Von Laura Forman

NEW YORK (Dow Jones)--Das Rücktrittsschreiben des Twitter-Mitbegründers Jack Dorsey enthielt einige warnende Abschiedsworte. "Gründergeführt" zu sein, so schreibt er, "kann ein Unternehmen stark einschränken und ein einziger Punkt des Scheiterns" sein. Der Ratschlag ist wahrscheinlich auf taube Ohren gestoßen. Wie Dorsey anmerkt: "Es gibt nicht viele Gründer, die ihr Unternehmen über ihr eigenes Ego stellen." Ein skurril anmutendes Zeichen ist, dass er weiterhin Chef des Zahlungsunternehmens Square bleibt, das bald unter dem Namen Block firmiert und das er 2009 mitbegründet hat. Aber Investoren sind nicht durch solch eine Art von Hybris gebunden. Sollten sie vorsichtig sein, wenn sie sich an Unternehmen beteiligen, bei denen ein Gründer offenbar zu lange auf der Party geblieben sein könnte?

In der Technologiebranche gibt es oft eine Prämie für Visionäre, und sie ist zumindest teilweise gerechtfertigt. Bain hat die Leistung börsennotierter Unternehmen über einen Zeitraum von 25 Jahren verfolgt. Dabei stellte die Firma fest, dass Unternehmen langfristig am besten für profitables Wachstum sorgen, wenn sie überproportional oft noch von ihrem Gründer geführt werden, er noch beteiligt ist oder zumindest dessen operativer Schwerpunkt noch vorhanden ist. Auf Grundlage einer 2014 durchgeführten Analyse der S&P-500-Unternehmen stellte Bain fest, dass gründergeführte Unternehmen in den vorangegangenen 15 Jahren eine mehr als dreimal so hohe indexierte Gesamtrendite für Aktionäre erzielten wie andere Unternehmen. Es stellt sich allerdings die Frage, inwieweit die Studie durch den Überlebens-Bias beeinflusst wird - diejenigen, die früh scheiterten, sind nicht in der Stichprobe enthalten.


    Gründer-CEOs meist eher zu mutigen Schritten bereit 

Gründer sind sicherlich mutiger. Eine Studie der Krannert School of Management von der Purdue Universität aus dem Jahr 2016 ergab, dass Gründer-CEOs ihre Unternehmen mit größerer Wahrscheinlichkeit in eine neue technologische Richtung führen. Das belegt, dass Innovationen von Unternehmen, die von Gründer-CEOs geführt werden, einen höheren finanziellen Wert schaffen als die Innovationen von Unternehmen, die von professionellen CEOs geführt werden. Apple, das in den Jahren nach der Entlassung seines Mitbegründers Steve Jobs als Computerunternehmen dahinsiechte, bietet eine Variante dieses Phänomens. Jobs kehrte als Retter zurück. Unter anderem änderte er den Namen des Unternehmens von Apple Computer Inc. in Apple Inc. und signalisierte damit eine Ausweitung des Schwerpunkts auf ein Vermächtnis, zu dem heute iPod, iPhone, Apple TV und vieles mehr gehören.

Nicht jeder zurückkehrende Held hat einen so glatten Weg hinter sich. Rich Barton hat den Online-Immobilienriesen Zillow mitbegründet und bis 2010 geleitet, bevor er die Zügel an einen anderen Mitbegründer übergab. Im Jahr 2019 kehrte er zurück, um das Unternehmen erneut zu leiten, mit der Absicht, das Unternehmen, das in erster Linie ein Anzeigengeschäft für Makler war, zu einem führenden iBuyer umzugestalten. Vielleicht hätte er aufhören sollen, als er noch vorne lag, aber es ist erwähnenswert, dass Zillow heute trotz Hunderten von Millionen Dollar an Abschreibungen fast doppelt so viel wert ist wie Anfang 2019, bevor Barton zurückkam.


   Dorsey fehlten bei Twitter einfach zündende Ideen 

Das größte Manko von Dorsey bei Twitter war das Fehlen solch kühner Innovationen. Aktivistische Investoren, die seinen Abgang schon Jahre vorher forderten, drängten lange auf eine schnellere Produktentwicklung und größere Umsatz- sowie Nutzerziele. Sie bemängelten auch die Tatsache, dass Dorsey seine Zeit als Chef zweier börsennotierter Unternehmen aufteilte. Als er auf einer Aktionärsversammlung zu seiner Zeitaufteilung befragt wurde, antwortete Dorsey, dass es sich nicht um eine Funktion der Zeit, sondern um eine Prioritätensetzung handele. Während seiner zweiten Amtszeit als CEO, die sich über mehr als sechs Jahre erstreckte, verbesserten sich die Aktien von Twitter nur um ein Fünftel des Plus vom S&P 500.

Vielleicht hat er seinem Zahlungsunternehmen den Vorrang gegeben, das heute etwa 20-Mal so viel wert ist wie Ende 2015 beim Börsengang. Es gibt viele aktuelle Beispiele für Technologieunternehmen, die immer noch mit einem Gründer oder Mitgründer an der Spitze glänzen. Man denke nur an Nvidia und Shopify, die seit ihrem Börsendebüt jeweils mehr als 80.000 Prozent und fast 6.000 Prozent an die Aktionäre zurückgegeben haben. Der Schlüssel ist der Aufbau eines Unternehmens mit Langlebigkeit. Unternehmen wachsen über das Fachwissen ihrer Gründer hinaus oder müssen wegen der sich verändernden sozialen und wirtschaftlichen Bedingungen ihren Kurs ändern. Gründer werden müde, langweilen sich und sterben schließlich, wie im Fall von Apples Jobs.


   Dorseys Schicksal erinnert ein wenig an Facebook-Chef Zuckerberg 

Auf dem Weg dorthin können Reputationsrisiken entstehen. Es ist schwierig, den Brief von Dorsey zu lesen, ohne an Mark Zuckerberg zu denken, den einzigen Gründer eines der fünf größten S&P 500-Unternehmen, der noch immer das Sagen hat. Zuckerberg war vor mehr als 17 Jahren Mitbegründer von Facebook - jetzt Meta Platforms. Nunmehr arbeitet er daran, sich unter den Augen der Aufsichtsbehörden von einem Social-Media-Unternehmen zu einem Metaverse-Unternehmen zu wandeln - das gleiche Gesicht, aber ein neuer Name.

Aus all diesen Gründen suchen sich Führungspersönlichkeiten mit langfristigen Perspektiven oft einen potenziellen Nachfolger oder laden zumindest andere ein, sich ihnen an der Spitze anzuschließen. Andy Jassy trat Anfang dieses Jahres die Nachfolge von Jeff Bezos bei Amazon an, nachdem er die Cloud-Abteilung Amazon Web Services geleitet hatte. Vergangenes Jahr wurde Ted Sarandos, Chief Content Officer bei Netflix, zum Co-CEO neben Gründer Reed Hastings befördert. Und erst vergangene Woche ernannte Salesforce seinen Präsidenten und Chief Operating Officer, Bret Taylor, zum Co-CEO an der Seite von Gründer Marc Benioff. Aber es ist nicht unbedingt wahr, dass ein Unternehmen nur deshalb lahmt, da ein Gründer weiterhin stark involviert ist. Die Geschichte zeigt, dass das Schicksal von Fall zu Fall verschieden ist und manche Unternehmen einfach Gefahr laufen, durch ihren Gründer eingeschränkt zu werden.

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December 06, 2021 09:17 ET (14:17 GMT)