FRANKFURT/NEW YORK (dpa-AFX) - Die Sorge vor einem teilweisen Wegbrechen von Erlösen mit Coronavirus-Impfstoffen hat am Donnerstag bei Biontech und Curevac die Welle an Gewinnmitnahmen hoch gehalten. Vor wenigen Tagen noch waren beide Aktien ein Liebling der Anleger, spätestens seit Dienstag geht es aber im freien Fall bergab. Nun trug die Meldung dazu bei, dass die US-Regierung zur weltweiten Eindämmung der Pandemie eine Initiative zur Aussetzung von Patenten unterstützt.

Am Vorabend waren die beiden hauptsächlich in New York gehandelten Papiere in der Schlussstunde schon an der Nasdaq-Börse und im deutschen Tradegate-Handel mächtig abgerutscht. Im Xetra-Handel der Deutschen Börse vollzogen Biontech und Curevac dies nun nach, am Donnerstag brachen sie dort zeitweise um etwa 18 Prozent ein, zuletzt noch um jeweils etwa 15 Prozent.

Vor wenigen Tagen war noch alles rosig für die Investoren der beiden deutschen Konzerne: Die Biontech-Anleger konnten zwischen Ende März und Anfang Mai ihren Aktienwert fast verdoppeln, bei etwa 185 Euro erreichte der Kurs des Mainzer Unternehmens am Dienstag ein Rekordhoch. Biontech galt vor dem Jahreswechsel als Pionier mit ersten Notfallzulassungen und ist neuerdings auch in einer führenden Position, was die Perspektive für den Einsatz bei Kindern betrifft. Kanada hat das Vakzin am Vortag für 12- bis 15-Jährige zugelassen.

Die Curevac-Aktien folgten der Biontech-Rally bis Ende April, als sie mit etwa 110 Euro ein Hoch seit Dezember erreichten. Damals war gerade die Euphorie für den bald verfügbaren Impfstoff von Biontech und dessen US-Partner Pfizer ausgebrochen. Bei Curevac warten die Anleger derzeit noch auf eine in Kürze erhoffte EU-Zulassung des Impfstoffs. Das Tübinger Unternehmen gilt als große Hoffnung vor allem für die Impfkampagne in Europa. In den USA sind die Impfungen ohnehin schon weit fortgeschritten.

Am Vorabend waren in New York auch die Moderna-Aktien abgerutscht, sie hatten letztlich mit 6,2 Prozent im Minus geschlossen. Die US-Handelsbeauftragte Katherine Tai hatte erklärt, die USA stünden zwar hinter dem Schutz geistigen Eigentums, die Pandemie sei aber eine globale Krise, die außerordentliche Schritte erfordere. Mehr als 100 WTO-Mitgliedsländer wollen die Patente für die Impfstoffe aussetzen, damit diese von mehr Firmen in mehr Staaten hergestellt werden können.

Wie Tai sagte, würden sich die USA im Rahmen der Welthandelsorganisation (WTO) für ein internationales Abkommen einsetzen. Den USA kommt bei den Verhandlungen als weltgrößte Volkswirtschaft eine Schlüsselrolle zu. Zudem hält die US-Regierung über das Forschungsinstitut NIH die Rechte an einer Erfindung, die als Voraussetzung der modernen mRNA-Impfstoffe der Hersteller Moderna und Biontech gilt. Auch Curevac setzt auf diese neuartige mRNA-Technologie.

Allerdings dürfte ein solches Vorhaben nicht einfach werden. Tai selbst warnte, wegen des Konsensprinzips der WTO und der Komplexität der Materie könnte ein Abkommen zeitaufwendig werden. Analyst Matthew Harrison von Morgan Stanley rechnet denn auch in einer Studie zur Moderna-Aktie nicht mit bedeutenden Folgen, wenngleich die Nachrichten für Investoren auf den ersten Blick sicherlich negativ seien.

Harrison glaubt, die WTO verfüge nicht über die notwendigen Mechanismen, um den notwendigen Druck auf Konzerne wie Moderna auszuüben. Außerdem dürfte es sechs bis neun Monate dauern, bis andere Firmen überhaupt dazu in der Lage sind, die Impfstoffe in größeren Mengen zu produzieren. Dies dürfte am Ende die Auswirkungen auf die Patentinhaber begrenzen, ist sich der Experte sicher.

Der Kurseinbruch traf vor allem solche Unternehmen wie die mRNA-Anbieter, deren Kurse im Zuge der Impfkampagne in den vergangenen Monaten mächtig angezogen waren. Auch bei den Aktien des ebenfalls an einem Impfstoff arbeitenden US-Unternehmens Ocugen erlitten Investoren nun einen herben Rückschlag, nach einem schon deutlichen Kursrutsch am Vorabend steuern sie nun in New York vorbörslich nochmals auf einen prozentual zweistelligen Abschlag zu.

Andere Impfstoffwerte wurden am Donnerstag weniger stark beeinflusst. Die Aktien des Biontech-Partners Pfizer konnten sich am Vorabend in New York noch knapp ins Plus retten, vorbörslich sackten sie dort jetzt um 3,5 Prozent ab. Die Papiere von Novavax, einem Unternehmen, das an einem Vakzin ohne mRNA-Technologie arbeitet, betrug das Minus am Vorabend in New York etwa fünf Prozent. Vorbörslich fiel der Kurs nun nochmals in diesem Größenbereich.

Unternehmen wie Johnson & Johnson oder Astrazeneca, die auch auf andere Technologien als mRNA setzen, reagierten dagegen kaum auf die Meldung. Ihre Kurse hatten aber in den vergangenen Monaten auch kaum profitiert, da ihre Vektor-Impfstoffe wegen erhöhter Thromboserisiken umstritten sind. AstraZeneca hatte schon frühzeitig angekündigt, mit seinem Vakzin keinen Gewinn erzielen zu wollen./tih/la/stk