Die Bundesregierung hält weitere Hilfen für die extrem von der Corona-Krise betroffene Flugverkehrsbranche derzeit nicht für nötig.

Die bislang verabschiedeten Maßnahmen - ein ausgeweitetes Kurzarbeitergeld, Liquiditätshilfen und Steuerstundungen - reichten zunächst aus, sagte der Luftfahrtkoordinator der Regierung, Thomas Jarzombek, am Montag. Später werde entschieden, ob es weitere Hilfen geben müsse. "Die Verstaatlichung von Unternehmen ist definitiv nicht das Ziel", sagte er zur einer möglichen Beteiligung an der Lufthansa. Ein Sprecher der Lufthansa erklärte, die Airline begrüße das Krisenmanagement der Bundesregierung. Die Flugbegleitergewerkschaft UFO kritisierte hingegen, Kurzarbeitergeld und Kredite reichten bei weitem nicht aus, um die Branche durch die schwere Krise zu bringen.

Wie andere große Fluglinien dünnte die Lufthansa wegen der Einreisestopps von immer mehr Ländern in der Corona-Krise den Flugplan erneut massiv aus. Ab Dienstag werden 90 Prozent der Langstreckenflüge und 80 Prozent der Kurzstreckenflüge in Europa bis 12. April ausfallen. Airline-Aktien setzten an den Börsen ihren Sinkflug fort.

Fluggesellschaften in aller Welt fürchten um ihre Existenz und rufen nach Staatshilfe, weil wegen verschärfter Reisebeschränkungen und aus Furcht vor dem Coronavirus kaum noch Menschen fliegen. Die US-Lobbygruppe Airlines for America bezifferte den Finanzbedarf der Branche allein im Passagierbereich auf 25 Milliarden Dollar in Beihilfen und weitere 25 Milliarden an Krediten; für die Frachtflieger seien weitere acht Milliarden an Zuschüssen und Krediten nötig. Den großen Passagier-Airlines könne bis zum Ende des Jahres das Geld ausgehen, warnte der Verband. Die drei großen Luftfahrt-Allianzen Star Alliance, Skyteam und Oneworld forderten Regierungen und Geschäftpartner weltweit zur Unterstützung auf. Alle möglichen Maßnahmen müssten geprüft werden, erklärten die Gruppen, die zusammen 60 Prozent der Fluglinien weltweit repräsentieren. Neben dem Aussetzen der Regeln für Start- und Landerechte sollten Flughafenbetreiber ihre Gebühren reduzieren.

BADEN-WÜRTTEMBERG STELLT PASSAGIERFLÜGE EIN

Das Bundesverkehrsministerium will jetzt Flüge aus Risikogebieten wie Iran und China unterbinden. Den Flughäfen und zuständigen Gesundheitsämter würde nahegelegt, Landeverbote auszusprechen, sagte eine Ministeriumssprecherin. Baden-Württemberg kündigte als erstes Bundesland an, in den nächsten Tagen den Personen-Flugverkehr an den Airports des Landes einzustellen. Für Frachtflüge werde eine Ausnahme geprüft. Passagiere, die jetzt noch im Ausland sind, sollen noch nach Hause zurückfliegen können. Die hessische Landesregierung erklärte, der größte deutsche Flughafen Frankfurt müsse offen bleiben, und setzte das dort geltende Nachtflugverbot aus. "Der Luftverkehr darf nicht zum vollkommenen Erliegen kommen", warnte Luftfahrtkoordinator Jarzombek. Die Branche sei systemrelevant, vor allem auch wegen der Frachtflüge. Diese müssten aufrechterhalten wegen - auch im Sinne der Versorgungssicherheit, erklärte der Branchenverband BDL nach dem Krisentreffen.

Der deutsche Ferienflieger Condor, der wegen Insolvenz bereits einen Kredit der öffentlichen Hand von 380 Millionen Euro zurückzahlen muss, prüft einen Antrag auf weitere Staatshilfe und plant Kurzarbeit. Viele Fluggesellschaft kürzen den Flugplan drastisch und lassen die meisten Maschinen am Boden. So stellt die österreichische Lufthansa-Tochter Austrian Airlines den Betrieb ab Donnerstag bis 28. März vollständig ein. Die zur irischen Billigfluglinie Ryanair gehörende Lauda bleibt ab sofort bis zum 8. April am Boden. Ryanair annullierte bis zu 80 Prozent seines Angebotes im April und Mai. Ein Großteil der Flotte werde aus dem Betriebe genommen. Ein komplettes Stilllegen sei nicht auszuschließen.

EASYJET UND TUI RUFEN NACH HILFE

"Die europäische Luftfahrt steht vor einer gefährlichen Zukunft, und es ist klar, dass eine koordinierte staatliche Unterstützung nötig sein wird, um das Überleben der Branche zu sichern und ihre Tätigkeit auch nach der Krise fortzusetzen", sagte Easyjet-Chef Johan Lundgren. British-Airways-Eigentümer IAG fährt im April und Mai die Kapazitäten um mindestens 75 Prozent herunter. Konzernchef Willie Walsh verschiebt seinen Abgang und erklärte, IAG brauch keine Staatshilfe. IAG und Easyjet zogen ihre Prognosen für das laufende Geschäftsjahr wegen der Unsicherheit zurück.

Auch die französisch-niederländische Fluggesellschaft Air France KLM fährt ihre Kapazitäten schrittweise um bis zu 90 Prozent zurück. Die beteiligten Staaten Frankreich und Niederlande wollen die Airlines unterstützen. Italien wird nach einem Gesetzentwurf die angeschlagene Alitalia übernehmen. Zugleich schießt der Staat der bereits vor der Viruskrise arg gebeutelten Fluggesellschaft zusätzlich 600 Millionen Euro zu.

Anleger quittierten die trüben Aussichten für die Airlines mit Ausverkäufen. Die Aktien von Lufthansa, Air France KLM, und der British Airways-Mutter IAG sowie den Billig-Fliegern Ryanair und EasyJet fielen um bis zu 30 Prozent. Der weltgrößte Touristikkonzern TUI, der mit Tuifly auch eine eigene Airline betreibt, stoppt wegen des Coronavirus den größten Teil seines Geschäfts und beantragt zur Überbrückung Staatshilfe. Die in London notierten Titel von TUI stürzten um 40 Prozent auf ein Fünf-Jahres-Tief. TUI Deutschland und viele andere Reiseveranstalter sagten Reisen bis 27. März ab. "Im Moment befinden wir uns alle in einer nie dagewesenen Ausnahmesituation", erklärt Deutschland-Chef Marek Andryszak.

Der Deutsche Reiseverband (DRV) forderte, die Politik müsse einen Schutzschirm aufspannen. Der Staat solle die Provisionen für Reisebüros und Stornokosten für die Veranstalter in Form einer Beihilfe übernehmen. Zumindest müsse die Stornoregel, nach der Reisepreise sofort zurückzuzahlen sind, ausgesetzt oder durch Gutscheine ersetzt werden. Von den Fluggast-Verbraucherschützern erklärte der Verband APRA, auf das Durchsetzen von Entschädigungsforderungen der Passagiere zu verzichten. Bei allem Schutzbedarf der Fluggäste müsse man "vernünftig" sein.