BERLIN (dpa-AFX) - Vor dem Besuch des französischen Präsidenten Emmanuel Macron in Berlin hat Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) der raschen Einführung einer EU-Digitalsteuer eine Absage erteilt. Er wolle zunächst bis Mitte 2020 im Rahmen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) Regeln zur Mindestbesteuerung und zur Besteuerung der digitalen Unternehmen vereinbaren, sagte Scholz der Deutschen Presse-Agentur in Berlin.

"Sollte das wider Erwarten in den nächsten anderthalb Jahren nicht klappen, muss die EU allein handeln und zum Januar 2021 in jedem Falle entsprechende Regeln in der EU etablieren", fügte er an. Die französische Regierung wirft der Bundesregierung in der Frage ein Ausbremsen vor. Auch die Grünen, die Linke und die SPD-Linke pochen vehement auf eine Digitalsteuer, da viele Bürger das Abschöpfen der Gewinne dank ihrer Daten für höchst ungerecht halten.

Macron ist anlässlich des Volkstrauertages und der gemeinsamen Gedenkens an das Ende des Ersten Weltkriegs vor 100 Jahren am Sonntag in Berlin. Bei einem Treffen mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) am Nachmittag dürfte es auch um die nächsten EU-Reformprojekte gehen.

Die OECD hat 36 Mitgliedstaaten, darunter die USA. Eine von Scholz anvisierte Einigung auf der Ebene ist bisher unwahrscheinlich, da die Digitalsteuer vor allem US-Internetriesen wie Amazon, Google und Apple treffen würde.

Die EU-Kommission hat vorgeschlagen, für Firmen mit einem weltweiten Jahresumsatz von mindestens 750 Millionen Euro sowie einem Online-Umsatz von 50 Millionen Euro in Europa drei Prozent Umsatzsteuer zu verhängen. Digitalkonzerne verbuchen in Europa riesige Umsätze und Gewinne, zahlen aber kaum Steuern, da sie in den meisten Ländern keine versteuerbaren Firmensitze haben. Scholz fürchtet im Fall einer Einführung einer Digitalsteuer aber Vergeltungsmaßnahmen der US-Regierung von Präsident Donald Trump, etwa gegen deutsche Autokonzerne in den USA.

In einem anderen wichtigen Punkt hatten Scholz und Frankreichs Finanzminister Bruno Le Maire am Freitag eine Einigung erzielt. Geschaffen werden soll ein gemeinsamer Haushalt der Euro-Zone in den bestehenden EU-Haushaltsstrukturen, um ökonomische Unterschiede durch Investitionen zu mindern und um die Haushaltsführung der Euro-Staaten besser abzustimmen.

Er hoffe, dass dieses Projekt am Montag bei der nächsten EU-Finanzministersitzung auf breite Zustimmung stoßen werde, sagte Scholz der dpa. "Das Budget ist Teil des EU-Haushalts, wird aber ausschließlich für die Länder verfügbar sein, die auch den Euro als Währung haben", erläuterte der Vizekanzler. "Mit dem Geld wollen wir den Zusammenhalt und die Wettbewerbsfähigkeit der Euro-Länder erhöhen und die Stabilität der Eurozone sicherstellen."

Das Budget soll ab 2021 kommen. Die Höhe muss noch ausgehandelt werden. Le Maire hatte einen Betrag von 20 bis 25 Milliarden Euro als "guten Ausgangspunkt" bezeichnet - das wären um die 0,2 Prozent des gemeinsamen Bruttoinlandsprodukts der 19 Euro-Länder. Ursprünglich hatte Macron einen Haushalt von "mehreren BIP-Punkten" gefordert, was mehrere Hundert Milliarden Euro wären. Deutschland zahlt bisher rund 30 Milliarden Euro in den EU-Haushalt ein, durch den EU-Austritt Großbritanniens könnten es noch einmal 10 Milliarden mehr werden.

Kritik an dem Projekt kam von der FDP. "Ein reines Eurozonen-Budget ist der falsche Weg, da es keine Anreize für die dringend notwendigen Strukturreformen setzt", sagte Fraktionsvize Christian Dürr./ir/mbr/DP/he