Von Dan Gallagher

NEW YORK (Dow Jones)--Alles hat seinen Preis. Für die US-Halbleiterindustrie könnten bestimmte Kosten anfallen, bevor sie jemals in der Lage ist, von ihrer wachsenden politischen Sichtbarkeit zu profitieren.

Die Chiphersteller warten ungeduldig auf die Verabschiedung eines Gesetzes, das die Halbleiterproduktion in den USA mit rund 52 Milliarden US-Dollar unterstützen würde. Diese Maßnahme wurde nach dem Schock des Engpasses in der Chip-Produktion konzipiert, der Ende 2020 begann. Der Schock erschütterte die Industrie weltweit und erwies sich als besonders schmerzhaft für Gruppen wie die Automobilhersteller. Die Unfähigkeit, ein 40.000-Dollar-Fahrzeug auszuliefern, da ein 1-Dollar-Mikrocontroller-Chip fehlte, weckte bei den Gesetzgebern, die sich damals auf die Bekämpfung der Auswirkungen der Pandemie konzentrierten, ein starkes Gefühl der Dringlichkeit.


Gesetz kommt so schnell nicht 

Doch seitdem hat sich viel geändert. Der Krieg in der Ukraine, die steigende Inflation und ein möglicher wirtschaftlicher Abschwung haben einen Großteil der Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Derweil haben die jüngsten Urteile des Obersten Gerichtshofs, die Anhörungen zu den Unruhen im Kapitol am 6. Januar und die anstehenden Zwischenwahlen die verbleibenden Themen aufgesaugt und die Polarisierung verstärkt.

Immer mehr Experten halten eine endgültige Verabschiedung der Maßnahme für unwahrscheinlich - vor allem, wenn sie den Kongress nicht bis zum Beginn der Augustpause passiert. Analyst Paul Gallant von Cowen sagt, es gebe ein "nicht-triviales Risiko" für die Chip-Gesetzesvorlage. Er fügt hinzu, dass "die Republikaner stark darüber nachdenken, ob sie Biden hier einen Sieg schenken und vielleicht den Demokraten helfen wollen, den Senat im Herbst zu halten". Die Zweifel an der Maßnahme haben dazu beigetragen, dass sich die Anleger zunehmend Sorgen um den Halbleitersektor machen. Der PHLX-Semiconductor-Index ist allein im vergangenen Monat um 19 Prozent abgestürzt - dreimal so stark wie der Nasdaq Composite in diesem Zeitraum.


Chip-Herstellern laufen die Kosten davon 

Der Verlust von 52 Milliarden Dollar Finanzmitteln, die über fünf Jahre verteilt werden sollen, wäre für die US-Chiphersteller zwar nicht verheerend. Aber in einem Sektor, der mit steigenden Kapitalkosten konfrontiert ist, hilft jedes bisschen. Nach Angaben von Semi werden die weltweiten Ausgaben für Chipfertigungsanlagen im Jahr 2021 einen Rekordwert von 91 Milliarden Dollar erreichen - ein Anstieg um 42 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Der Branchenverband prognostiziert außerdem, dass die Ausgaben für Anlagen in diesem Jahr erstmals die 100-Milliarden-Dollar-Marke knacken. Dabei handelt es sich nicht um eine kurzfristige Eintagsfliege. Nach Daten von Techinsights sind die Ausgaben für Wafer-Fab-Ausrüstung von 2017 bis 2021 im Durchschnitt um 21 Prozent pro Jahr gestiegen, verglichen mit 1 Prozent pro Jahr im Durchschnitt des vorangegangenen Fünfjahreszeitraums.

Der Wegfall der Subventionen könnte aber auch eine künstliche Schrumpfung des potenziellen Marktes mit sich bringen. Berichten zufolge erwägen die Regulierungsbehörden neue Maßnahmen, um die Verfügbarkeit fortschrittlicher Chipherstellungsgeräte in China zu begrenzen. Die Technologiezeitschrift The Information berichtete über einen möglichen Schritt des US-Handelsministerium. Demnach liebäugelten die Beamten damit, das 2020 in Kraft getretene Verbot des Verkaufs fortschrittlicher Chipherstellungsgeräte an den chinesischen Chipgiganten Semiconductor Manufacturing International Corp. (SMIC) auszuweiten.

Und laut Bloomberg betreiben die USA bei der niederländischen Regierung emsig Lobbyarbeit, um den Verkauf älterer Lithografiegeräte von ASML an chinesische Chiphersteller einzuschränken. Der niederländische Chipausrüster darf bereits die fortschrittlicheren EUV-Tools - Extreme Ultraviolet - auf die er sich spezialisiert hat, nicht nach China exportieren. Es gibt noch keine offenen Gespräche über ein noch umfassenderes Verbot, das US-Chipausrüster wie Applied Materials, KLA und Lam Research betreffen könnte. Aber auch ein solcher Schritt ist nicht völlig von der Hand zu weisen - vor allem, wenn die USA den Anschein von Heuchelei vermeiden wollen. Diese drei Aktien sind im vergangenen Monat um durchschnittlich 23 Prozent auf Tauchkurs gegangen. Die Politik bezahlt zwar nicht die Rechnungen, aber sie kann sie auf jeden Fall verschlimmern.

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July 07, 2022 10:08 ET (14:08 GMT)