HAMBURG (dpa-AFX) - In Hamburg müssen Autofahrer bereits in wenigen Wochen mit begrenzten Diesel-Fahrverboten rechnen. Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) kündigte am Dienstag nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts an, die vom rot-grünen Senat beschlossenen Maßnahmen für zwei Straßen im Stadtteil Altona-Nord wie geplant umsetzen zu wollen. "Die Diesel-Durchfahrtsbeschränkungen in Hamburg werden bundesweit vermutlich die ersten sein", erklärte Kerstan. "Die Schilder können noch heute bestellt und binnen weniger Wochen aufgestellt werden."

Nach dem Luftreinehalteplan werden rund 600 Meter der Max-Brauer-Allee sowie ein 1,7 Kilometer langer Abschnitt der Stresemannstraße von den geplanten Durchfahrtsbeschränkungen betroffen sein. Der Abschnitt auf der Max-Brauer-Allee soll für Lkw und Diesel-Pkw gesperrt werden, die nicht die Abgasnorm 6 oder Euro VI erfüllen, die Stresemannstraße nur für Lkw. Unklar ist allerdings weiter, wie die Beschränkungen kontrolliert werden sollen.

Kritik an den Plänen kam von den Bürgerschaftsfraktionen von CDU und FDP. "Die Fahrverbote werden hauptsächlich kleine Handwerksbetriebe und Lieferanten sowie Bürger mit älteren Autos treffen, die in gutem Glauben einen Diesel gekauft haben", erklärte der verkehrspolitische FDP-Fraktionssprecher Ewald Aukes. CDU-Landeschef Roland Heintze sprach sich für eine einheitliche Regelung auf Bundesebene aus. Und die Linksfraktion forderte eine Wende in der Verkehrspolitik, "damit nicht mehr das Auto im Mittelpunkt der Verkehrsplanung steht".

Der Präsident der Handwerkskammer Hamburg, Josef Katzer, monierte, nun gehörten das Handwerk und seine Kunden zu denen, die die Zeche zahlen müssten. Trotz der Beschränkung auf "nur" zwei Straßen bleibe ein schaler Beigeschmack. Die Geschäftsführerin der Handelskammer, Christi Degen, hält die Fahrverbote als letzte Maßnahme für nachvollziehbar, sofern sie den Wirtschaftsverkehr mit Zielen in der City sowie den Kundenverkehr nicht dauerhaft einschränkten.

Kerstan bezeichnete das Urteil der Leipziger Richter, die Diesel-Fahrverbote für grundsätzlich zulässig halten, als "starke Entscheidung für den Schutz der Gesundheit". Für die Autofahrer sei es aber eine unverschuldete Härte. "Verantwortlich dafür ist in erster Linie die Autoindustrie", sagte Kerstan.

Das Urteil bedeutet nicht, dass nun automatisch Fahrverbote kommen. Sie bleiben von Stadt zu Stadt eine Einzelfallentscheidung. Den beiden beklagten Städten Düsseldorf und Stuttgart gaben die Leipziger Richter die Aufgabe, ihre Luftreinhaltepläne auf Verhältnismäßigkeit zu prüfen.

Grünen-Fraktionschef Anjes Tjarks sagte, das Gericht habe mehr Rechtssicherheit für diese Regelung verschafft. "Dennoch sind Fahrverbote als letztes Mittel zu begreifen und allein nicht ausreichend, um die Luftqualität in Hamburg zu verbessern." Rot-Grün wolle mit dem Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs oder der Radwege attraktive Alternativen zum Auto zu schaffen, erklärte Tjarks.

Die Hamburg-Ableger der Naturschutzorganisationen Nabu und BUND begrüßten den Richterspruch. Angesichts der ständigen Überschreitung von Stickoxidgrenzwerten sieht der Nabu-Landesverband Politik und Verwaltung in der Pflicht, Bürger vor gesundheitsschädlichen Emissionen zu schützen. Punktuelle Fahrverbote für wenige Straßenzüge wie in Hamburg geplant seien aber Augenwischerei, erklärte der Nabu-Leiter Umweltpolitik, Malte Siegert. Das Urteil sei ein Fortschritt in der Auseinandersetzung um wirksame Maßnahmen zur Luftreinhaltung auch in Hamburg, teilte der BUND-Landesverband mit.

Seit Jahren werden in vielen Städten Luftverschmutzungs-Grenzwerte nicht eingehalten. Dabei geht es um Stickoxide, die unter anderem Atemwegs- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen auslösen oder verschlimmern können. Der Verkehr, darunter vor allem Dieselautos, macht in Städten nach Angaben des Umweltbundesamts mehr als 60 Prozent der Belastung aus. Hamburg stand nach Daten des Umweltbundesamts für 2017 mit einer Belastung von 58 Mikrogramm Stickoxiden je Quadratmeter Luft zuletzt auf Platz fünf der Städte mit schlechter Luftqualität in Deutschland./hal/DP/stw