Die K.Rorsted-Strategie (2014-2019)

Adidas erlebte bis ins Jahr 2014 eine längere Phase der Stagnation mit einem Umsatz von rund 15 Milliarden Euro. Danach ging es bis 2019 bergauf, der Umsatz kletterte auf 23,6 Milliarden Euro. Zu diesem Zeitpunkt war das Margenprofil mit der amerikanischen Nemesis (Nike) gleichgezogen - vor allem die Cashflow-Generierung explodierte förmlich.

Diese erfreuliche Umsatzentwicklung ist sowohl auf den Volumeneffekt als auch auf den Preiseffekt zurückzuführen. Die Preissteigerungen, angestoßen in der Ära Rorsted, wurden ideal absorbiert. Ein Lehrbuchfall, in dem eine Strategie der Preiserhöhung bei unelastischen Gütern den Konsumentenüberschuss reduziert und das Gesamteinkommen des Unternehmens erhöht. Und ein Beweis dafür, dass die Marke Adidas ein hervorragendes Image genießt - als Stilikone und nicht nur als reine Sportmarke. Sollte Adidas die Produktionskette neu organisieren und das Betriebskapital clever verwalten, könnte die Bruttomarge in nur wenigen Jahren explosionsartig ansteigen. Diese Managementprinzipien hatte Kasper Rorsted bei Henkel ausprobiert, wo er einen ähnlichen Turnaround schaffte.

Wie bei Nike beruht der Erfolg von Adidas auf zwei wichtigen Wettbewerbsvorteilen: einem hervorragenden Markenimage, das eine komfortable Preismacht garantiert, sowie unschlagbaren Produktionskosten pro Einheit, die in Verbindung mit dem Umsatzwachstum dazu führen, dass der Konzern immer mehr an Größe und damit an Marge gewinnt.

Um den wirtschaftlichen Mechanismus grob zu skizzieren: Auf der nachgelagerten Ebene sind die Stückkosten für die Herstellung eines Paars Schuhe aufgrund der riesigen Stückzahlen niedriger als bei der Konkurrenz; auf der vorgelagerten Ebene verfügt die Marke über eine echte Preismacht und kann es sich daher leisten, das Paar Schuhe zu einem Preis zu verkaufen, der über dem der Mitbewerber liegt. Mit diesen bemerkenswerten Gewinnspannen finanziert die Marke immer umfassendere und spektakulärere Werbekampagnen, sponsert Ikonen des Weltsports und steigert somit kontinuierlich den wirtschaftlichen Wert ihres Franchiseunternehmens. Die Folgen dieser Werbepolitik sind unmittelbar spürbar: die Verkäufe steigen, während die Produktionskosten pro Einheit weiter und stärker als in anderen Branchen sinken. Die Aufnahme neuer Produktionslinien kostet fast nichts, außer Personal. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass wir es bei Adidas mit einem positiven Kreislauf zu tun haben und sich der Wettbewerbsvorteil von selbst verstärkt.

Die Omnichannel-Image-Strategie von Adidas

Doch es kam einiges anders, als erwartet. Denn es folgten drei einschneidende Ereignisse: die Pandemie mit den wiederholten Lockdowns, der Verlust erheblicher Marktanteile in China und schließlich der Krieg in Osteuropa.

Ein Paradebeispiel für geopolitische Risiken

Mehr als manch andere Unternehmen scheint Adidas seine soziale Verantwortung ernst zu nehmen. Zumindest kann man versucht sein, dies zu glauben, nachdem der Konzern öffentlich Partei gegen die Menschenrechtsverletzungen in Xinjiang ergriffen hat. Aus moralischer Sicht bewundernswert, aber aus geschäftlicher Perspektive riskant. Schließlich macht China die Hälfte des operativen Gewinns des deutschen Konzerns aus. Wenn man dann noch die aktuelle Pausierung der Geschäftstätigkeit in Russland hinzufügt, sind ein Viertel der Einnahmen und die Hälfte des EBIT politischen Risiken ausgesetzt.

Der Markt nahm diese Entwicklungen selbstverständlich zur Kenntnis und schickte die Aktie unter die Marke von 120 EUR, was fast einer Dreiteilung gegenüber den im Sommer 2021 erreichten Höchstständen entspricht. Diese Enttäuschung kostete Rorsted seinen Posten, der trotz einer hervorragenden Gesamtbilanz seinen Hut nehmen musste. Sicherlich wird nicht nur ein Aktionär dem CEO seinen Unmut über die "Beleidigung des wichtigsten Kunden des Konzerns" (d. h. China) mitgeteilt haben. Mit etwas Abstand können wir die Entlassung von Rorsted als einen Knochen analysieren, welcher der Kommunistischen Partei Chinas hingeworfen wurde, um die langfristige Präsenz der Marke mit den drei Streifen in dem Land nicht zu gefährden. Ein Kopf musste rollen, eine 100-prozentige politische Enthauptung und eine PR-Affäre....

Das Ergebnis ist ein hoher Kursabschlag - begründet oder nicht? Konzentrieren wir uns wie üblich auf die Fundamentaldaten sowie die langfristige Perspektive und versuchen wir, eine vorsichtige Bewertung des Konzerns im Lichte dieser Elemente zu skizzieren, anstatt auf die aktuellen Schlagzeilen zu reagieren.

Verteilung des Umsatzwachstums nach geografischen Gebieten

Finanzielle Leistung

Der erste Punkt, den es zu erwähnen gilt: Weder das Management noch die Analysten rechnen mit nennenswerten Auswirkungen auf die Einnahmen. Die Erwartungen für dieses Jahr liegen weiterhin zwischen 23 und 24 Mrd. Euro - und das trotz der Veräußerung von Reebok, die fast 1,8 Mrd. Euro an Einnahmen einbrachte - der Inflation und Problemen mit den Lieferketten. Entgegen all dieser Schwierigkeiten plant der deutsche Konzern für dieses Jahr einen Betriebsgewinn von 2,2 Mrd. Euro, was einer Steigerung von 10% gegenüber 2021 entspricht. Das Management und die Analysten scheinen auf den ersten Blick recht optimistisch zu sein, es sei denn, der Markt erhält exklusive Informationen über die chinesische (Nicht)-Erholung. Der Online-Umsatz wächst weiterhin um 12%, was den Rückgang der Umsätze in den Geschäften teilweise auffangen kann, nicht aber die chinesischen Einbußen kompensiert.

Anleger, die auf konträre Wetten setzen, können auf die letzten fünf Geschäftsjahre (2017 bis 2021) zurückblicken, in denen der Umsatz zwischen 21 und 23 Mrd. Euro schwankte, mit Ausnahme des pandemiebedingten „annus horribilis“ 2020 mit einem Umsatz von 18 Mrd. Euro.

Bei mehr oder weniger gleichbleibenden Umsätzen in diesem Zeitraum schwankt die Betriebsmarge um 10 % und die Anzahl der Aktien sinkt um 5 %. Im Zeitraum von 2017 bis 2021 hat sich der Free Cashflow (FCF, Bargewinne) von 900 Mio. Euro auf 2,5 Mrd. Euro fast verdreifacht. Kumuliert hat Adidas also 8,5 Mrd. Euro FCF bei einem Buchgewinn von 7,3 Mrd. Euro erwirtschaftet (der Unterschied ist die Differenz zwischen Abschreibungen und CapEx).

Entwicklung des Buchgewinns nach geografischen Regionen

Was die Allokation dieser 8,5 Mrd. Euro betrifft, so wurden 5,5 Mrd. Euro an die Aktionäre zurückgegeben: über 3,2 Mrd. Euro Aktienrückkäufe, die zu sehr hohen Multiplikatoren durchgeführt wurden, und 2,2 Mrd. Euro in Form von Dividenden. Der Rest von 600 Mio. Euro floss in die Entschuldung des Unternehmens und 2,4 Mrd. Euro haben sich in der Bilanz angesammelt. Wenn wir die Gewinnkapazität der letzten fünf Jahre annualisieren, kommen wir auf einen FCF von 1,7 Mrd. Euro. Wenn wir dies in Relation zur Marktkapitalisierung von 21 Mrd. Euro setzen, bewegen wir uns bei Multiplikatoren von nur dem 12-fachen der Gewinne - für ein Geschäft mit enormen Wettbewerbsvorteilen und einer Eigenkapitalrendite von 25 %. Sollte es Adidas gelingen, wieder zu wachsen, wird dies ein echter Homerun sein. Gelingt dies hingegen nicht, scheint die aktuelle Bewertung allmählich eine gewisse Sicherheitsmarge zu bieten.

Schlussfolgerung

Das Gewinnwachstum hat einen Pfad eingeschlagen, der mit dem von Nike ziemlich vergleichbar ist. Bei diesem Preis handelt es sich um eine attraktive Gelegenheit für ein außergewöhnliches Franchise und ein Geschäft von überragender Qualität. Um noch weiter zu extrapolieren, könnte Adidas sogar Warren Buffett die Gelegenheit bieten, eine bedeutende Investition in Sportswear zu tätigen und durch die große Tür nach Europa zurückzukehren. Warten wir es ab…

Adidas ist ein Unternehmen, welches wir besonders schätzen und das wir weiterhin aufmerksam verfolgen. Zur Erinnerung: Das deutsche Unternehmen war einst eine Position im Europa-Portfolio von MarketScreener.