich Firmenchef Dommermuth vor allem Sparpotenzial. "Wir werden das Netz mit 50 Mitarbeitern betreiben können, weil es voll automatisiert funktioniert", sagte er im Gespräch mit dem "Handelsblatt" (Online, Mittwoch). Bei den verbauten Antennen handele es sich ausschließlich um "echtes 5G", betonte er. Dommermuth spielte damit darauf an, dass Telekommunikationsanbieter auch die Möglichkeit haben, ältere 4G-Antennen per Software-Update zukunftsfähig zu machen.

Mit Blick auf die Auflagen der Bundesnetzagentur sagte Dommermuth, dass 1&1 im Zeitplan sei. "Wir müssen aufholen, was wir verloren haben, aber wir werden den Zeitplan einhalten", sagte der United-Internet-Chef der Zeitung. Weil viele Arbeiten parallel zu den Vertragsverhandlungen liefen, müsse 1&1 nicht "bei null" beginnen. Als Beispiel nannte der Konzernchef den Ausbau des Glasfasernetzes oder die Standortakquise. Bis spätestens Ende 2022 muss das Unternehmen mindestens 1000 eigene Antennenstandorte betreiben.

Dommermuth schob den drei großen Telekom-Anbieter Deutsche Telekom, Vodafone und Telefonica Deutschland die Schuld zu, warum 1&1 bislang noch keine Antenne aufgestellt habe. "Wir haben bei den Verhandlungen mit den drei großen Mobilfunkanbietern rund um National Roaming viel Zeit verloren", sagte er. Die drei bestehenden Anbieter hätten kein Interesse an einem neuen Konkurrenten gehabt.

Dabei ist vor allem letzterer essenziell für 1&1, bevor das Unternehmen überhaupt zum vierten Telekom-Anbieter in Deutschland aufsteigen kann. Bislang hat das Unternehmen keine 5G-Standorte und muss sich in das Netz von Telefonica Deutschland einmieten, um seinen Kunden überhaupt Dienstleistungen anbieten zu können.

Ungeachtet der Zukunftspläne lief es in den ersten sechs Monaten rund für United Internet und 1&1 - so rund, dass beide am Abend ihre Ziele für das laufende Jahr nach oben schraubten. Die Tochter erwartet einen leicht erhöhten operativen Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen in Höhe von 670 Millionen Euro statt wie zuvor kommuniziert 650 Millionen Euro. Der Jahresumsatz soll weiter bei 3,1 Milliarden Euro liegen. United Internet will 2021 einen Erlös von 5,6 Milliarden Euro (zuvor: 5,5 Milliarden Euro) sowie einen operativen Gewinn von 1,25 statt 1,22 Milliarden Euro hinkriegen.

In den ersten sechs Monaten stieg der Konzernumsatz um 4,4 Prozent auf knapp 2,8 Milliarden Euro. Ohne einen periodenfremden Ertrag aus dem National-Roaming-Abkommen mit Telefonica Deutschland verdiente United Internet operativ mit 633,8 Millionen Euro 2,1 Prozent mehr. Die Tochter erlöste mit 1,9 Milliarden Euro gut 2,6 Prozent mehr als im Vergleichszeitraum. Das Unternehmen zählt nun 15,11 Millionen Kundenverträge, was einem Plus von 280 000 entspricht. Das operative Ergebnis des ersten Halbjahres ohne periodenfremden Ertrag stieg um 2 Prozent auf 336,1 Millionen Euro.

Jefferies-Analyst Ulrich Rathe schrieb am Mittwochabend, 1&1 habe sich mit Rakuten jemanden ins Boot geholt, der umfassende Erfahrungen als First Mover im Bereich "Open RAN" besitze. Dies sollte die Umsetzungsrisiken für 1&1 erheblich reduzieren. Auf der Handelsplattform Tradegate legten die Aktienkurse beider Unternehmen leicht zu./ngu/he