Von Simon Clark und Margot Patrick

NEW YORK (Dow Jones)--Die Pandemie spricht nicht unbedingt dafür, dass Mitarbeiter und Händler der Banken an der Wall Street für 2020 mit deutlich steigenden Boni rechnen können. Die Boards der Banken werden sich vielmehr angesichts der wirtschaftlichen Schwierigkeiten in den USA scheuen, öffentlichkeitswirksam große Geldsummen auf den Tisch zu legen.

Bei der Bank of America dürfte der Bonus-Pool stagnieren, berichten Informanten. Einige Händler bei JPMorgan Chase & Co können zwar mit einer höheren Ausschüttung rechnen, sagte eine Person mit Insider-Wissen. Der Anstieg der Boni werde aber nicht mit dem Wachstum der Einnahmen im Handelsgeschäft mithalten, das in den ersten neun Monaten auf ein Plus von 39 Prozent gekommen war.

Morgan Stanley hat schon angekündigt, Mitarbeitern mit einem Jahreseinkommen unter 150.000 US-Dollar einen Bonus von 1.000 Dollar zu zahlen. Was die Mitarbeiter mit höherem Gehalt erwarten können, ist bislang offen.

Es sei jetzt nicht das Jahr für große Gehaltssteigerungen, sagte Gilbert Swann vom Personaldienstleister Sheffield Haworth in London, der auch weltweit tätige Investmentbanken betreut. Stagnation könne eigentlich schon eine gute Botschaft sein.

Hohe Zahlungen an Banker und Händler werden dieses Jahr argwöhnisch beäugt werden. Millionen Amerikaner haben ihren Job verloren, Unternehmen gingen während der Pandemie pleite. Banken haben der Krise dagegen weitgehend widerstanden, auch wegen der großzügigen Unterstützung durch Regierungen und Zentralbanken. Das Investmentbanking profitierte von hohen Handelsumsätzen in volatilen Märkten und der Emission von Anleihen und neuen Aktien vieler Unternehmen.

Händler und Banker wollen nun für ein anstrengendes Jahr belohnt werden. Für die Leitungsspitze der Banken ist das ungünstig, ist ihnen doch bewusst, dass Politiker, Regulierer und die Steuerzahler ein waches Auge haben angesichts der schwierigen wirtschaftlichen Situation vieler Menschen. Selbst die besten Bank-Mitarbeiter werden sich wegen der Öffentlichkeitswahrnehmung deshalb auf begrenzte Boni einstellen müssen.

"Manager sind zu Recht super-vorsichtig, wie sie wahrgenommen werden", sagte Nick Miller, Partner beim Londoner Personaldienstleister Odgers Berndtson. "Sie wandeln auf dem schmalen Grat, die Mitarbeiter motiviert zu halten und zu berücksichtigen, welche Folgen höhere Boni haben würden."

Die Einnahmen im Investmentbanking sind im vergangenen Jahr weltweit um ein Viertel auf 188,2 Milliarden US-Dollar gestiegen, hat Coalition Greenwich ermittelt. "Die Wall Street hat viel Unterstützung durch die Notenbank Fed bekommen, als die Pandemie zuschlug", sagte Tim Schlittner vom größten amerikanischen Gewerkschaftsverband AFL-CIO. "Wir sollten das Geld nun auf die Straße zu den normalen Leuten bringen."

Die New Yorker Gehalts-Beratungsfirma Johnson Associates geht davon aus, dass die Boni für 2020 etwa unverändert zum Vorjahr bleiben werden. Es werde aber eine gewisse Schwankungsbreite geben. Mitarbeiter im Privatkundengeschäft würden wohl weniger, Händler, Vertriebler und Investmentbanker aber mehr bekommen. Die Banken-Chefs müssten sich darauf einstellen, dass bei ihren Boni ganz besonders genau hingeschaut wird.

In Europa haben die Regulierer in London und Frankfurt ohnehin die Dividenden und Boni beschnitten, um die Banken in der Pandemie ausreichend kapitalisiert zu halten. Die Beschränkungen wurden im Dezember zwar gelockert. Die Geldhäuser sind aber unverändert angehalten, zurückhaltend bei den Auszahlungen zu sein.

Die Banken werden genau darauf achten, dass sie nicht in die Kritik von Politikern und Kunden geraten in einem Jahr, in dem die Schere zwischen Arm und Reich weiter aufgeht, sagte Rechtsanwalt Carlo Kostka von Covington & Burling LLP. "Die Corona-Krise hat eine massive Ungleichheit hinterlassen, und jeder muss sich am Ende des Tages fragen, ob Boni ab einer bestimmten Höhe diese Entwicklung noch verschärfen", sagte Kostka.

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January 08, 2021 04:58 ET (09:58 GMT)