Der ehemalige Audi-Chef Rupert Stadler muss sich als erster Volkswagen-Manager für den Dieselskandal vor einem deutschen Gericht verantworten.

Am Landgericht München begann am Mittwoch der Prozess gegen Stadler und drei weitere Audi-Manager, die an der Entwicklung der manipulierten Dieselmotoren beteiligt waren. Die Staatsanwaltschaft München II wirft ihnen Betrug, mittelbare Falschbeurkundung und strafbare Werbung in bis zu 434.000 Fällen vor. Bei Stadler geht es darum, dass er als Audi-Chef den Verkauf von Neuwagen in Europa nicht sofort gestoppt hatte, als die US-Umweltbehörde im September 2015 die manipulierte Steuerungssoftware entdeckt hatten.

Stadler und der ehemalige Porsche-Vorstand Wolfgang Hatz, der vorher für die Motoren-Entwicklung bei Audi verantwortlich war, haben die Vorwürfe zurückgewiesen. Beide saßen monatelang in Untersuchungshaft: Stadler gut vier, Hatz sogar neun Monate. Während dieser Zeit verlor Stadler 2018 seinen Posten.

Optisch ging er zum Prozessauftakt auf Distanz zu der Marke mit den vier Ringen: Er fuhr in einer anthrazitfarbenen S-Klasse von Mercedes vor dem Münchner Gefängnis Stadelheim vor, wo die Verhandlungen stattfinden. Im dunkelblauem Sakko und weißem Hemd, aber ohne Krawatte, den Rucksack über der Schulter, ging der gebräunte Stadler kommentarlos an den Journalisten vorbei. Richter Stefan Weickert hat 181 Sitzungstage angesetzt, so dass sich das Verfahren bis Ende 2022 ziehen könnte. Die umfangreiche Beweiserhebung zu technischen Fragen und zur Verantwortung der Angeklagten sowie zur Schadenhöhe machten den Prozess komplex, sagte die Sprecherin der Staatsanwaltschaft, Andrea Mayer.

Stadlers Verteidiger Thilo Pfordte verlangte zu Beginn des Prozesses Auskunft von den fünf Richtern der großen Strafkammer, ob sie oder Familienangehörige in der Zeit der Manipulationen von 2009 bis 2018 Autos mit Dieselmotoren gefahren seien, die bei VW entwickelt wurden. Einen Befangenheitsantrag stellte er zunächst nicht.

ILLEGALE TRICKS

Staatsanwalt Dominik Kieninger differenzierte in der Anklage zwischen den Ingenieuren um Hatz und dem Vorstandschef. Erstere hätten die Manipulationen an den Dieselmotoren veranlasst, mit denen große Audi-Modelle wie der Geländewagen Q7, aber auch das VW-Schwestermodell Touareg angetrieben wurden. Audi ist im VW-Konzern für die Entwicklung großer Motoren verantwortlich. Nur mit einem illegalen Trick glaubten die Ingenieure, die strenger gewordenen Grenzwerte für Stickoxid-Emissionen auf dem US-Markt - und später in Europa - erfüllen zu können.

"Die Manipulationen führten dazu, dass die Steuerung der Abgasminderung auf dem Rollenprüfstand anders funktionierte als außerhalb des Rollenprüfstandes", so Kieninger. Die Software erkannte, ob sich ein Auto auf dem Prüfstand befand. Nur dann hielt es die vorgeschriebenen Abgaswerte ein. Auf der Straße waren die Werte um ein Vielfaches höher. Im September 2015 gab Volkswagen die Manipulationen auf Druck der US-Umweltbehörde zu.

Weil die betroffenen 78.000 Fahrzeuge in den USA nicht mehr verkauft werden durften und nur Schrottwert hatten, veranschlagt die Staatsanwaltschaft den Schaden allein auf diesem Markt auf mehr als 3,1 Milliarden Euro. Die Software umzuprogrammieren habe in Europa und den USA mindestens 170 Millionen Euro gekostet. Der Vorwurf der "mittelbaren Falschbeurkundung" bezieht sich auf die Zulassungsbescheinigungen für die Fahrzeuge in der EU, in denen die Betrugssoftware unerwähnt geblieben war.

Stadler werfen die Ermittler nicht vor, frühzeitig von den Manipulationen gewusst zu haben: Bei ihm geht es um gut 120.000 Dieselfahrzeuge mit der Software, die der Autobauer nach September 2015 noch verkaufte - "gewerbsmäßiger Betrug durch Unterlassen", wie Gerichtssprecher Florian Gliwitzky erklärte. Den Schaden durch den Wertverlust der Fahrzeuge beziffert die Staatsanwaltschaft auf 27 Millionen Euro. Die Höhe des Schadens kann für das Strafmaß von Bedeutung sein. Der Strafrahmen liege zwischen sechs Monaten und zehn Jahren, sagte Gliwitzky.