(Neu: Weitere Analystenstimmen, Schlusskurse)

FRANKFURT (dpa-AFX) - Eine Gewinnwarnung von Daimler hat den Aktionären von Europas Autoherstellern am Donnerstag gründlich die Laune verdorben. Die Hiobsbotschaft aus Stuttgart vom Vorabend ließ die Daimler-Papiere auf den niedrigsten Stand seit fast zwei Jahren sinken. Letztlich sprang ein Kursverlust von 4,32 Prozent auf 57,84 Euro heraus, der auch bei anderen europäischen Autowerten für massive Verluste sorgte. Entsprechend war der Branchenindex Stoxx Europe 600 Automobiles & Parts mit einem Minus von 3,24 Prozent ganz unten im Sektortableau zu finden.

Wegen des Handelskonflikts zwischen den USA und China und der Dieselaffäre rechnet Daimler in diesem Jahr mit einem operativen Gewinn (Ebit) leicht unter Vorjahresniveau. Bisher hatte der Autobauer einen Gewinn vor Zinsen und Steuern (Ebit) leicht über dem 2017er Wert von 14,7 Milliarden Euro angepeilt. Begründet wurde dies mit der Erwartung zurückhaltender Autokäufe in China und den Kosten wegen des Rückrufs hunderttausender Dieselfahrzeuge in Europa.

Gänzlich überraschend kam die Gewinnwarnung für die Börse jedoch nicht: Der seit Wochen schwelende und zuletzt eskalierende Handelskonflikt hatte die Papiere in den vergangenen Monaten bereits stark belastet. Vom Hoch Ende Januar bei 76,48 Euro hatten sie bereits gut 20 Prozent eingebüßt.

Die Reaktionen auf Analystenseite fielen trotz der Gewinnwarnung zunächst einmal überwiegend moderat aus. Die meisten Experten hielten an ihren meist positiven Einschätzungen der Daimler-Aktie fest. Patrick Hummel, Analyst der Schweizer Großbank UBS, rechnet zwar mit sinkenden Konsensschätzungen für den operativen Gewinn, sieht aber in möglichen Ausgliederungen wie der Lkw-Sparte den stärksten Kurstreiber für die Daimler-Papiere.

Analyst Tim Schuldt von der Equinet Bank schätzt, dass der operative Gewinn von Daimler zwischen 2,5 und 10 Prozent niedriger ausfallen dürfte als ursprünglich erwartet. Allerdings wertete er die Kursverluste als "großartige Möglichkeit zum Einstieg". Denn die meisten der von Daimler genannten Gründe für die Gewinnwarnung dürften sich nicht als nachhaltig erweisen.

Ähnlich sieht es Xavier Caroen vom Investmenthaus Bryan Garnier: Er werde die Schätzungen für Daimler zwar senken, halte aber an seiner Kaufempfehlung für die Papiere fest. "Daimler ist die beste Aktie, um auf Wachstum im Premiumsegment und auf eine Erholung der Lkw-Branche zu setzen", schrieb der Experte.

Im Sog der deutlichen Daimler-Abgaben legten auch die anderen europäischen Autowerte den Rückwärtsgang ein. Die Papiere von BMW kamen mit einem Kursabschlag von 2,94 Prozent ebenfalls stark unter Druck. "Bei BMW konzentriert sich die Fertigung von SUVs in den USA", schrieb Equinet-Experte Schuldt. Daher könne die Belastung durch die Strafzölle bei BMW sogar noch höher sein als bei Daimler. Zudem verfüge BMW anders als Daimler nicht über ein Lkw-Geschäft, das die Belastungen im Pkw-Segment auffangen könnte.

Die Volkswagen-Vorzugsaktien verbilligten sich um 3,11 Prozent. In Mailand ging es für die Fiat Chrysler um 4,17 Prozent nach unten. An der Pariser Börse fielen PSA-Papiere um 2,81 Prozent. Die Aktien von Renault verzeichneten mit minus 5,20 Prozent branchenweit die stärksten Einbußen.

Morgan-Stanley-Analyst Harald Hendrikse geht davon aus, dass andere Autobauer Daimler folgen und ihre Gewinnziele ebenfalls nach unten schrauben werden, da sie in ähnlicher Weise von den aktuellen Trends betroffen seien.

Die jüngsten Turbulenzen in der Autobranche sieht die Investmentbank JPMorgan aber auch als Chance. So ergäben sich im Zuge des Handelsstreits mit den USA sowie der Debatten um Emissionsziele und das neue WLTP-Verfahren für Abgastests durchaus Einstiegsgelegenheiten, schrieb Analyst Jose Asumendi. Ein "sicherer Hafen" vor diesem Hintergrund wären die PSA-Aktien. Denn die Franzosen seien am wenigsten von den Folgen des Handelskonflikts betroffen und zudem Spitzenreiter bei Emissionen in Europa. Dagegen könnte VW zu Produktionsanpassungen im dritten Quartal gezwungen sein.

Sollte China die Zölle auf Importfahrzeuge anheben, sei von einem branchenweit schwachen dritten Quartal auszugehen, glaubt Asumendi. Am stärksten betroffen wären dann BMW und Daimler, während VW von den Produktionskapazitäten in China profitieren sollte./edh/mis