Von Stephen Wilmot

NEW YORK (Dow Jones)--Die steigenden Fahrzeugpreise sollten sich für die US-Autohersteller und Händler als insgesamt solide Absicherung gegen sinkende Verkaufszahlen erweisen. Doch das Kalkül geht für einige weniger gut auf als für andere. Nach einem bisher bemerkenswert profitablen Jahr hat sich das Blatt für die Branche im vergangenen Quartal gewendet. Im September setzten die Autobauer in den USA saisonbereinigt nur noch 12,2 Millionen Pkw ab - der niedrigste Wert seit über einem Jahrzehnt, wenn man von den Monaten des Stillstands im Frühjahr 2020 absieht.

Der viel diskutierte Mikrochip-Mangel beeinträchtigte bereits im Frühjahr die Fahrzeugproduktion und die Auslieferung an die Händler. Dennoch verfügte die Branche über reichliche Lagerbestände - der April war einer der besten Verkaufsmonate aller Zeiten - und erwirtschaftete satte Gewinne. Jetzt hat niemand mehr etwas zu verkaufen, außer die Fahrzeuge, die sich trotz des Chipmangels fertigen lassen.


 
Verbraucher müssen so tief in die Tasche greifen wie lange nicht mehr 
 

Die Kehrseite des knappen Angebots sind hohe Preise. Nach einer vorläufigen Schätzung des Datenanbieters JD Power zahlten die US-Verbraucher im September durchschnittlich 42.368 US-Dollar für ein neues Fahrzeug. Das entspricht 17 Prozent mehr als im Vorjahresmonat. Die Produktionsbeschränkungen zwingen die Automobilhersteller auch dazu, Fahrzeuge mit höheren Margen wie Pickups zu bevorzugen und so an ihrem Absatzmix zu feilen.

Wie sich die hohen Preise und der aktuelle Produktmix mit den schwachen Verkäufen vertragen, wird die Ergebnisse der US-Autohersteller und -Händler in diesem Monat prägen. Insgesamt könnte sich das Ergebnis in etwa die Waage halten. Im dritten Quartal gaben die US-Verbraucher 3 Prozent mehr für Pkws aus als im gleichen Zeitraum vor der Pandemie 2019, so Vizepräsident Tyson Jominy von JD Power. Das ist zwar ein Rückgang gegenüber dem 28-prozentigen Wachstum im zweiten Quartal, deutet aber nicht auf Cash-Flow-Probleme in der Branche hin.


 
BMW trotzt dem Chipmangel 
 

Derweil sind die Auswirkungen unterschiedlich. BMW hat vor kurzem seine implizite Gewinnprognose für 2021 mit der Begründung angehoben, dass "anhaltend positive Preiseffekte sowohl bei Neu- als auch bei Gebrauchtwagen die Auswirkungen des rückläufigen Autoverkaufs überkompensieren". Die steigenden Gebrauchtwagenwerte wirken sich direkt auf die Renditen aus, die die Autohersteller mit ihren großen Leasinggeschäften erzielen. Der Manheim-Index für die Großhandelspreise von Gebrauchtwagen in den USA erreichte im September einen neuen Höchststand, nachdem er im Sommer nachgegeben hatte.

Dieser Trend wird auch den Wettbewerbern zugutekommen - vielleicht stärker als von Analysten prognostiziert -, aber BMW könnte ansonsten eine Art Ausreißer sein. Das bayerische Unternehmen scheint von der Chip-Knappheit weniger stark betroffen zu sein als die meisten anderen, vielleicht da es traditionell mehr Komponentenfertigung auslagert und daher mehr Erfahrung im Umgang mit Zulieferern hat. Am anderen Ende des Spektrums steht General Motors, dessen Gewinn im dritten Quartal voraussichtlich besonders schwach ausfällt. Ein Grund dafür hat nichts mit Chips zu tun: Im August wurde der Rückruf von Bolt-Elektrofahrzeugen mit großem Aufwand ausgeweitet. Aber es war auch ein unerwartet schlechtes Quartal für die Produktion, da die Pandemie wichtige Halbleiter-Lieferanten in Südostasien traf. Nach jahrzehntelanger Marktführerschaft in den USA fiel der Marktanteil von GM im dritten Quartal auf nur noch 13,1 Prozent, weit hinter Toyota mit 16,5 Prozent.


 
Hyundai und andere bringen frischen Wind 
 

Die ungewöhnliche Marktdynamik bietet frischen Herausforderern im Allgemeinen eine Chance. Vor allem Hyundai und Tochtergesellschaft Kia haben davon profitiert und erzielten im dritten Quartal einen Rekordmarktanteil von 10,8 Prozent in den USA. Der Mangel an Fahrzeugen "ermutigt zu ein bisschen mehr Markenwechsel", erklärt Analystin Jessica Caldwell von der Autokauf-Website Edmunds. Den US-Händlern scheint es derweil immer noch gut zu gehen. JD Power schätzt, dass sie als Gruppe im September einen Gewinn von 4,2 Milliarden Dollar aus dem Verkauf von Neufahrzeugen erzielten - ein Rekord für diesen Monat, trotz des Mangels an Lagerbeständen. Im Gegensatz dazu leiden viele Automobilzulieferer, die in der Lieferkette weiter oben stehen. Früher waren die Gewinnspannen der Händler beim Verkauf von Neufahrzeugen notorisch gering. Auf dem heutigen turbulenten Markt zahlt es sich aus, so nah wie möglich am Endverbraucher zu stehen, die nicht mehr verhandeln können.

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October 11, 2021 09:05 ET (13:05 GMT)