66 STRATEGIE

Die mRNA-Impfstoffe waren erst der Anfang

Die Corona-Pandemie hat dem bislang größten kommerziellen Erfolg von prophylaktischen Impfstoffen den Weg bereitet. Doch die aktuellen Verfahren sind dennoch nur eine Zwischenetappe beim Durchbruch neuer Therapieansätze. Das sind gute Nachrichten für Investoren

Gastautor

Daniel Koller

Der Biotechnologiesektor ist durch Covid-19 wieder in das Rampenlicht der Investoren gerückt. Die von Moderna und

Biontech/Pfizer entwickelten Präparate haben sich bislang als die beiden wirk- samsten Impfstoffe zur Eindämmung der Pandemie erwiesen und damit der neu- artigen mRNA-Technologie zur Markt­ reife verholfen.

Dieser bahnbrechende Erfolg spiegelt sich auch an der Börse wider. Moderna, die

aktuell größte Position im Portfolio von BB Biotech, ist mit Kursgewinnen von mehr als 250 Prozent seit Jahresanfang zum Bio- techunternehmen mit der weltweit höchs- ten Marktkapitalisierung aufgestiegen.

Der Einsatz des Corona-Impfstoffs ge- gen neue Virusmutationen wird Moderna auch in den nächsten Jahren hohe Mittel- zuflüsse bescheren. Zugleich arbeitet das Unternehmen in klinischen Studien daran, in den nächsten Jahren die Marktzulassung von mRNA-Vakzinen gegen andere Infek­

tionskrankheiten wie Grippe oder das Cyta­ megalovirus zu erhalten. Darüber hinaus werden Impfstoffe auf Basis dieser Technologie gegen Krebs, Herz-Kreislauf- und Stoffwechselerkrankungen entwickelt.

Gentherapien revolutionieren Medizin Die mRNA-Technologieist nur ein aktuelles Beispiel dafür, wie innovative Therapien aus den Labors von Biotechunternehmen Anlegern überdurchschnittliche Renditen generieren können. Schlussendlich ist hier

Impfung: Neue Impfstoffe sind die Vorboten weiterer Innovationen

03 /2021

FOTO: PABLO FACCINETTO/BELLEVUE; GRUSZKI/STOCK.ADOBE.COM (2), FEODORA CHIOSEA, VECTORIOS2016

erfolgsentscheidend, den richtigen Zeit- punkt zu erkennen, wann eine neue Technologie vor dem großen klinischen Durch- bruch zur kommerziellen Marktreife steht. Gentherapien, zellbasierte Therapien, Gene Editing, Antisense und mRNA-Tech- nologien sind Paradebeispiele für neue Ansätze, auf die BB Biotech in den vergan- genen Jahren erfolgreich gesetzt hat.

Einige dieser Ansätze sind der geneti- schen Medizin zuzuordnen. Das Spannende­

an ihnen ist, dass sie zielgerichteter sind und besserwirken.MöglichmachenesneueTech- nologien, die mithilfe der Genomanalyse­ den Patientenkreis genauer eingrenzen - zum Beispiel aufgrund bestimmter Gendefekte, bei denen die Substanzen wirken und auf molekularer Ebene die Krankheitsursachen­ ausschalten können.

Da die Tumorbildung häufig geneti- sche Ursachen hat, werden nach aktuellen Schätzungen der Fachzeitschrift "Journal of Gene Medicine" rund zwei Drittel aller Gentherapien in der Onkologie getestet. Seltene genetisch bedingte Erkrankungen, Stoffwechselerkrankungen und Nerven­ erkrankungen folgen in größerem Abstand.

Unter den gentechnischen Verfahren für die Medikamentenentwicklung haben sich die Antisense- und RNAi- beziehungs- weise die Small interfering RNA (siRNA-) Technologie mit zugelassenen Arzneien etabliert. Ihnen gemein ist, dass sie ein- zelne Schritte in der Übertragung und Co- dierung von genetischen Informationen unterbinden. Damit verhindern sie, dass krankheitsauslösende Proteine ihre Wir- kung entfalten.

Was ist Genome Editing?

Noch einen Schritt weiter geht die Ge- nom-​­Editierung. Hier geht es darum, einen Gendefekt eines betroffenen Patienten zu korrigieren. Dabei werden im sogenannten CRISPR/Cas-System fehlerhafte Sequenzen aus dem DNA-Strang herausgeschnitten und durch neue Fragmente mit dem korrek- ten genetischen Bauplan ersetzt. Auf diese Weise soll eine Heilung bei den jeweiligen Erbkrankheiten herbeigeführt werden.

Aktuell enthält das Portfolio von BB Bio- tech verschiedene Biotechunternehmen, die mit unterschiedlichen Verfahren der Gentherapie Medikamente entwickeln. Mit CRISPR Therapeutics ist BB Biotech erstmals in einen Spezialisten für Genome Editing investiert. Das Unternehmen führt derzeit bereits klinische "Ex vivo"-Studien an Patienten mit genetischen Bluterkran- kungen durch.

Am weitesten fortgeschritten ist das zusammen mit dem Partner Vertex Phar-

ma entwickelte Präparat CTX-001 zur Behandlung von Sichelzellenanämie und Beta-Thalassämie. Vielversprechende kli- nische Wirksamkeitsdaten haben den Ak- tienkurs zuletzt beflügelt.

Beam Therapeutics wiederum verfolgt im Rahmen der genetischen Präzisions­ medizin den Ansatz des "In vivo"-Base Editing. Hier werden Punktmutationen im Genom durchgeführt, ohne dass die DNA-Stränge wie bei CRISPR/Cas durch­ trennt werden müssen. Obwohl sich die Beam-Pipeline in früher Entwicklung be- findet, hat sich der Aktienkurs seit dem Börsengang Anfang 2020 verfünffacht.

Wenn die laufenden klinischen Studien die Möglichkeit untermauern, dass Patien­ ten komplett geheilt werden können, und sich langfristig ein sauberes Sicherheits- profil zeigt, könnte Gene Editing langfris- tig nicht nur bei seltenen Erbkrankheiten, sondern auch bei chronischen Erkrankun- gen eine Behandlungsoption werden.

Zahlreiche Kurstreiber

Ein weiterer Zukunftsmarkt sind digitali- sierte Verfahren für das Identifizieren von Wirkstoffkandidaten. Einer der Protago- nisten ist unsere Portfolioposition Relay Therapeutics, die in den nächsten Mona- ten klinische Daten für ihr erstes Molekül vorlegen wird. Eine firmeneigene Platt- form verwendet computerbasierte, auf künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen gestützte Verfahren, um Protein- bewegungen innerhalb von Molekülen zu modellieren.

Derartige Computersimulationen wer- den auf absehbare Zeit noch keine klini­ schen Studien mit Patienten ersetzen können. Gut denkbar aber ist, dass sie in Zukunft als Hilfsmittel für klinische Studi- en aber auch für die regulatorische Bewer- tung von Produkten in Zulassungsverfah- ren angewendet werden.

Für das zweite Halbjahr 2021 ist zu er- warten, dass die Weiterentwicklungen im globalen Roll-out von Covid-19-Impfstof- fen weiterhin im Blickpunkt der Investoren­ stehen werden. Vor allem aber werden Auffrischungsimpfungen (dritte Abgabe des Wirkstoffs) entwickelt, um die Immun­ abwehr bereits vollständig geimpfter Personen zu stärken oder eine gezielte Abwehr gegen die komplexen neu auftre- tenden Mutanten zu entwickeln.

Das zweite große Thema für Biotech­ investoren wird sein, wie der Absatz des nach kontroverser wissenschaftlicher und regulatorischer Diskussion zugelassenen Alzheimermedikaments Aduhelm von Bio- gen anlaufen wird.

STRATEGIE 67

Dr. Daniel Koller

Leiter Investmentteam,

BB Biotech

Der Autor ist seit 2004 bei Bellevue Asset Management tätig und seit 2010 Leiter des Investmentteams von

  1. Biotech. Nach dem Studium der Biochemie promovierte er in Biotech- nologie an der ETH Zürich.

GENOMFORSCHUNG

Dank der Fortschritte in der Gen- forschung lassen sich gewisse Krankheiten immer besser dia­ gnostizieren und immer prä- ziser behandeln. Die größten klinischen Fortschritte und die meisten zugelassenen Produkte haben Biotechfirmen in der Onko­ logie und den seltenen erblich bedingten Erkrankungen erzielt. Dementsprechend groß ist die Preissetzungsmacht der Unter- nehmen, die diese Therapien zur Marktreife entwickelt haben. Vor allem das Genome Editing eröff- net in Zukunft die Möglichkeit auf Heilung von bislang nicht behan- delbaren Krankheiten mit häufig tödlichem Ausgang.

Die Gen-Schere CRISPR ermög- licht es, krebstreibende Mutatio- nen zu erkennen und zielgerichtet zu reparieren. Diese schnellere Diagnostik leistet einen Beitrag für eine personalisierte Krebs- therapie, die zukünftig die Hei- lungschancen verbessern und aufgrund geringerer Nebenwir- kungen auf gesunde Körperzellen besser verträglich sein soll. Zu- dem trägt die maßgeschneiderte Therapie dazu bei, dass Patienten nur erfolgversprechende Behand- lungen bekommen.

03 / 2021

Attachments

  • Original document
  • Permalink

Disclaimer

BB Biotech AG published this content on 05 October 2021 and is solely responsible for the information contained therein. Distributed by Public, unedited and unaltered, on 05 October 2021 14:58:01 UTC.