Von Benjamin Katz und Doug Cameron

NEW YORK (Dow Jones)--Nach einem transatlantischen Waffenstillstand über Subventionen und Zölle für Verkehrsflugzeuge rüsten sich Boeing und Airbus für einen neu belebten Kampf in ihren jeweiligen Heimatmärkten. Beide Unternehmen entwickeln derzeit Strategien, um durch die pandemiebedingte Reiseflaute verlorenes Terrain zurückzugewinnen.

Die USA und die EU haben ihren 17 Jahre alten Streit über Subventionen für Flugzeuge ausgesetzt und die wechselseitigen Strafzölle beiseitegelegt. Beide Unternehmen hatten diese Zölle (15 Prozent des Flugzeugpreises) bei transatlantischen Geschäften entweder selbst getragen oder an ihre Kunden weitergegeben.

Die Einigung kommt zu einem Zeitpunkt, an dem Boeing wieder mit der Auslieferung seines Schmalrumpfflugzeugs 737 Max beginnt. Das Flugzeug war nach zwei tödlichen Unfällen mehr als zwei Jahre lang mit Flugverbot belegt.

Der Deal beseitigt die Bedrohung durch Zölle, die die Auslieferungen der beiden Unternehmen in den Heimatmarkt des Rivalen verzögern oder blockieren könnten. Und das kommt laut Rob Stallard, Luftfahrtanalyst bei Vertical Research Partners, zu einer Zeit, in der beide den Absatz brauchen. Der US-und der europäische Markt sind ungefähr gleich groß und machen jeweils etwa ein Fünftel der gesamten Bestellungen und Auslieferungen der beiden großen Flugzeughersteller aus.


   Koinzidenz von 737-Max-Flugverbot und US-Strafzoll 

"In Anbetracht der Tatsache, dass es sich um einen unnötigen Konflikt mit freundlichem Feuer handelte, ist die Beendigung dieses Handelskriegs eine gute Nachricht", so Stallard und fügt hinzu: "Das 737 Max-Flugverbot und dann die Pandemie haben dazu geführt, dass die Auslieferungen neuer Flugzeuge viel niedriger waren als 2018 vor den Zöllen."

Die Scharfmacherei ging trotz des Waffenstillstands weiter. Airbus warf den USA vor, einer Einigung erst zuzustimmen, nachdem Boeing wieder mit der Auslieferung der 737 Max nach Europa beginnen konnte. "Die Zölle kamen wie vom Himmel zufällig, als wir einen Wettbewerber hatten, der ernsthaft gestört wurde", argumentiert Airbus-Vorstandsmitglied Christian Scherer immer noch verärgert. "Diese feindlichen Haltungen, die von unserem Konkurrenten ausgingen, ließen nach, als dieser wieder Flugzeuge ausliefern konnte."

Das Büro des US-Handelsbeauftragten gab nicht sofort einen Kommentar ab. Boeing begrüßte das neue Abkommen zwischen den USA und der EU, lehnte es aber ab, die Äußerungen von Airbus zu kommentieren.


   Airbus umging Strafzoll teilweise durch US-Fertigung 

Airbus, das ein Werk in Mobile im US-Bundesstaat Alabama unterhält, konnte einen Teil der Zollbeschränkungen vermeiden, indem es den US-Kunden eine in den USA hergestellte - und damit zollfreie - Version seines meistverkauften Schmalrumpfflugzeugs, des A320, zur Verfügung stellte, die mit der 737 Max konkurriert. Das Unternehmen kann nun Lieferungen an US-Kunden mit zollfreien Flugzeugen aus europäischer Produktion ergänzen.

Beide Flugzeugbauer suchen unterdessen nach Wegen, um von der wiederauflebenden Nachfrage nach Verkehrsflugzeugen in einigen Märkten zu profitieren. Der Inlandsreiseverkehr, insbesondere in den USA, beginnt wieder stark zu wachsen. Die Verkäufe der 737 Max und der A320 - kleinere, flexiblere und treibstoffeffizientere Jets, die sich für kürzere Inlandsflüge eignen - könnten davon am meisten profitieren.


   Pandemielücke noch nicht geschlossen 

Derweil rangieren die Bestellungen und Auslieferungen immer noch deutlich unter dem Niveau vor der Pandemie, erholen sich aber. Airbus lieferte bis Ende Mai 220 Jets aus, Boeing dagegen nur 111. Das US-Unternehmen wurde von Qualitätsproblemen geplagt, die seine Fähigkeit zur Auslieferung der Max und des 787 Dreamliner einschränkten. Boeing hat Airbus in diesem Jahr dagegen mit 380 gegenüber 94 Aufträgen überflügelt, was vor allem auf einige große Verträge mit US-Fluggesellschaften wie Southwest Airlines und Alaska Air zurückzuführen ist.

Der Auftragsbestand von Airbus liegt nun bei 6.979 gegenüber 4.983 von Boeing. Laut Steven Udvar-Házy, Chef von Air Lease, liegt der Marktanteil von Airbus bei den Schmalrumpfflugzeugen jetzt bei über 60 Prozent im Vergleich zu einer ungefähr gleichmäßigen Aufteilung vor der Max-Krise.

Für Airbus bietet das verlängerte Einfrieren der Zölle die Möglichkeit, die Verkaufsanstrengungen in den USA zu verdoppeln, wo die Nachfrage nach Flugzeugen bisher die meisten anderen Märkte übertrifft. Ein wichtiger Auftrag winkt bereits für beide Flugzeughersteller. United Airlines erwägt eine Bestellung von rund 200 Maschinen. Boeing und Airbus bewerben sich beide um den Auftrag, der zwischen den beiden Herstellern aufgeteilt werden könnte.


   Sorge wegen China 

In Europa hat Ryanair Ende vergangenen Jahres einen neuen Auftrag über 75 Boeing 737 Max-Jets erteilt. Zuvor hatte das Unternehmen Boeing mitgeteilt, dass der Hersteller den Strafzoll allein tragen müsse. Ryanair-Chef Michael O'Leary hat inzwischen signalisiert, dass er einem Folgeauftrag über mindestens weitere 100 Boeing-Flugzeuge zustimmen könnte.

Airbus wie auch Boeing sind auch besorgt über die wachsende Bedrohung durch Chinas Schmalrumpfflugzeuge, die bereits Ende dieses Jahres in Betrieb gehen könnten. Es wird Jahre dauern, bis dieses Flugzeug außerhalb Chinas ein ernstzunehmender Konkurrent wird. Aber wenn es innerhalb des Landes - dem größten Luftfahrtmarkt der Welt - ein Erfolg wird, könnte es den Appetit der chinesischen Fluggesellschaften auf im Ausland gebaute Jets stark reduzieren.

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June 17, 2021 07:46 ET (11:46 GMT)