LUXEMBURG (dpa-AFX) - Der Gewerbeimmobilien-Spezialist Aroundtown bekommt die Probleme der Tourismus-Branche durch die Coronavirus-Krise vor allem bei seinen Hotels zu spüren. Kaum von der Pandemie betroffen sind hingegen die Büro-, Großhandels- und Logistik-Immobilien des Luxemburger Unternehmens. Für das Gesamtjahr wagte der MDax-Konzern, der erst jüngst den kleineren Konkurrenten TLG übernommen hatte, erstmals eine Gewinnprognose. Was bei dem Unternehmen los ist, was Analysten sagen und was die Aktie macht.

DIE LAGE BEI AROUNDTOWN:

Während Wohnimmobilienkonzerne wie Vonovia und Deutsche Wohnen die Auswirkungen der Corona-Pandemie kaum zu spüren bekommen, trifft die Krise den Gewerbeimmobilien-Spezialisten Aroundtown vor allem bei seinen Hotels. Urlauber und Geschäftsreisende bleiben auch nach dem zwischenzeitlichen Lockdown größtenteils aus. Im Juli nahmen die Hotels gerade einmal ein Drittel dessen ein, was in Normalzeiten erreichbar wäre. Das Hotel-Geschäft macht bei Aroundtown knapp ein Viertel des Portfolios aus.

Rund 70 Millionen Euro an Hotelmieten habe Aroundtown im ersten Halbjahr gestundet, sagte Vorstand Oschrie Massatschi der Finanz-Nachrichtenagentur dpa-AFX. Das Unternehmen habe mit 35 Millionen Euro die Hälfte dieser aufgeschobenen Mietzahlungen zurückgestellt. Die Lage im Hotelbereich dürfte sich aber in der zweiten Jahreshälfte wieder bessern, sofern die Zahl der an Covid-19-Erkrankten nicht wieder deutlich steige und es keinen zweiten flächendeckenden Lockdown gebe. Mittlerweile hätten wieder rund 95 Prozent der Hotels geöffnet, sagte der Manager.

Kaum Belastungen durch die Pandemie spürt der Konzern bislang im Geschäft mit Büro-, Großhandels- und Logistik-Immobilien. In Städten wie Berlin und München, wo sich die Büroimmobilien von Aroundtown befinden, habe es schon vor der Corona-Pandemie einen geringen Leerstand bei Büros gegeben, sagte Massatschi. Die Nachfrage nach Büroflächen sei derzeit konstant.

Im ersten Halbjahr hatte Aroundtown von der Übernahme seines kleineren Konkurrenten TLG profitiert. In den ersten sechs Monaten legte der operative Gewinn (FFO 1) im Jahresvergleich um 30 Prozent auf 312 Millionen Euro zu. Die Nettomieten kletterten um 40 Prozent auf 502 Millionen Euro. Das Unternehmen TLG, an dem Aroundtown rund 78 Prozent hält, fließt seit Mitte Februar voll in die Bilanz des Luxemburger Gewerbeimmobilien-Spezialisten ein.

Für das laufende Jahr peilt Aroundtown einen operativen Gewinn von 460 bis 485 Millionen Euro an. 2019 hatte der Konzern ohne TLG einen FFO 1 von 446 Millionen Euro erzielt. In den Zahlen sind jeweils die Gewinnanteile von sogenannten Perpetual-Papieren mit eingerechnet. Die Inhaber dieser Papiere mit ewiger Laufzeit, die zu 100 Prozent als Eigenkapital klassifiziert sind, erhalten Zinsen und sind am Unternehmensgewinn beteiligt.

Um den Aktienkurs wieder auf Vordermann zu bringen, will Aroundtown bis Ende 2020 eigene Anteile für insgesamt bis zu eine Milliarde Euro zurückkaufen. Das Unternehmen hat zwei Aktienrückkaufprogramme angekündigt. Auf eine Dividende für Jahr 2019 sollen Aktionäre angesichts der Corona-Krise aber vorerst verzichten.

Aroundtown wurde 2004 vom israelischen Geschäftsmann Yakir Gabay gegründet und 2015 an die Börse gebracht. Seit März 2018 ist das Unternehmen im MDax gelistet. Mit der Übernahme des kleineren Konkurrenten TLG Immobilien wurden die Luxemburger zum größten Anbieter von Büroimmobilien in Europa. Zudem ist der Konzern mit rund 40 Prozent an Grand City Properties beteiligt. Grand City besaß zuletzt rund 71 000 Wohnungen vor allem in Nordrhein-Westfalen und Berlin.

Das in der Öffentlichkeit bis dato weitgehend unbekannte Unternehmen Aroundtown aus Luxemburg geriet im Sommer 2019 mit dem Engagement als Trikotsponsor des Bundesliga-Aufsteigers Union Berlin in die Schlagzeilen. Das Unternehmen ist zudem wegen seines schwer durchschaubaren Firmengeflechts allerdings sehr umstritten. So gehört in der Regel jede Immobilien einer eigenen GmbH und diese wiederum einer Gesellschaft auf Zypern.

Größter Aktionär bleibt auch nach der Übernahmen von TLG Aroundtown-Gründer Gabay mit einem Anteil von rund 10 Prozent. Noch im Februar hielt Gabay einen Aufstieg des fusionierten Unternehmens in die erste Börsenliga für möglich. "Es ist nach unseren Berechnungen realistisch, dass Aroundtown nächstes Jahr in den Dax aufsteigt", hatte er in einem Interview mit dem "Manager Magazin" gesagt. Allerdings war das noch vor dem Corona-Crash an der Frankfurter Börse. Seitdem verlor die Aroundtown-Aktie deutlich an Wert.

Mit einem Börsenwert von nur noch etwas mehr als sieben Milliarden Euro liegt Aroundtown derzeit gerade noch im oberen Drittel des MDax. Für einen Dax-Aufstieg ist neben dem Handelsvolumen auf der Xetra-Plattform der Deutschen Börse auch der Börsenwert des Streubesitzes maßgeblich. Der Israeli Gabay hat wie auch sein Landsmann Amir Dayan, der größter TLG-Aktionär war, mit Investments in unterbewertete deutsche Immobilien nach der Finanzkrise Milliarden verdient.

DAS MACHT DIE AKTIE:

Im Januar und Februar war die Aroundtown-Aktie von einem Rekordhoch zum nächsten geeilt. Am 19. Februar erreichte sie bei 8,88 Euro den höchsten Stand ihrer erst gut fünfjährigen Börsengeschichte. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Kurs seit Jahresbeginn um mehr als elf Prozent zugelegt.

Mitte März stürzte der Aktienkurs im Corona-Crash unter die Marke von drei Euro. Seit seinem Tief von 2,882 Euro konnte sich zwar das Papier wieder um mehr als 60 Prozent auf rund 4,80 Euro erholen. Dennoch ist der Kurs noch weit vom Niveau aus der Zeit vor der Krise entfernt. Seit Jahresbeginn hat die Aktie rund 40 Prozent an Wert verloren.

Damit ist das Papier in diesem Jahr einer der größten Verlierer im MDax.Auch Anleger, bei denen Aktie schon länger im Depot liegt, haben wenig Grund zur Freude. In den vergangenen drei Jahren büßte die Aktie rund 15 Prozent ihres Wertes ein.

Damit ist die Aktie im Kosmos der Immobilien-Aktien eine Ausnahme. Anlagen in andere Immobilientitel wie Deutsche Wohnen, LEG Immobilien, Tag oder Vonovia waren zuletzt meist sehr lukrativ. Diese sind allerdings größtenteils im Wohnungsmarkt aktiv - Aroundtown schnitt aber auch schlechter ab als der Konkurrent Alstria Office, dessen Kurs in diesem Zeitraum zumindest stabil geblieben ist.

DAS SAGEN ANALYSTEN:

Aufgrund des niedrigen Aktienkurses empfehlen sechs der seit August im dpa-AFX-Analyser erfassten Experten, die Aktien von Aroundtown zu kaufen. Vier Analysten raten zum Halten der Papiere und zwei zum Verkauf. Das Kursziel variiert dabei von 4,60 bis 8,00 Euro.

Der Halbjahresbericht des Immobilienunternehmens bietet Analyst Andre Remke von der Baader Bank zufolge sowohl für Skeptiker als auch für Optimisten etwas. Die Zahlen und der Ausblick seien folglich gemischt ausgefallen. Angesichts der niedrigen Bewertung der Papiere sollten viele Sorgen aber schon im Kurs eingearbeitet sein, schätzt Remke.

Nach Ansicht von Thomas Rothäusler vom Analysehaus Jefferies hat Aroundtown im ersten Halbjahr zwar beim Ergebnis negativ überrascht, und die erstmals gegebene Jahresprognose für den operativen Gewinn bleibe weit hinter den Erwartungen zurück. Der Nettoinventarwert (NAV) sei aber besser ausgefallen als erwartet.

Für Markus Scheufler von der Deutschen Bank hat das erste Halbjahr des Immobilienunternehmens einige positive Überraschungen etwa bei Bewertung und Verkaufspreisen gebracht. Ein Bewertungsabschlag sei wegen der Unsicherheiten im Hotelsegment allerdings gerechtfertigt, schrieb er.

Analyst Jonathan Kownator von der US-Bank Goldman Sachs zeigte sich hingegen von der Halbjahresbilanz und den Jahreszielen enttäuscht. Er empfiehlt die Aktie nicht mehr zum Kauf, sondern nur noch zum Halten. Angesichts der Hotels im Konzernportfolio erwartet Kownator eine durchwachsene Kursentwicklung.

Unterdessen sieht Analyst Paul May von der britischen Bank Barclays die Geschäftsentwicklung von Aroundtown zunehmend mit Risiken behaftet. Eine auf den ersten Blick günstige Unternehmensbewertung reiche nicht aus, auch der hohe Einsatz an Fremdkapital sei zu berücksichtigen, schrieb May. Zudem sieht er den strukturellen Wandel im Markt für Büroimmobilien und Hotels mit Sorge - auch wegen der Corona-Pandemie.

Aus seiner Sicht ist die hohe Verschuldung von Aroundtown in diesen Zeiten ein großes Risiko. Deshalb stufte May die Aktien des Gewerbeimmobilienkonzerns von "Overweight" auf "Underweight" ab und senkte das Kursziel von 6,10 auf 4,60 Euro.

Auch Analyst Bart Gysens von der US-Investmentbank Morgan Stanley rät, die Aroundtown-Aktie zu verkaufen. Er reduzierte erst jüngst das Kursziel für das Papier von 5,50 auf 5,00 Euro. Das mangelnde Wachstum des europäischen Immobiliensektors dürfte nach seiner Ansicht nach die Renditen begrenzen. Das Wohnimmobilien-Segment habe unter anderem mit alten, ungelösten strukturellen Problemen zu kämpfen, während der Gewerbeimmobilien-Bereich vor neuen strukturellen Herausforderungen stehe./mne/fba/stw/zb