Von David Benoit

NEW YORK (Dow Jones)--Die sich nach höheren Zinsen sehnenden US-Banken scheinen kurz vor Erfüllung ihres Wunsches zu stehen. Die Spitzen der US-Notenbank Fed So signalisierten jetzt, dass sie bereit sind, die Zinssätze als Reaktion auf die steigende Inflation im nächsten Jahr mindestens dreimal anzuheben. Das ist ein schnellerer Zeitplan als noch vor einigen Monaten erwartet.

Für die größten Banken der USA dürfte selbst eine geringfügige Anhebung des Leitzinses der Fed zu Einnahmen in Milliardenhöhe führen, da die Banken mehr Geld für Kredite verlangen können, aber den Einlegern wahrscheinlich nicht mehr zahlen müssen. Außerdem sitzen die Banken auf riesigen Bargeldbeständen, die keine Rendite abwerfen. Einige Banker haben bereits erklärt, dass sie dieses Geld in Wertpapiere umschichten wollen, sobald die Zinsen steigen.


   US-Banken winkt Geldregen in Milliardenhöhe 

Die Anleger der Banken sind sehr aufmerksam. Es wird erwartet, dass sich die Handelsgewinne, dank derer sich die Banken durch die frühe Pandemie lavierten, verlangsamen werden, und viele erwarten höhere Ausgaben für Technologie und Expansionspläne.

"Der entscheidende Faktor könnten die Zinssätze sein", meint Bankenanalyst John McDonald von Autonomous Research. "Die Banken sind so zinsempfindlich wie nie zuvor." Wells Fargo und Bank of America sind bis zum Rand voll mit US-Einlagen und reagieren am empfindlichsten auf Änderungen der US-Zinsen. Beide rechnen damit, dass sie mehr als 7 Milliarden US-Dollar zusätzliche jährliche Einnahmen erzielen können, wenn die kurz- und langfristigen Zinssätze gleichzeitig um 1 Prozentpunkt stiegen, wie aus ihren Veröffentlichungen hervorgeht.

JP Morgan würde 6,7 Milliarden Dollar an Einnahmeplus erzielen. Die Bank verbuchte in den vergangenen zwölf Monaten Nettozinseinnahmen von rund 52 Milliarden Dollar. Derweil wären die von der Wall Street für 2022 erwarteten Gewinne pro Aktie der Großbanken im Durchschnitt um 19 Prozent höher als bisher gedacht. Das gilt für den Fall, dass die Gewinne aus dieser hypothetischen Zinserhöhung hinzugerechnet würden, so McDonald.

Für Wells Fargo wäre dies ein Gewinnplus von 38 Prozent. Dennoch ist dieses Szenario unwahrscheinlich. Die meisten Fed-Vertreter gehen immer noch davon aus, dass die Zinssätze 2022 bei 1 Prozent enden und nicht über Nacht so stark ansteigen werden. Und die Szenarien gehen davon aus, dass die Banken und ihre Kunden alle Vermögenswerte unverändert lassen.


   Niedrige Einlagen- und höhere Kreditzinsen geben Schub 

Die Banken erzielen ihre Hauptgewinne, indem sie mehr Zinsen von den Kreditnehmern einnehmen, als sie den Einlegern zahlen müssen. Wenn die Fed die Zinssätze anhebt, können die Banken anfangen, mehr für Kredite zu verlangen, aber es ist unwahrscheinlich, dass sie sofort mit höheren Kosten für Einlagen konfrontiert werden.

Die letzte Zinserhöhungsrunde der Fed begann Ende 2015. Branchenweit kletterten die Nettozinserträge zwischen 2016 und 2018 um 7 bis 9 Prozent pro Jahr, so die Analysten von Barclays. Die Banken haben ihre Zahlungen an die Einleger in der Regel nicht stark erhöht, da sie sich darauf verlassen konnten, dass die Kunden nicht jeden Monat ein paar Cent bei anderen Geldhäusern hinterherjagen.

Es wird erwartet, dass dies auch in diesem Zyklus der Fall sein wird. Die größten Banken sind mit Einlagen überschwemmt, sogar noch mehr als vor einigen Jahren, so dass sie es sich leisten können, knauserig zu sein.

"Wenn ich mir die Einlagenbasis der Verbraucher ansehe, denke ich manchmal, dass es wieder ein Déjà-vu ist", meinte CEO Brian Moynihan von Bank of America im Oktober. "In den Jahren 2015, 2016 und 2017 drehte sich alles darum, dass die Fed die Zinssätze normalisieren wird und wir die Preise erhöhen müssen. Und das mussten wir nicht."

Andererseits sind die Banken in der Lage, die Kreditzinsen relativ schnell zu erhöhen. Wegen der Vorschriften nach der Krise halten die Banken mehr kurzfristige Kredite, die schnell zu höheren Zinssätzen angepasst werden können. So haben die Banken beispielsweise nicht mehr viele 30-jährige Hypotheken in den Büchern. Stattdessen verfügen sie über viele Auto- und Geschäftskredite, die in der Regel nur wenige Jahre laufen.


   Geldhäuser haben ihr Pulver trocken gehalten 

Die Banken halten auch mehr Bargeld bei der Fed als allgemein üblich. Diese Art von trockenem Pulver kann schnell in Investitionen umgeschichtet werden, wenn die Zinssätze steigen, so die Banker. JP Morgan könnte nach eigenen Angaben rund 200 Milliarden Dollar innerhalb weniger Tage umschichten, bei der Bank of America sind es sogar 350 Milliarden Dollar.

Analysten von Janney Montgomery Scott argumentieren, dass die Banken ihren Gewinn pro Aktie bis 2023 um durchschnittlich 9 Prozent steigern könnten, wenn sie ihre zusätzlichen Mittel in Investitionen umschichten.

Höhere Zinsen bedeuten jedoch nicht automatisch höhere Gewinne. Höhere Zinssätze können beispielsweise die Vergabe von Hypothekenkrediten erschweren. Wichtig ist auch, wie die Fed die Wirtschaftsentwicklung einschätzt und nicht nur, was sie mit den Zinsen macht. "Das Warum ist viel wichtiger als die Zahl", warnte der JP-Morgan Chef Jamie Dimon bereits im April.

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December 16, 2021 09:19 ET (14:19 GMT)