Deutschlands größte Fluggesellschaft gab am Mittwoch offiziell ihr Interesse an Teilen des insolventen Rivalen bekannt, wie Lufthansa am Abend nach der ersten Sitzung des Gläubigerausschusses in Berlin mitteilte. Über Einzelheiten einer entsprechenden Absichtserklärung sei Stillschweigen vereinbart worden. Air Berlin erklärte nach dem Treffen in der Firmenzentrale, die Vertreter der Gläubiger hätten einstimmig einen Weiterbetrieb der Fluglinie beschlossen. "Unser Ziel ist und bleibt, zügig zu tragfähigen Abschlüssen zu kommen und so viele Arbeitsplätze wie möglich zu erhalten", sagte der Air-Berlin-Generalbevollmächtigte Frank Kebekus.

Eine mit den Beratungen vertraute Person hatte der Nachrichtenagentur Reuters erklärt, Lufthansa habe sogar sein Interesse an großen Teilen von Air Berlin offiziell bekundet. In der Absichtserklärung an das Gremium hieß es demnach, die Lufthansa wolle die österreichische Air-Berlin-Tochter Niki und weitere Teile der Fluggesellschaft übernehmen.

Die Gespräche über eine Aufteilung der hoch verschuldeten Fluggesellschaft auf Lufthansa und andere Airlines hatte Air-Berlin-Chef Thomas Winkelmann bereits vergangene Woche kurz nach Anmeldung der Insolvenz begonnen. Der Gläubigerausschuss muss einem Verkauf zustimmen. Dem Gremium gehören Vertreter von Air Berlin, Commerzbank, der Lufthansa-Tochter Eurowings, der Bundesagentur für Arbeit sowie ein Anwalt von Leasinggesellschaften an. Die Bundesagentur zahlt drei Monate lang das Insolvenzgeld für die 7200 Mitarbeiter in Deutschland. Eurowings hat 38 Maschinen mit Besatzungen von Air Berlin gemietet und vorfinanziert und wäre deshalb von einer Einstellung des Flugbetriebs stark betroffen.

Die verlustreiche zweitgrößte deutsche Fluggesellschaft hatte vergangene Woche Insolvenz angemeldet, da ihr Hauptaktionär Etihad Airways weitere Finanzspritzen verweigert. Der Pleite ging ein jahrelanges Siechtum von Air Berlin voraus. Der notorisch defizitäre Lufthansa-Rivale war von seinem Großaktionär Etihad mit Finanzspritzen über mehrere Milliarden gestützt worden. Die Fluggesellschaft aus Abu Dhabi war 2011 bei Air Berlin eingestiegen und hält knapp 30 Prozent. Der Flugbetrieb wird jetzt mit einem staatlichen Überbrückungskredit von 150 Millionen Euro aufrechterhalten. Das soll Air Berlin drei Monate lang in der Luft halten. Doch Winkelmann strebt eine Lösung bis Ende September an. Es herrsche Zeitdruck, weil eine Fluggesellschaft in Insolvenz nun mal Geld verbrenne, sagte er dem "Handelsblatt".

Nach früheren Angaben von Insidern ist Lufthansa am Kauf von bis zu 90 der 140 Flugzeuge von Air Berlin interessiert. Dabei ist die Niki-Flotte eingerechnet. Auch die Thomas-Cook-Tochter Condor ist an Teilen interessiert und war in die Gespräche der Gläubiger einem Insider zufolge einbezogen. Als dritter potenzieller Erwerber von Air-Berlin-Resten gilt der britische Billigflieger EasyJet. Condor und EasyJet äußerten sich nicht.

Der irische Billigflieger Ryanair kündigte dagegen ebenso wie der Luftfahrt-Unternehmer Hans Rudolf Wöhrl an, Air Berlin komplett übernehmen zu wollen. Beide kritisieren, die Lufthansa werde im Verkaufsprozess bevorzugt behandelt und habe schon früher als sie selbst Zugang zu Wirtschaftsdaten bekommen. "Es wurden Fakten geschaffen, die eine Rettung des Unternehmens verhindern sollten", erklärte Wöhrl. Air Berlin bestreitet das.

Die Kritiker sahen sich durch Äußerungen von Regierungsvertretern bestätigt. Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries und Verkehrsminister Alexander Dobrindt hatten sich in den vergangenen Tagen offen dafür ausgesprochen, dass ein großer Teil von Air Berlin an Lufthansa geht. Ryanair-Chef Michael O'Leary hatte den Politikern und der Kranich-Linie ein "abgekartetes Spiel" vorgeworfen. "Der Vorwurf ist aus der Luft gegriffen", sagte Zypries am Mittwoch in Frankfurt.