(Neu: Verkauf Hobbygärtnergeschäft und Kurse)

LEVERKUSEN/ST LOUIS (dpa-AFX) - Bayer will sein Agrarchemie-Geschäft mit dem Kauf des US-Unternehmens Monsanto stärken. Ein Bayer-Sprecher bestätigte am Donnerstagmorgen in Leverkusen Gespräche über ein mögliches Gebot. Im Falle einer Fusion würde das deutsche Unternehmen der weltweit größte Hersteller von Saatgut. Zuvor hatte der US-Konzern in St. Louis mitgeteilt, dass er eine unaufgeforderte, nicht-bindende Offerte des deutschen Pharma- und Agrarchemiekonzerns erhalten habe.

Finanzielle Details nannte das US-Unternehmen, das an der Börse derzeit mit 42,4 Milliarden US-Dollar (37,8 Mrd Euro) bewertet wird, nicht. Bayer kommt nach dem Kursrutsch auf eine Marktkapitalisierung von knapp 74 Milliarden Euro. Der Verwaltungsrat von Monsanto will die Offerte jetzt prüfen. Bis diese Überprüfung abgeschlossen ist, werde es keine weitere Mitteilung des Unternehmens geben, hieß es. Auch Bayer hielt sich mit Details bedeckt.

INVESTOREN FÜRCHTEN KAPITALERHÖHUNG

Die Aktien des Dax-Schwergewichts sackten am späten Nachmittag 8,58 Prozent auf 88,15 Euro ab - das war der niedrigste Kurs seit Herbst 2013. Im Falle eines Kaufs von Monsanto droht nach Einschätzung von Experten eine Kapitalerhöhung. Zudem müsste Bayer sich zur Finanzierung vermutlich auch von der Tochter Covestro <1COV.ETR> trennen, sagte ein Händler. Auch die Papiere des MDax-Unternehmens büßten knapp drei Prozent ein. Der Kurs der Monsanto-Aktie schnellte am Donnerstag hingegen um gut fünf Prozent in die Höhe.

Volker Braun, Analyst beim Bankhaus Lampe sieht für Bayer keinen Grund, einen überstürzten Deal mit Monsanto einzugehen. Es gebe genügend andere Übernahmeoptionen in der Branche - zu besseren Preisen und einem vorteilhafterem Risikoprofil.

GERÜCHTEKÜCHE BRODELT SEIT LÄNGEREM

Über ein Bayer-Gebot für Monsanto war zuletzt bereits spekuliert worden. So hatte die Nachrichtenagentur Bloomberg am vergangenen Donnerstag berichtet, dass Bayer eine Offerte auslotet. Der Aktienkurs des deutschen Unternehmens gab seitdem bis zu den heutigen Nachrichten etwas mehr als drei Prozent nach. Die Monsanto-Anteile legten im Gegenzug um knapp um acht Prozent zu.

In der Chemiebranche brodelt seit langem die Gerüchteküche über die Zukunft der Unternehmen, die sich auf das Geschäft mit der Landwirtschaft spezialisiert haben. Dieses steht wegen niedrigerer Preise für Agrarrohstoffe, der Turbulenzen in den Schwellenländern und der Rezession in Brasilien seit einiger Zeit unter erheblichem Druck. Aus diesem Grund war auch der weltgrößte Chemiekonzern BASF als möglicher Interessent für Monsanto genannt worden.

MONSANTO BEI SYNGENTA GESCHEITERT

Das US-Unternehmen wiederum will sein Saatgutgeschäft seit längerem stärken und hatte dazu selbst immer wieder eigene Zukäufe oder Partnerschaften im klassischen Pflanzenschutz ins Auge gefasst. In jüngster Zeit war Monsanto aber mehrfach mit seinen Zukaufsplänen in Europa gescheitert.

So blitzte der Konzern etwa im vergangenen Jahr beim schweizerischen Konzern Syngenta ab. Diesen will nun das chinesische Unternehmen ChemChina für 43 Milliarden Dollar schlucken. Jetzt ist Monsanto selbst zu einem Übernahmekandidaten geworden, zumal der Aktienkurs des Unternehmens seit einiger Zeit unter anderem wegen einer jüngst gekappten Gewinnprognose unter Druck steht.

GESAMTE BRANCHE IN BEWEGUNG

In der Chemiebranche dreht sich das Fusionskarussell nicht nur beim Geschäft mit Agrarrohstoffen. So planen die US-Konzerne Dow Chemical und Dupont ihren Zusammenschluss. Sie würden damit erst einmal den Branchenprimus BASF vom Thron stoßen. Allerdings wollen sich die beiden US-Konzerne nach der geplanten Fusion in drei börsennotierte Unternehmen aufspalten.

Bayer selbst hat den Schwerpunkt zuletzt vor allem auf sein Pharmageschäft ausgerichtet. So wurde das bei der Tochter Covestro geparkte Chemiegeschäft zum Teil an die Börse gebracht. Aktuell halten die Leverkusener noch 64 Prozent - doch Bayer will sich so schnell wie möglich komplett von Covestro trennen.

Am Donnerstag teilte Bayer ebenfalls den geplanten Verkauf des Hobbygärtnergeschäfts des Geschäftsbereichs Environmental Science mit. Die Bereiche Bayer Garten und Bayer Advanced in Europa und Nordamerika sollen von dem französischen Unternehmen SBM übernommen werden. Von dem Gesamtumsatz der Sparte von 819 Millionen Euro waren 2015 rund 239 Millionen Euro auf das Endkundengeschäft entfallen. Zum Verkaufspreis machte ein Sprecher keine Angaben.

BAYER: MONSANTO WÜRDE KERNGESCHÄFT STÄRKEN

Immer wieder wurde auch darüber spekuliert, ob sich Bayer von der Sparte Crop Science, in der das Geschäft mit Agrarstoffen gebündelt ist, trennen will. Doch jetzt soll der Bereich, der 2015 mit 10,4 Milliarden Euro etwas mehr als ein Fünftel zum Konzernumsatz beisteuerte, gestärkt werden. Bayer selbst sprach am Donnerstag davon, dass mit einer Monsanto-Übernahme das Kerngeschäft gestärkt werden würde.

Monsanto setzte im vergangenen Jahr 15 Milliarden Dollar um und kam dabei auf einen Gewinn von 2,3 Milliarden Dollar. Einem Bericht des "Wall Street Journal" zufolge, der sich auf eine Studie von Morgan Stanley stützt, würden die beiden Konzerne rund ein Viertel der weltweit verkauften Pflanzenschutzmittel absetzen. Für ein Zusammengehen spricht, dass Monsanto in den USA stärker aufgestellt ist, Bayer in Europa und Asien. Das könnte den Unternehmen auch bessere Karten bei den Wettbewerbshütern bescheren.

MONSANTO WEGEN GENTECHNIK UND GLYPHOSAT IN KRITIK

Der US-Konzern steht wegen seiner gentechnisch veränderten Produkte immer wieder in der Kritik. Zudem stellt Monsanto den weltweit meistgenutzten Unkrautvernichter "Roundup" mit dem umstrittenen Wirkstoff Glyphosat her.

Dieser steht im Verdacht, Krebs zu erregen. Die europäische Zulassung für Glyphosat läuft Ende Juni aus, am Donnerstag könnte eine Entscheidung über eine erneute Genehmigung fallen.

Umweltschützer und die Grünen kritisierten die geplante Fusion. "Gentechnik und Pestizide sind keine Zukunfts-, sondern Risikotechnologien", sagte Grünen-Bundestagsfraktionschef Anton Hofreiter der Deutschen Presse-Agentur. "Damit würde Bayer das eigene Gerede über nachhaltige Unternehmenskultur Lügen strafen." Agrarexperte Dirk Zimmermann von Greenpeace warnte, eine zu große Konzentration im Markt führe zu weniger Vielfalt und höheren Saatgutpreisen./zb/so/stk/she/zb/jha/