Von Avi Salzman

NEW YORK (Dow Jones)--Der Erdgaspreis ist zur Wochenmitte zum ersten Mal seit Mai 2021 unter 3 US-Dollar pro Million British Thermal Units (BTUs) gefallen. Dies ist ein erstaunlicher Rückgang für einen Rohstoff, der noch im August mit mehr als 9 Dollar gehandelt wurde. Der Hauptgrund für den Rückgang ist das warme Wetter in diesem Winter in Europa und den USA.

Die Menschen verbrauchen weniger Gas zum Heizen, so dass sich mehr davon in den Speichern ansammelt. Russland ist einer der größten Erdgasproduzenten der Welt. Deshalb schnellten die Preise nach dem Einmarsch in die Ukraine im vergangenen Februar in die Höhe. Die Preiskrise, die durch den Krieg und die dadurch verursachte Gasknappheit ausgelöst wurde, ist jedoch beendet - zumindest vorläufig.

Europa hat genug Gas von anderen Lieferanten importiert, um den Winter zu überstehen, und das warme Wetter hat die Nachfrage nach Heizgas dort sinken lassen. In den USA, wo die Erdgaspreise dank der reichlichen inländischen Versorgung niedriger sind als in Europa, ist die Nachfrage wegen des warmen Wetters ebenfalls zurückgegangen, obwohl das Gasangebot zulegte.


  Weiter fallende Preise erwartet 

Analyst Matt Portillo von Tudor, Pickering, Holt & Co. sagte im vergangenen Jahr voraus, dass die Erdgaspreise im Jahr 2023 fallen würden, da das Angebot die Nachfrage überstiege. In einem aktuellen Interview sagt er, dass die Preise schneller gefallen seien als erwartet, er aber davon ausgehe, dass sie noch weiter in die Knie gingen. Zuletzt sackten die Preise in den USA auf 2,94 Dollar pro Million BTUs ab. Portillo geht davon aus, dass sie bis auf etwa 2,50 Dollar fallen könnten, bevor sich der Ausverkauf verlangsame.

Derzeit werden in den USA täglich etwa 4 Milliarden Kubikfuß mehr Gas gefördert als verbraucht werden, bei einem Gesamtangebot von 100 Milliarden Kubikfuß pro Tag. Damit sich die Preise stabilisieren, müssen einige Förderer ihre Produktion drosseln, was zu einem Ausgleich von Angebot und Nachfrage führte. "Wir gehen davon aus, dass die Zahl der Bohrinseln in den nächsten Quartalen stark zurückgehen wird, wenn sich der Gaspreis auf 2,50 Dollar zubewegt", sagt er.

Längerfristig ist Portillo optimistisch, da er davon ausgeht, dass mehr Erdgas exportiert wird, sobald es genügend Kapazitäten für den Transport aus den USA gibt. Es dauert Jahre, um die Anlagen zu bauen, die das Gas verflüssigen und für den Transport nach Übersee bereitstellen können. Angebot und Nachfrage werden sich wahrscheinlich in den nächsten 18 Monaten ausgleichen, so Portillo. Ab dem Jahr 2025 werde der Markt wohl ziemlich eng.


  Kein Einstieg in Erdgas-Aktien empfehlenswert 

Er fügt hinzu, dass sich zwar immer mehr Anleger für Erdgas interessierten, da seine langfristigen Aussichten in den Blickpunkt rückten, er aber meint, dass es jetzt zu früh sei, Aktien von Gasproduzenten zu kaufen. Die Aktien sind noch nicht so stark gefallen wie der Rohstoff. EQT beispielsweise ist in diesem Jahr um 10 Prozent auf Tauchkurs gegangen, während sich Erdgas um 34 Prozent verbilligte. Die einzige Aktie, die Portillo im Moment empfiehlt, ist Chesapeake Energy, die gerade dabei ist, einige ihrer Beteiligungen zu verkaufen. "Wir denken, dass sie Transaktionen im Wert von etwa dreieinhalb Milliarden Dollar abwickeln werden." Portillo erwartet, dass das Unternehmen den Erlös für den Rückkauf von Aktien verwenden wird.

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January 27, 2023 03:38 ET (08:38 GMT)