Von Carol Ryan

LONDON (Dow Jones)--Zigarettenhersteller investieren Milliarden von Dollar in nikotinhaltige Produkte, die nicht wie herkömmliche Zigaretten mit den Warnungen vor tödlichen Folgen versehen sind. Neue Steuern könnten den Lohn der Mühen jedoch zunichtemachen.

Die rauchfreien Marken der globalen Tabakkonzerne boomen. In den ersten sechs Monaten des Jahres meldeten British American Tobacco (BAT) und Philip Morris International ein Umsatzwachstum von 50 Prozent bzw. 35 Prozent im Vergleich zum Vorjahr bei entsprechenden Nikotinprodukten. Die Palette reicht von oralen Nikotinbeuteln, die über die Mundschleimhaut wirken, bis hin zu den sogenannten Vape-Pens oder Vaporizern. Die Marlboro Heat Sticks von Altria verkauften sich im zweiten Quartal um 40 Prozent besser als im gleichen Zeitraum des Vorjahres.

Um ihre Akzeptanz unter Anlegern zu verbessern, müssen die Unternehmen den Anteil ihrer Gesamteinnahmen aus den rauchfreien Produkten weiter steigern. Philip Morris ist der Hersteller von Marlboro-Zigaretten für die Märkte außerhalb der USA. Dieser strebt bei seinen Ersatzprodukten einen Umsatzanteil von 50 Prozent bis Mitte des Jahrzehnts an. Bescheidener sind die Ziele bei BAT. Das Unternehmen will in einigen Jahren einen Anteil von 20 Prozent erreichen.


   Abhängig von künftiger Besteuerung 

Sollte die Umstellung gelingen, dürften die Zigarettenhersteller weniger dem Risiko strengerer Tabakvorschriften in großen Märkten wie der Europäischen Union und den USA ausgesetzt sein. Gemessen an den erwarteten Gewinnen werden die Aktien von Swedish Match, einem Unternehmen, das bereits zwei Drittel seines Umsatzes mit nicht brennbaren Nikotinprodukten erzielt, mit einem Aufschlag von 20 Prozent gegenüber Philip Morris gehandelt.

Noch nicht abschließend geklärt ist, wie die Regierungen diese neuen Produkte besteuern werden. Philip Morris gab bereits mehr als acht Milliarden US-Dollar für die Entwicklung neuer Marken wie IQOS (erhitzte Tabakstäbchen) aus. Selbstredend möchte das Unternehmen vermeiden, dass diese genauso bestraft werden wie herkömmliche Zigaretten.

In letzter Zeit blies der Wind jedoch aus der anderen Richtung. Im Juli verabschiedete Deutschland ein Gesetz zur Erhöhung der Verbrauchssteuern auf erhitzte Tabak- und Dampfprodukte, so dass diese ähnlich wie Zigaretten behandelt werden. Die Europäische Union überarbeitet derzeit ihre eigenen Tabaksteuervorschriften, in denen Mindestsätze für die Mitgliedstaaten festgelegt sind. Sie will damit auch den grenzüberschreitenden Einkauf einschränken. Neue Nikotinprodukte werden in die Vorschriften einbezogen.

Demokratische Abgeordnete in den USA haben einen Gesetzentwurf zur Bekämpfung des Nikotin- und Tabakkonsums eingebracht. Neben anderen Maßnahmen ist auch eine neue Bundessteuer auf E-Zigaretten vorgesehen. Die Zustimmung des Kongresses steht noch aus.

Je nachdem wie sich die Steuerinitiativen entwickeln, könnten diese großen Einfluss auf die Rentabilität neuer Marken haben. Vape-Produkte von BAT sind immer noch ein Verlustgeschäft. Philip Morris hofft, dass seine erhitzten Tabakstäbchen irgendwann die gleichen Margen von 40 Prozent erzielen werden wie brennbare Zigaretten, vorausgesetzt, es gelingt, genügend davon zu verkaufen.


   Tabakkonzerne argumentieren mit Gesundheit 

Die Tabakunternehmen führen ein starkes Argument ins Felde: Niedrige Abgaben helfen ihnen, Raucher zu motivieren, auf weniger schädliche Produkte umzusteigen. Die beheizten IQOS-Tabakstäbchen von Philip Morris sind etwa 20 Prozent billiger als Premium-Zigarettenmarken wie Marlboro.

Manche Länder sind mehr als andere auf die Einnahmen aus der Tabaksteuer angewiesen. Sie haben also mehr zu verlieren, wenn sie Rauchern den massenhaften Umstieg auf Ersatzprodukte leichter machen. In den USA resultieren weniger als ein Prozent der Staatseinnahmen aus Zigarettenabgaben. In Australien sind es fast vier Prozent, in Bulgarien sogar acht Prozent.

Wie bei so vielen Anti-Tabak-Initiativen der vergangenen Jahre wird die Diskussion nicht über Nacht entschieden. In der EU zum Beispiel müssen alle Mitgliedstaaten einstimmig den Steueränderungen zustimmen. Das macht die Einigung auf neue Regeln zu einem langwierigen Prozess.

Ganz gleich, wie lange dies auch dauern mag, Anleger müssen genau hinschauen. Die aktuelle Steuerdebatte hat das Potenzial, den Weg der Zigarettenunternehmen in eine gesündere Zukunft zu sichern oder ihn erneut in Frage zu stellen.

Kontakt zum Autor: unternehmen.de@dowjones.com

DJG/DJN/rer/mgo

(END) Dow Jones Newswires

August 09, 2021 03:34 ET (07:34 GMT)