Nicht zuletzt dank der Spitzenposition bei Innovation und Design ist BMW auf allen Kontinenten der Welt eine herausragende Marke. Dieser war es unter anderem zu verdanken, dass der Konzern die letzten beiden großen Finanz- bzw. Wirtschaftskrisen (in den USA im Jahr 2009, in Europa im Jahr 2011) unbeschadet überstehen konnte.

Eigentlich fanden die Krisen für BMW fast gar nicht statt. Der Umsatz konnte seit 2007 kontinuierlich gesteigert werden und liegt mittlerweile bei 95 Mrd. Euro (+ 60% in zehn Jahren). Die Hälfte davon wird in Europa erzielt, während sich der Rest auf Amerika (30%) und Asien (20%) verteilt.

 

Chart Bayerische Motoren Werke

 

BMWs operative Margen sind bemerkenswert stabil (etwa 10% seit 2010). Dasselbe gilt für die Eigenkapitalrendite, die kontinuierlich bei rund 15% liegt. Die Ratingagentur Moody’s bezeichnet BMWs Bilanz als eine der besten im europäischen Autosektor.

Eine solche Konstanz (manche würden sagen: typisch deutsch) ruft sowohl Bewunderung als auch Skepsis hervor. In der Tat mutet es als seltsam an, dass die Finanzierungssparte etwa ein Viertel des Umsatzes generiert. Einige konservative Anleger sehen in der Größe dieses Unternehmensbereichs ein potentielles Risiko, weil die Qualität des Kreditportfolios zum einen nur schlecht beurteilt werden kann und die Sparte zum anderen vom Management zur Ergebniskosmetik genutzt werden könnte, damit dem Markt die Ergebnisse vorgelegt werden können, so wie sie von den Analysten erwartet werden.

Die Rentabilität der Finanzierungssparte hat das Potential, konventionelle Banken vor Neid erblassen zu lassen. Aber wie bereits erwähnt kann man das dafür eingegangene Risiko aufgrund der geringen Transparenz nur schwer beurteilen. Viele Anleger bleiben deshalb auf der Hut.

Das Eigenkapital der BMW Gruppe hat sich im Zeitraum zwischen 2010 und 2016 (von 35 € bis 70 € pro Aktie) verdoppelt und die Dividende wurde über den gleichen Zeitraum (von 0,30 € auf 3,20 € je Aktie) auf spektakuläre Art und Weise erhöht. Im Jahr 2016 lag der Nettogewinn des Autobauers bei 7 Mrd. Euro, eine starke Leistung, die aber wie bereits erwähnt mit etwas Vorsicht zu genießen ist.

Wie in der Aktienanalyse zu General Motors (ein weiterer Automobilkonzern, der möglicherweise mit einem großen Bewertungsabschlag gehandelt wird) dargestellt wurde, ist der freie operative Cash-Flow („Free Cash Flow“) ein relevanteres Maß für die Rentabilität von Autokonzernen als der Nettogewinn , da der Umfang der Investitionen („Capex“) in der Regel die Summe der Abschreibungen und Wertberichtigungen übertrifft (BMW ist hier keine Ausnahme). Allerdings ist es schwierig, das reelle Gewinnpotential eines Autokonzern zu beziffern. Denn der Umfang der zu tätigenden Investitionen hängt stark vom Stadium des Zyklus ab, in welchem sich der Automobilmarkt befindet. Darüberhinaus müssen die Ergebnisse des Finanzierungsgeschäftes entsprechend eingeordnet werden. 

Man hat bei einer Bewertungsanalyse von BMW also zwei Möglichkeiten. Entweder man akzeptiert die vom Management kommunizierten Zahlen als der Wahrheit entsprechend oder – falls man tiefergehende Analysen nicht scheut – man bewertet die Ergebnisse der Finanzierungssparte separat. Bei einer genaueren Betrachtung wird ersichtlich, dass das Ergebnis vor Steuern und Finanzierungskosten der Automobil- und Motorradsparte sich im Jahr 2016 auf 7,5 Mrd. Euro beliefen während jenes der Finanzierungssparte bei 2 Mrd. Euro lag.

Setzt man letzteres auf Null – zugegebenermaßen ein theoretischer Extremfall, allerdings gab es in der Vergangenheit immer wieder Beispiele, in denen Kreditgebern nach einer Phase hoher Gewinne während eines wirtschaftlichen Abschwungs die Überschüsse wegfielen bzw. Verluste verzeichnet werden mussten – und verwendet darüberhinaus ein konservatives KGV von 8x, ergibt sich eine Bewertung von 60 Mrd. Euro für die BMW Gruppe (die aktuelle Bewertung liegt bei ca. 55 Mrd. Euro).

Basierend auf den aktuellen Zahlen und auf dem für das Jahr 2017 erwarteten Nachsteuergewinn wird BMW aktuell mit einem KGV von nur 7x bewertet. Dieses liegt damit auf einem Niveau, wie man es nur aus den Zeiten der Finanzkrise kennt.

Wenn es auch nicht an (potentiellen) Risiken mangelt – Stichwort mangelnde Transparenz der Finanzierungssparte, Schadstoffsoftware, mögliches Ende des Expansionszyklus in Nordamerika und Asien – dürften sich die Anleger auf dem aktuellen Bewertungsniveau und bei einer Dividendenrendite von 4,35% wieder zunehmend für die BMW Aktie interessieren.
  

(Der Autor besitzt keine Aktien der BMW Gruppe und verweist auf weitere Anlagechancen, die wir Ihnen in unserer Rubrik Aktienanalysen vorstellen.)