Ankara/München/Doha (Reuters) - Gegen das Verbot von "One Love"-Kapitänsbinden bei der Fußball-Weltmeisterschaft in Katar regt sich weiter Widerstand.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser bezeichnete die Entscheidung des Welt-Fußballverbandes Fifa am Dienstag als großen Fehler und kündigte an, das Thema auch bei ihrem Besuch in der katarischen Hauptstadt Doha anzusprechen. "Es ist der schwere Weg, aber ich halte es für wichtig, dass wir nach wie vor mit den Entscheidungsträgern dort über die Menschenrechte diskutieren", sagte die auch für den Sport zuständige Ministerin am Rande eines Besuchs in Ankara.

Nach einem Bericht der "Bild"-Zeitung will der Deutsche Fußball-Bund (DFB) den Internationalen Sportgerichtshof CAS anrufen, um das Tragen der Armbinden doch noch durchzusetzen, die ein Zeichen für Toleranz und gegen Diskriminierung setzen sollte. Sieben europäische Mannschaften - darunter die deutsche - hatten am Montag auf Druck der Fifa erklärt, die "One Love"-Armbinde bei den WM-Spielen nicht zu tragen. Die Fifa hatte mit nicht näher bezeichneten Strafen gedroht. Sie hält die Aussage für eine politische Botschaft, die auf dem Spielfeld untersagt ist.

"Wir waren willens, Geldstrafen zu zahlen, die normalerweise bei Verstößen gegen die Ausrüstungsvorschriften verhängt werden", teilten der DFB und die Fußballverbände von England, Wales, Belgien, den Niederlanden, der Schweiz und Dänemark mit. Man könne die Spieler aber nicht in die Situation bringen, dass sie verwarnt oder gar gezwungen würden, das Spielfeld zu verlassen. Faeser sagte, sie bedaure, dass sich die europäischen Fußballverbände der Fifa-Entscheidung beugten. Spielführer der deutschen Nationalmannschaft ist Torhüter Manuel Neuer.

Laut dem "Bild"-Bericht will der DFB bei einer für die WM eingerichteten Ad-hoc-Kammer des CAS vorläufigen Rechtsschutz für die Dauer des Turniers erwirken. Das Gericht entscheidet innerhalb von 48 Stunden. Für das erste Spiel der deutschen Elf am Mittwoch gegen Japan könnte das aber zu spät sein. Ein DFB-Sprecher sagte, man prüfe alle Optionen.

Unterdessen geht ein erster Sponsor auf Distanz zum DFB. Der Einzelhandelskonzern Rewe beendet seine Kooperation mit dem Verband vorzeitig. Rewe hatte den Partnerschaftsvertrag mit dem DFB schon im Oktober gekündigt. Nach den jüngsten Entscheidungen sehe sich Rewe aber "aufgefordert, sich in aller Deutlichkeit von der Haltung der Fifa zu distanzieren und auf seine Werberechte aus dem Vertrag mit dem DFB - insbesondere im Kontext der Weltmeisterschaft - zu verzichten", teilte das Unternehmen mit. Rewe-Chef Lionel Souque bezeichnete die Haltung dr Fifa als "skandalös". Ein DFB-Sammelalbum von Rewe zur WM in Katar werde ab sofort gratis angeboten. Die bisherigen Erträge aus dem Verkauf wolle Rewe spenden.

Die Deutsche Telekom, die über MagentaTV alle WM-Spiele überträgt, kündigte Gespräche mit dem DFB an. "Wir halten nichts von überstürzten Entschlüssen und müssen zunächst die Hintergründe der Entscheidung des DFB verstehen", erklärte der Konzern, der zu den Partnern des DFB gehört: "Deshalb werden wir zeitnah mit dem DFB über die gesamte Thematik sprechen."

Der langjährige Ausrüster Adidas steht zu seinem Vertrag mit dem DFB. "Wir werden die Partnerschaft nicht beenden", betonte ein Sprecher des Sportartikelkonzerns, der in Katar sieben Nationalteams ausrüstet. Adidas setze auf Dialog und unterstütze Spieler und Mannschaften, die sich für einen Wandel einsetzten. "Sport bietet wichtigen Themen eine Bühne. Es ist unerlässlich, die Diskussion fortzuführen." Zur Partnerschaft mit dem Fußball-Weltverband Fifa, für den Adidas einer der sieben wichtigsten Sponsoren ist, äußerte sich Adidas zunächst nicht.

Auch Volkswagen hält an seiner Partnerschaft mit dem deutschen Verband fest. "Es gab beim DFB in den letzten Monaten viele gute Entwicklungen. Und wir wollen auch zukünftig mit dem DFB gemeinsam an positiven Veränderungen im Fußball insgesamt arbeiten", sagte ein Sprecher des Autobauers, der auch Eigentümer des Bundesligisten VfL Wolfsburg ist. "Dennoch hätten wir es begrüßt, wenn die europäischen Verbände ein solches sichtbares Zeichen für Vielfalt bei diesem Turnier gesetzt hätten." Die Reaktionen zeigten, dass sich im Weltfußball "dringend etwas Grundsätzliches ändern" müsse. Das Verhalten der Fifa sei nicht akzeptabel.

(Bericht von Nette Nöstlinger, Alexander Hübner, Matthias Inverardi, Jan Schwartz und Karolos Grohmann; redigiert von Hans Seidenstücker. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)