STRASSBURG (dpa-AFX) - Das EU-Parlament hat für umstrittene neue Regeln zum Schutz von Landwirten gegen unfaire Behandlung durch Handelsunternehmen gestimmt. Die Abgeordneten gaben am Donnerstag grünes Licht dafür, dass ein Verhandlungsteam mit den EU-Mitgliedstaaten einen Kompromiss sucht. Die geplante EU-Richtlinie soll unter anderem Last-Minute-Stornierungen bei verderblichen Produkten untersagen. Auch deutlich verspätete Zahlungen sollen nicht mehr erlaubt sein.

Im Vorfeld hatten Handelsverbände die Position des EU-Parlaments scharf kritisiert. Der zuständige Landwirtschaftsausschuss hatte den ursprünglichen Vorschlag der EU-Kommission in entscheidenden Punkten verändert. Die genossenschaftlich organisierten Supermarktketten in Deutschland sehen durch die Pläne des Europaparlaments ihr Geschäftsmodell in Gefahr. Es drohten Verbote genossenschaftlich organisierter Einzelhändler wie beispielsweise der selbstständigen Kaufleute bei Rewe und Edeka, teilte der Handelsverband HDE mit.

Hintergrund der Sorgen ist ein Änderungsantrag, nach dem künftig der "Zusammenschluss zu Einkaufsgemeinschaften von Einzel- und Großhandel" verboten werden soll. Bei Rewe wie bei Edeka sind viele selbstständige Kaufleute organisiert. Die Rewe-Zentrale kauft für die Genossenschaftsmitglieder Waren kostengünstig ein.

Der europäische Handelsverband Eurocommerce kritisiert, dass nach den Parlamentsplänen auch Agrarriesen und große Lebensmittelhersteller mehr Schutz genießen sollen. Diese könnten weiter ungerechtfertigte Preissteigerungen durchsetzen, indem sie mit Lieferstopps drohten. Auch von Umweltschützern hagelt es Kritik. Die Pläne der Abgeordneten sehen vor, dass Händler von Lebensmittelherstellern künftig keine strengeren Umwelt- oder Tierschutzstandards verlangen dürfen als gesetzlich vorgeschrieben. Das verhindere jeden Fortschritt und "dient augenscheinlich nur rückwärtsgewandten Agrarinteressen", teilte der NABU mit.

Ziel der Richtlinie ist eigentlich der Schutz kleiner Betriebe und Höfe. Sie werden aus Sicht der EU-Kommission bei Verhandlungen zu oft von großen Abnehmern, Händlern und Supermarktketten benachteiligt. So werden etwa Verträge nachträglich einseitig geändert oder Bestellungen kurzfristig storniert. Landwirten in Europa entstehen so Schätzungen zufolge Schäden von knapp elf Milliarden Euro pro Jahr./vio/DP/stw