FRANKFURT (dpa-AFX) - Vor dem mit Spannung erwarteten Video-Gipfel von Bundeskanzlerin Angela Merkel mit den Länderchefs an diesem Donnerstag tobt ein politischer Richtungsstreit um den Profifußball. An der Frage, ob die Bundesliga die wegen der Corona-Krise ausgesetzte Saison im Mai mit Geisterspielen fortsetzen darf, hat sich eine hitzige gesamtgesellschaftliche Diskussion entzündet, in der es längst nicht mehr um Tore und Punkte geht.

Die Kritiker halten der Deutschen Fußball Liga vor, mit ihren Plänen für eine Wiederaufnahme des Spielbetriebes eine Sonderrolle zu beanspruchen. Doch diese wird dem Fußball zugleich auch zugestanden - von Politikern, Wissenschaftlern und Gesundheitsexperten, die fast täglich über das Für und Wider eines Liga-Neustarts streiten.

Am Sonntagabend attackierte Grünen-Chefin Annalena Baerbock die Rückkehrpläne der DFL. "Wir verspielen damit in unserer Gesellschaft wirklich einen sozialen Zusammenhalt, weil das zutiefst ungerecht ist für diejenigen Bereiche, in denen ein Kind noch nicht einmal auf eine einsame Schaukel darf", kritisierte sie in der ARD-Sendung "Anne Will".

Diese oder ähnliche Argumentationen hört man in diesen Tagen oft - genau das ist das Problem des Profifußballs, dessen vorgelegtes Konzept für einen Spielbetrieb ohne Zuschauer inhaltlich nur wenige Angriffspunkte bietet. In der öffentlichen Bewertung geht es vornehmlich um die gesellschaftliche Bedeutung der Milliarden-Branche und die Signale, die sie mit ihren Bemühungen um einen baldigen Bundesliga-Neustart aussendet.

Der Sportphilosoph Gunter Gebauer hält Fußballspiele in der jetzigen Situation sogar für verantwortungslos. "Gesang, Theater, Schauspiel, im Wirtshaus zusammensitzen - alles, wo es zu Nähe und Körperkontakt kommt, ist strikt verboten. Und dann wird ein Vollkontaktsport wie Fußball ausgeübt? Bei anderen Sportarten wie Rudern, Gewichtheben oder Golf, wo man Abstand halten kann, wird über Wettkämpfe gar nicht erst nachgedacht", sagte der 76 Jahre alte Wissenschaftler in einem Interview der "Augsburger Allgemeinen" (Montag).

Solche Äußerungen kommen für DFL-Boss Christian Seifert nicht überraschend. "Die Tatsache, dass die Bundesliga wieder spielen kann, wird gleichgesetzt mit anderen Bereichen, das kann ich emotional nachvollziehen", sagte der Geschäftsführer der Deutschen Fußball Liga unlängst. "Ein bisschen Augenmaß bei der Bewertung würde mich aber schon freuen. Dass das, was wir da tun, nicht anmaßend oder überheblich ist."

Es gibt aber auch Befürworter der DFL-Pläne. Zu denen gehören die einflussreichen Ministerpräsidenten von Bayern und Nordrhein-Westfalen, Markus Söder (CSU) und Armin Laschet (CDU). Beide hätten eine Wiederaufnahme des Spielbetriebs vorgeschlagen, "weil uns das Konzept überzeugt hat", sagte Laschet in der ARD. Der Kanzler-Bewerber rechnet mit einer Zustimmung des zuständigen Bundesarbeitsministeriums, wo das DFL-Konzept derzeit bewertet wird. "Die werden uns einen Vorschlag machen. Ich gehe davon aus, was ich so bisher höre, dass die Kriterien erfüllt sind", sagte Laschet.

So etwas hört man bei der DFL, die sich in der öffentlichen Debatte auffallend zurückhält, natürlich gerne. Denn die geballte Kritik am Fußball lässt die Macher nicht kalt, schließlich geht es um viele Existenzen und noch mehr Geld. "Wenn die Konzepte kritisiert oder zerlegt werden, mit einer Missgunst, die mich schon überrascht, dann ist das zu akzeptieren", hatte Seifert nach der Mitgliederversammlung in der Vorwoche erklärt. "Wir haben immer gesagt: Wir wollen keine Sonderrolle. Aber klar ist, dass jede Industrie ihre Besonderheiten hat. Das ist der Spagat."

Für die Vereine gab es am Montag schon mal eine gute Nachricht: Alle 49 Bewerber erhielten von der DFL im ersten Anlauf die Lizenz für die kommende Saison. Einige Vereine müssen jedoch bis Mitte Juni Bedingungen erfüllen, um im Falle der sportlichen Qualifikation die endgültige Spielberechtigung zu erhalten. Wegen der Corona-Krise hatte die DFL im Lizenzierungsverfahren ausnahmsweise auf eine Liquiditätsprüfung verzichtet.

Entwarnung gab es zudem aus der Fanszene mit Blick auf die von Polizei und Politikern geäußerten Befürchtungen, wonach es bei einer Saison-Fortsetzung zu Menschenaufläufen vor den Stadien kommen könne. "Ich bin mir sicher, dass sich die aktiven Fußballszenen an die behördlichen Auflagen halten, wenn es denn zu Geisterspielen kommen sollte", sagte Helen Breit, Sprecherin der Organisation "Unsere Kurve", am Montag der Deutschen Presse-Agentur./edo/DP/jha