- von Christian Kraemer und Arno Schuetze

Das neun Milliarden Euro schwere Rettungspaket für die von der Coronakrise schwer gebeutelte Lufthansa ist offenbar bald in trockenen Tüchern.

Die Bundesregierung und die Fluggesellschaft seien sich über die Konditionen einig, sagten mehrere mit den Verhandlungen vertraute Personen am Montag der Nachrichtenagentur Reuters. "Die Verhandlungen sind in der Endphase, aber noch nicht abgeschlossen", sagte eine Sprecherin des Wirtschaftsministeriums in Berlin. Der Lenkungsausschuss des Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) müsse noch dazu tagen und das vorliegende Konzept billigen. Das Gremium tritt den Insidern zufolge am Montagnachmittag zusammen.

Danach steht noch das offizielle Ja des Vorstands und des Aufsichtsrats der Lufthansa aus, der nach einem Bericht des "Handelsblatts" am Dienstag zusammentritt. Nach einem Vorstandsbeschluss sollen die Aufsichtsräte zwei Tage Zeit bekommen, das Finanzpaket zu prüfen. Die letzte Hürde ist die EU-Kommission, die bei Staatshilfen prüft, ob es dadurch zu Verzerrungen des Wettbewerbs in Europa kommt.

Am Gesamtvolumen von neun Milliarden Euro, das die Lufthansa schon in der vergangenen Woche bestätigt hatte, habe sich nichts mehr geändert, sagten die Insider. Danach soll der Staat für rund 300 Millionen Euro 20 Prozent an der Lufthansa übernehmen. Der Löwenanteil der Hilfen besteht aus einer stillen Einlage in Höhe von 4,7 Milliarden Euro. Hinzu kommt eine weitere stille Beteiligung über eine Milliarde Euro, die in Aktien umgewandelt werden kann, wenn der Staat eine Übernahme der Fluggesellschaft verhindern will, wie einer der Insider sagte. Die Lufthansa müsse zunächst vier Prozent Zinsen darauf zahlen, später steigt die Verzinsung auf bis zu 9,5 Prozent. Die Staatsbank KfW steuert einen Kredit über drei Milliarden Euro bei. Die Lufthansa wollte sich zu den Details nicht äußern.

Der Bund soll zudem zwei Sitze im Aufsichtsrat der Fluggesellschaft besetzen können - nicht mit Politikern, sondern mit Wirtschaftsvertretern.

Die konkreter werdende Aussicht auf Rettung beflügelte die Aktien der Lufthansa: Sie stiegen am Montag um 5,4 Prozent auf 8,47 Euro, obwohl sich die bisherigen Aktionäre auf eine starke Verwässerung ihrer Papiere einstellen müssen. Die neuen Aktien werden zum Nennwert von jeweils 2,56 Euro ausgegeben, wie es in Verhandlungskreisen hieß. Dadurch hofft der Bund später mit einem beträchtlichen Gewinn aussteigen zu können. Die Lufthansa schreibt wegen des praktisch brachliegenden Luftverkehrs in der Coronakrise horrende Verluste - Vorstandschef Carsten Spohr hatte sie auf eine Million Euro in der Stunde beziffert. Ohne Staatshilfen droht ihr auf absehbare Zeit das Geld auszugehen.

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) stellt sich darauf ein, dass es lange dauern könnte, bis die Lufthansa den Staat als Kapitalgeber wieder loswird. "Sobald die Lufthansa wieder in der Gewinnzone ist, müssen diese Gelder zurückgezahlt werden", sagte er am Sonntagabend im ZDF. "Das kann einige Jahre dauern. Das weiß niemand im voraus."

UMWELTMINISTERIN FORDERT BEITRAG ZUM KLIMASCHUTZ

Die Verhandlungen hatten sich im Streit um den Einfluss des Staates hingezogen. Bundesumweltministerin Svenja Schulze sagte am Montag in Berlin, der Klimaschutz werde bei der Rettung eine Rolle spielen. Wenn der Staat der Fluglinie helfe, müssten auch solche Aspekte berücksichtigt werden, betonte die SPD-Politikerin. "Ich bin zuversichtlich, dass das in den Verhandlungen gelingt." Mitte Juni will die Fluggesellschaft nach der Aufhebung der weltweiten Reisewarnungen 20 Urlaubsziele wie Mallorca, Venedig und Kreta wieder in den Flugplan aufnehmen.

Die Gespräche mit der EU-Kommission liefen unterdessen auf Hochtouren, hieß es in Verhandlungskreisen. Die Behörde wollte sich nicht zu dem konkreten Fall äußern. Sie sei sich aber der prekären Lage der Luftfahrtbranche infolge der Corona-Pandemie bewusst, sagte ein Sprecher. Ein Insider sagte, die Brüsseler Behörde werde verlangen, dass die Lufthansa einen Teil ihrer Start- und Landerechte an wichtigen Flughäfen aufgebe - wo, sei noch unklar. Staatshilfen für Air France-KLM hatte die EU bereits durchgewinkt. Dabei ging es allerdings nur um Kredite - der französische Staat ist schon mit 14 Prozent beteiligt. Die Fluggesellschaft verzichtet im Gegenzug für den Klimaschutz auf kurze Inlandsflüge.