MANNHEIM (dpa-AFX) - Der Industrie-Dienstleister Bilfinger sieht sich als zunehmend gefragter Lieferant für die Atomindustrie - und eckt damit bei Atomkraftgegnern an. Das Auftragsvolumen für die Arbeiten von Bilfinger am neuen Kernkraftwerk Hinkley Point C in England übersteige die Marke von einer halben Milliarde Euro, sagte Vorstandschef Tom Blades bei der Online-Hauptversammlung am Mittwoch in Mannheim. Damit gehöre der Konzern zu den wenigen ausgewählten Partnern des Bauherrn Électricité de France (EDF). Schon 2017 hatte Bilfinger einen Fünf-Jahres-Vertrag von der EDF für die Modernisierung von 58 Reaktorblöcken in Frankreich erhalten.

Vor dem Mannheimer Hauptquartier des Konzerns kritisierten Vertreter der der Anti-Atom-Bewegung dessen Engagement in der Atomindustrie. Dieses passe in keiner Hinsicht zur Selbstverpflichtung des Konzerns, im Zuge seiner Mitgliedschaft bei UN Global Compact auf besseren Umweltschutz zu achten. Während Deutschland aus der Atomkraft aussteige, steige Bilfinger in diese überholte Technologie im Ausland ein, monierte der Sprecher des Vereins "Ausgestrahlt", Jochen Stay. Etwa ein Dutzend Menschen hatten vor der Zentrale protestiert. Auf Bannern war zu lesen "Bilfinger boykottiert Atomausstieg" und "Super-Gau - we make it work - Bilfinger".

Bilfinger zog auf der Hauptversammlung auch einen Schlussstrich unter die Streitigkeiten mit Ex-Vorständen wegen des Vorwurfs, zu lax mit Korruption umgegangen zu sein. Die Aktionäre sprachen sich mit großer Mehrheit für den Vergleich mit den früheren Managern aus, darunter der ehemalige hessische Ministerpräsident Roland Koch. Der Konzern hatte ursprünglich einen Schaden im niedrigen dreistelligen Millionenbetrag geltend gemacht. Nun erhält er 18,2 Millionen Euro. Aufsichtsratschef Eckhard Cordes sagte: "Der Vergleich bringt deutlich mehr Vorteile als Nachteile.". Ein gerichtlicher Weg hätte Risiken gehabt und finanzielle und personelle Ressourcen gebunden.

Mit Blick auf den Ölpreisverfall und die Folgen der Corona-Pandemie verzichtet der dreiköpfige Vorstand im zweiten Quartal des laufenden Geschäftsjahres auf 20 Prozent der Grundvergütung, ebenso der Aufsichtsrat. Der Bitte an die zwei obersten Managementebenen, im zweiten Quartal auf zehn Prozent ihres Grundgehaltes zu verzichten, hätten zahlreiche Kollegen entsprochen, sagte Blades. Weitere hätten sich auch ungefragt solidarisch gezeigt.

Bilfinger mit 34 000 Beschäftigten rechnet für das laufende Geschäftsjahr mit einem Umsatzrückgang von rund 20 Prozent gegenüber dem Vorjahreswert von 4,3 Milliarden Euro. Das um Sonderposten bereinigte operative Ergebnis (Ebita) soll deutlich sinken, aber noch positiv bleiben. 2019 hatte Bilfinger noch einen bereinigten Gewinn vor Zinsen, Steuern und Firmenwertabschreibungen von 104 Millionen Euro ausgewiesen./jug/DP/nas