ZF habe mit dem Münchner Autobauer in dieser Woche den größten Auftrag der Firmengeschichte über einen niedrigen zweistelligen Milliardenbetrag abgeschlossen, erklärte ZF-Chef Wolf-Henning Scheider am Donnerstag in Friedrichshafen. Ab 2022 beliefert der drittgrößte deutsche Autozulieferer BMW mit Getrieben für Verbrennungsmotoren, aber auch je nach Bedarf mit Hybridtechnik, die Strom- und Kraftstoffantrieb kombiniert. Das sichert Beschäftigung im kommenden Jahrzehnt, wenn Verbrenner immer stärker von Hybrid- oder Elektromotoren verdrängt werden.

"Wir wollen vorausschauend schwierige Situationen bei wegbrechenden Märkten vermeiden", sagte Scheider. "So ein Hybridauftrag gibt uns einige Jahre, um eine solche Situation besser zu planen." Aber auf längere Sicht, etwa ab 2030 sei nicht auszuschließen, dass ZF Stellen sozialverträglich streichen müsse. Von den gut 50.000 Beschäftigten des Stiftungskonzerns in Deutschland hängen etwa 15.000 direkt vom Verbrennungsmotor ab. Vor allem das Werk Saarbrücken mit seinen rund 9500 Arbeitnehmern muss sich auf alternative Antriebe umstellen. Als Übergangstechnik zum reinen Stromauto, das heute erst einige hundert Kilometer am Stück weit kommt, sieht Scheider großes Marktpotenzial für Hybridtechnologie, bei der das Auto neben Sprit auch Strom über Stecker tankt. "Reichweitenangst gehört damit der Vergangenheit an - daher sehen wir die Plug-in-Technik mindestens über das nächste Jahrzehnt hinaus als gute Lösung für die Kunden."

Der Wandel hin zum klimaschonenden Elektroauto wird in der deutschen Autoindustrie im kommenden Jahrzehnt zig Tausende Arbeitsplätze, vor allem bei Zulieferern, überflüssig machen, weil zum Bau von Benzin- oder Dieselmotoren viel mehr Teile und Arbeitskraft benötigt werden als für die relativ simplen E-Motoren.

AUTONOME TECHNIK ZU TEUER FÜR PRIVAT-PKW

In den kommenden Jahren will ZF die neuen Geschäftsfelder Elektroantriebe und autonomes Fahren ausbauen. Nach Einschätzung von Scheider wird das Fahren ohne Lenkrad und Pedal sich aber nicht bei Pkw durchsetzen, weil die Technik zu teuer sei. "Für ein Nutzfahrzeug ist es dagegen ein Geschäftsmodell, das sich sehr schnell amortisiert." Der Zulieferer werde sich deshalb auf die Technik für Nutzfahrzeuge, zum Beispiel für Robotaxis ab Transportergröße, spezialisieren.

Die neuen Technologien erfordern hohe Ausgaben für Forschung und Entwicklung, die auch bei ZF den Gewinn im vergangenen Jahr drückten. Dafür gab ZF 2018 mit 2,5 Milliarden Euro 240 Millionen Euro mehr aus als im Vorjahr, zum Beispiel für neue Technologien wie Künstliche Intelligenz. Auch die schwächere Pkw-Nachfrage weltweit und höhere Materialkosten machten dem Autozulieferer zu schaffen. Das bereinigte Ergebnis vor Steuern und Zinsen (Ebit) ging 2018 um neun Prozent auf 2,1 Milliarden Euro zurück. Der Umsatz kletterte um anderthalb Prozent auf 36,9 Milliarden Euro, um Wechselkurse und Kosten für Zukäufe bereinigt belief sich das Plus auf rund sechs Prozent. Die Materialkosten stiegen unter anderem wegen der höheren US-Zölle auf Stahl und Aluminium.

Für 2019 gab Scheider einen vorsichtigen Ausblick. Nach dem Rückgang der operativen Rendite um knapp einen Prozentpunkt auf 5,6 Prozent erwartet er für das laufende Jahr eine bereinigte Marge zwischen 5,0 und 5,5 Prozent bei einem Umsatzanstieg auf 37 bis 38 Milliarden Euro. "Wir glauben keineswegs, dass es besser wird", sagte Scheider. Mit einem Rückgang von 1,3 Prozent weltweit werde der Automobilmarkt noch mehr schrumpfen als 2018.

Dennoch wagt sich ZF an eine weitere Milliardenübernahme heran. Vergangene Woche gab das Unternehmen bekannt, für gut sieben Milliarden Dollar den weltweit führenden Hersteller von Lastwagen-Bremsen Wabco zu kaufen. ZF will damit zu einem führenden Systemanbieter für elektrisch und selbst fahrende Nutzfahrzeuge werden und sich unabhängiger vom Kerngeschäft mit Getrieben machen, die für Verbrennungsmotoren gebraucht werden.

Zusammen mit Wabco wird der Umsatz von ZF deutlich über 40 Milliarden Euro steigen, sodass der Stiftungskonzern nah an die weltweiten Nummern eins und zwei, Bosch und Continental, heranrückt. Zu den knapp 149.000 Beschäftigten von ZF kommen bis 2020 rund 16.000 von Wabco hinzu, wenn die Aktionäre des in New York börsennotierten Unternehmens der Übernahme zustimmen.