Vilnius/London/Stockholm (Reuters) - Der Druck auf den britisch-schwedischen Pharmakonzern Astrazeneca wegen gekürzter Impfstoff-Lieferungen in die EU nimmt zu.

Mitgliedsstaaten sollten überlegen, wegen Vertragsbruch vor Gericht zu ziehen, wie Lettlands Außenminister Edgars Rinkevics am Dienstag sagte. "Die Möglichkeit sollte erwogen werden und sie sollte unter den EU-Ländern koordiniert werden," erklärte er. Die europapolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Franziska Brantner, hatte zuvor rechtliche Schritte gefordert. Der in Großbritannien zuständige Minister, Nadhim Zahawi, äußerte sich dagegen im Sender Times Radio zuversichtlich, dass sowohl Großbritannien als auch die EU bestellte Impfdosen auch erhalten würden.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen forderte die Hersteller von Covid-Impfstoffen auf, ihren vertraglichen Pflichten nachzukommen. Auf dem digital stattfindenden Davos-Weltwirtschaftsforum Forum wies sie am Dienstag darauf hin, dass Europa Milliarden an Geldern zur Impfstoff-Entwicklung beigesteuert habe. "Und jetzt müssen die Firmen liefern. Sie müssen ihre Verpflichtungen einhalten," sagte sie. Von der Leyen kündigte zudem an, dass Brüssel einen Mechanismus einrichten werde, um Impfstoff-Exporte aus der EU zu überwachen.

Astrazeneca hatte am Freitag überraschend mitgeteilt, es könne wegen Produktionsengpässen die zugesagte Liefermenge für die EU bis Ende März nicht einhalten. Nach Angaben eines hochrangigen EU-Vertreters wird die Zahl der Impfdosen im ersten Quartal mit 31 Millionen Stück rund 60 Prozent niedriger ausfallen als geplant. Die EU hatte sich im August 2020 bis zu 400 Millionen Dosen des Vakzins vertraglich gesichert. Einem EU-Vertreter zufolge kassierte Astrazeneca dafür eine Vorauszahlung von 336 Millionen Euro.

Die EU-Kommission verlangt inzwischen Einblick in die Daten des Konzerns. In EU-Kommissionskreisen hatte es geheißen, die Staatengemeinschaft fordere bis spätestens zum 29. Januar Auskunft vom Unterehmen. Es gebe nicht genügend Klarheit und Erklärungen seitens Astrazenecas, twitterte EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides.

EU-Insider sagten dazu am Dienstag, der Pharmahersteller habe zwar einen schnelleren Lieferstart im Februar angeboten. Es gebe aber keine Klarheit in der Frage, ob Impfstoff aus Großbritannien in die EU umgeleitet werden könne, um mehr Vakzin in der EU verfügbar zu machen. Bei Astrazeneca war zunächst keine Stellungnahme erhältlich. Ein Sprecher der EU-Kommission wollte sich zu den Gesprächen mit dem Konzern nicht äußern. Er sagte aber, die EU verlange einen präzisen Auslieferungsplan.

STREIT ÜBER DOSEN PRO AMPULLE DES PFIZER-VAKZINS IN SCHWEDEN

Auch die Hersteller Pfizer und Biontech hatten Lieferprobleme bei ihrem Covid-Impfstoff eingestanden. Dies hatte ebenfalls für erheblichen Unmut gesorgt. Dabei hatte auch der Vorwurf im Raum gestanden, dass der US-Konzern seine Lieferungen für die EU, nicht aber für die USA, kürzen würde.

Derweil hat sich in Schweden der Streit über die Anzahl von Impfdosen pro Ampulle des Pfizer/Biontech-Vakzins zugespitzt. Nach Informationen der Zeitung "Dagens Nyheter" hat die schwedische Gesundheitsbehörde die Impfstoff-Zahlungen an Pfizer zeitweise eingestellt. Die Behörde verlange eine Klarstellung seitens des Herstellers, wie viel Dosen pro Ampulle gezogen werden können. Die Rechnung des Konzerns laute über sechs Dosen pro Ampulle. Vereinbart gewesen seien aber nur fünf Dosen pro Fläschchen, berichtete das Blatt. Schweden wolle nun erreichen, dass die EU-Kommission und Pfizer eine Vereinbarung darüber erzielen, wie viele Dosen eine Ampulle enthalte.