Von Stephen Wilmot

VELDHOVEN (Dow Jones)--Das ist eine gute Nachricht für alle, die zum Beispiel auf ihr neues Auto warten: Die Mikrochip-Industrie kommt wohl schneller in Gang als erwartet, um die derzeit noch lähmenden Engpässe zu beseitigen.

Die niederländische ASML, die mit Applied Materials um den Verkauf von Ausrüstungssystemen zur Halbleiterherstellung an Kunden wie Intel und Taiwan Semiconductor Manufacturing (TSMC) konkurriert, hat am Mittwoch ihre Wachstumsprognose für das laufende Jahr mehr als verdoppelt. Zudem will sie die Produktionskapazitäten für das Jahr 2022 ausweiten. Für jedes Unternehmen, das auf Chips angewiesen ist, um seine Produkte auf den Markt zu bringen, ist das eine genauso beruhigende Meldung wie für jeden Verbraucher, der auf diese Produkte wartet.

Die Aktie stieg um 4 Prozent. Die niederländische Holding hat sich zu Europas wertvollstem Technologieunternehmen mit einem Marktwert von 257 Milliarden US-Dollar entwickelt. Applied Materials kommt hingegen nur auf 118 Milliarden Dollar, obwohl das US-Unternehmen einen etwas höheren Umsatz erzielt. Ein Grund dafür ist die nahezu monopolistische Stellung von ASML in der hochmodernen EUV-Lithographie, die mittels extrem ultravioletter Strahlung die Herstellung von Chips revolutioniert. Der neue CEO von Intel, Pat Gelsinger, gestand letzten Monat ein, sein Unternehmen habe einen Fehler gemacht, weil es nicht früher auf EUV gesetzt habe.


   Wachstumstreiber Chipmangel 

In diesem Jahr soll der EUV-Umsatz von ASML um 30 Prozent steigen, daran hat sich nicht geändert. Neu ist hingegen, dass das Unternehmen daran arbeitet, seine Lieferkette so zu organisieren, dass die Produktion im kommenden Jahr das bislang geplante Volumen übertreffen wird. ASML kündigte auch an, die Kapazität in der DUV-Lithographie zu steigern, bei der der Lichtstrahl noch mittels klassischer Linsen gebündelt wird. Angesichts der Tatsache, dass der akute Mangel an Chips sowohl das High-End- als auch das Standardsegment betrifft, wären solche konkreten Schritte nur zu begrüßen.

Das DUV-Geschäft von ASML wird in diesem Jahr gut laufen, auch wenn es sich dabei "nur" auf die bereits vorhandenen Kapazitäten stützt. TSMC, Intel und Samsung haben große Investitionen angekündigt, die zur angepeilten Steigerung des Konzernumsatzes von 30 Prozent bei ASML beitragen werden, wobei auf DUV-Maschinen der größte Anteil entfällt.

Die mittlerweile überholten Prognosen implizierten noch ein Wachstum von rund 12 Prozent. Die Ergebnisse von ASML im ersten Quartal profitierten jedoch von spontanen Reaktionen auf den Mangel an Chips, da Chiphersteller Software-Upgrades kauften, um die Leistung ihrer bereits vorhandenen Maschinen zu steigern.

Bei einer Bewertung des Unternehmens mit dem 47-fachen des erwarteten Gewinns ist die Aktie von ASML teuer, sowohl im Vergleich zu Mitbewerbern als auch mit Blick auf ihren eigenen Rekord.

Eine Frage, die über dieser Bewertung hängt, ist geopolitischer Natur. CEO Peter Wennink sieht in ASML einen potenziellen Nutznießer der "Kapitalineffizienz", die sich aus dem Streben der USA nach einer größeren Autonomie bei der Chipherstellung ergeben könnte. Im ersten Quartal 2021 stand China für 15 Prozent des Umsatzes von ASML. Dieses Geschäft bleibt jedoch anfällig für US-amerikanische Maßnahmen, die darauf abzielen, Chinas Zugang zu modernster Chiptechnologie einzuschränken.

Stockpicker mögen sich vielleicht von der hohen Bewertung abschrecken lassen. Andererseits ist der Preis der Aktie auch ein Ausdruck des Vertrauens in die Fähigkeit von ASML, zur Behebung des großen Chipmangels beizutragen.

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(END) Dow Jones Newswires

April 22, 2021 03:53 ET (07:53 GMT)