Wenn der noch keine zwei Monate amtierende neue Vorstandschef der Deutschen Bank am Donnerstag vor die Aktionäre tritt, dann muss jedes Wort sitzen und die leidgeprüften Anteilseigner überzeugen. Die groben Linien seiner Strategie - Konzentration auf Deutschland und Europa, weniger riskantes Investmentbanking, mehr klassisches Privat- und Firmenkundengeschäft - hat der Manager schon vor einem Monat benannt. Nun wollen alle genauer wissen, wohin die Reise ihrer einst so stolzen Bank nach drei Verlustjahren in Folge gehen soll.

Bleibt Sewing zu viele Antworten schuldig, könnte es mit den Vorschusslorbeeren, die der 48-Jährige in den zurückliegenden Wochen bekommen hat, schnell vorbei sein. Für Klaus Nieding, der wie immer im Frühjahr für die Aktionärsvereinigung DSW von Hauptversammlung zu Hauptversammlung zieht und die Interessen der Kleinaktionäre vertritt, ist Sewing der richtige Mann nach dem glücklosen, weil oft zu zögerlichen Briten John Cryan: "Aber die Suche nach externen Kandidaten hat ihn (Sewing) schon von Beginn an geschwächt", kritisiert Nieding. Womit wir bei der zweiten Hauptperson des Schauspiels in der Frankfurter Festhalle wären: Paul Achleitner.

KEINE AKTIONÄRSREVOLTE

Für den seit 2012 amtierenden Ex-Vorstand der Allianz und ehemaligen Investmentbanker in Diensten von Goldman Sachs wird die Hauptversammlung - wieder einmal - zum Tanz auf dem Vulkan. Viele Aktionäre werfen Achleitner vor, er habe den Wechsel an der Spitze schlecht orchestriert, mit Sewing nur den am einfachsten verfügbaren - weil internen - Kandidaten ausgewählt und in den vergangenen Jahren überhaupt wenig Geschick bei der Auswahl des Spitzenpersonals bewiesen. Dass es auf der Hauptversammlung zu einem abermaligen Scherbengericht kommen wird, scheint klar. Zu einer Aktionärsrevolte, die Achleitner vier Jahre vor Ende seiner zweiten Amtszeit zum Rückzug zwingt, dürfte das allerdings nicht reichen.

Denn die Großaktionäre - das Emirat Katar, der chinesische Mischkonzern HNA und die Fondsgesellschaft Blackrock - wollen nach dem hastigen Chefwechsel im April unbedingt Ruhe. Und der einflussreiche Aktionärsberater ISS, nach dessen Empfehlungen sich viele große Investoren richten, stärkte dem angeschlagenen Achleitner erst vor ein paar Tagen sogar den Rücken. So kurz nach dem Wechsel des Vorstandschefs wäre eine Wachablösung an der Spitze des Aufsichtsrats gefährlich für die Stabilität des Geldhauses, argumentiert ISS. Einen Freibrief bekommt Achleitner allerdings nicht: Sollten die Aktionäre der Meinung sein, dass der 61-Jährige nicht mehr der richtige Mann sei, um das Kontrollgremium zu führen, müssten sie eine konkrete Alternative benennen, erklärte der Stimmrechtsberater.

FRAGEN ÜBER FRAGEN

Doch eine Alternative ist nicht in Sicht, weder im Aufsichtsrat selbst noch außerhalb. So scheint Achleitner trotz aller Kritik einigermaßen fest im Sattel zu sitzen. Doch die Liste der Fragen und Probleme, mit denen sich der Chefkontrolleur und Sewing auseinandersetzen müssen, ist lang: An welchen Stellen und in welchem Umfang wird die Investmentbank weiter zurückgeschnitten? Wo sollen stattdessen die Erträge herkommen? Wie viele der derzeit 98.000 Mitarbeiter des Konzerns fallen den Kürzungen zum Opfer? Passt die Struktur der Bank oder wäre nicht vielleicht eine schlanke Holding mit darunter aufgehängten Geschäftsbereichen leichter zu steuern? Hinzu kommen die Dauerthemen: Milliarden-Boni bei gleichzeitiger Mini-Dividende, eine veraltete IT, anhaltend hohe Kosten. Damit nicht genug: Bis Ende Mai will die mächtige Ratingagentur Standard & Poor's (S&P) entscheiden, ob sie ihre Bewertung der Bank senkt.

Bleibt noch das wahrscheinlich größte Ärgernis für die Anleger neben den elf Cent Dividende: der Aktienkurs. Elf Euro ist das Papier an der Börse gerade noch wert, der Sicherheitsabstand zum Allzeittief bei unter zehn Euro im Herbst 2016 schmolz zuletzt wieder. Glaubt man den Analysten der britischen Großbank Barclays ist das noch lange nicht das Ende der Fahnenstange. Auf gerade einmal acht Euro taxierten sie ihr Kursziel unlängst und brachten die Aktie damit gehörig unter Druck. Ihre Begründung: absehbare weitere Marktanteilsverluste durch den Umbau der Investmentbank und eben die enormen Kosten. Die mögliche Lösung: "Ab einem gewissen Punkt, denken wir, könnte es Sinn machen, über radikalere Schnitte nachzudenken."