FRANKFURT (dpa-AFX Broker) - Schwere Zeiten für Commerzbank-Chef Martin Zielke: Ein Käufer für das Institut ist nicht in Sicht, IT-Pannen und Dauer-Zinstief erschweren ihm das Leben. Vor allem die Zinsen sorgen für das größte Problem. Woher sollen die Erträge kommen, wenn nicht von einem wachsenden Ergebnis im Zinsgeschäft? Das ist aber auf Dauer nicht in Sicht. Was bei der Commerzbank los ist, wie die Aktie zuletzt lief und was Analysten sagen:

DAS IST LOS BEI DER COMMERZBANK:

Seit der geplatzten Fusion mit der Deutschen Bank und dem anschließenden Abwinken der niederländischen Bank ING und der italienischen HVB-Mutter Unicredit sind keine neuen Übernahmegerüchte um die seit der Finanzkrise teilverstaatliche Bank hochgekocht. An dieser Front ist es also sehr ruhig geworden. Für die Mitarbeiter ist das vielleicht eine gute Nachricht, nicht aber für Commerzbank-Chef Zielke.

Der Manager bekommt weiter heftig Gegenwind von der Zinsseite. Die Aussicht auf weiter niedrige oder sogar noch weiter sinkende Zinsen in der Eurozone dürften ihm in den vergangenen Wochen mindestens so geärgert haben wie die IT-Pannen im eigenen Haus. Schließlich sucht die Bank dringend nach Antworten auf schwache Erträge, Wettbewerbsdruck und Zinstief.

Zu der Zinsflaute kommt jetzt auch noch eine Abkühlung der Konjunktur, die sich bei der Commerzbank schnell in einer steigenden Risikovorsorge niederschlagen kann. Experten gehen davon aus, dass diese Vorsorge für faule Kredite im zweiten Quartal anzieht und auf das Ergebnis drücken wird.

Nach der Absage an eine Fusion mit der Deutschen Bank Ende April will der Commerzbank-Vorstand im Herbst aufzeigen, wie er das Institut nach 2020 weiterentwickeln will. Dann läuft das seit Herbst 2016 geltende Strategieprogramm aus. Einen neuen Anlauf zur Suche nach Partnern hatte Zielke auf der Hauptversammlung im Mai nicht ausgeschlossen.

Mit der Konzentration auf Privatkunden sowie Firmenkunden und Mittelstand sieht sich die Commerzbank, deren größter Anteilseigner der deutsche Staat ist, zwar grundsätzlich gut aufgestellt. Allerdings sind die Möglichkeiten zu Wachstum ohne Übernahmen und Fusionen begrenzt. In der Branche herrscht ein harter Preiskampf. Zugleich ist die von Finanzinstituten herbeigesehnte Wende zu höheren Zinsen in die Ferne gerückt.

DAS MACHT DIE AKTIE:

Die Entwicklung der Commerzbank-Aktie ist ein einziges Trauerspiel für Investoren. Einem kurzen Zwischenhoch im Frühjahr infolge der Übernahmespekulationen mit Kursen über 8 Euro folgte wieder ein wochenlanger Sturzflug. Inzwischen kostet die Aktie wieder weniger als 6 Euro. Damit nähert sich die Aktie wieder dem Mehrjahrestief von 5,50 Euro von Ende 2018, und auch das Rekordtief von 5,157 Euro aus dem Jahr 2008 ist plötzlich wieder in Sichtweite.

Von einstigen Höhen ist das Papier dagegen meilenweit entfernt und wird sie möglicherweise nie wieder erreichen. Das rechnerische - um viele Kapitalerhöhungen und Aktienzusammenlegungen bereinigte - Rekordhoch datiert aus dem Jahr 2000 und liegt bei 288,64 Euro. Kurz vor Ausbruch der Finanzkrise und dem Einstieg des Staates lag der Kurs umgerechnet bei mehr als 200 Euro. Seitdem summiert sich das Minus auf rund 97 Prozent - so viel hat fast keine andere Aktie eines Standardwerts verloren.

Logische Folge des Kurssturzes war im September vergangenen Jahres der Abstieg der Bank aus dem Dax in den MDax. Und mit einem Börsenwert von gerade noch etwas mehr als sieben Milliarden Euro liegt die Commerzbank in dieser Kategorie auch nur noch im Mittelfeld des kleinen Dax-Bruders. So sind Unternehmen wie Carl Zeiss Meditec oder Delivery Hero inzwischen mehr wert als die Commerzbank.

Angesichts des Kursverlusts scheint auch der Ausstieg des Staats, der immer noch 15,6 Prozent der Anteile hält, in weiter Ferne. Der Staat hatte die Bank Anfang 2009 mit insgesamt rund 18 Milliarden Euro über Stille Einlagen und den Kauf von Anteilen aufgefangen. Anfangs hielt der Staat noch etwas mehr als 25 Prozent und hatte damit eine Sperrminorität.

Nach einigen Kapitalerhöhungen sowie der Rückzahlung der Stillen Einlagen sank der Anteil auf 15,6 Prozent. Das Aktienpaket ist derzeit gerade noch gut eine Milliarde Euro wert. Der Bund müsste aber rund fünf Milliarden erlösen, um bei der Commerzbank ohne Verluste auszusteigen.

DAS SAGEN ANALYSTEN:

Keiner der von dpa-AFX erfassten Experten sieht von dem derzeitigen Niveau aus noch große Gefahren durch einen möglichen Rückschlag. Größter Pessimist ist derzeit Kepler-Cheuvreux-Experte Tobias Lukesch, der zum Verkauf der Papiere rät und ein Kursziel von 5,80 Euro gesetzt hat.

Angesichts der jüngsten Talfahrt und der vielen Unsicherheiten gibt das Gros der Experten weder eine Kauf- noch eine Verkaufsempfehlung ab. 14 der 20 von dpa-AFX erfassten Analysten raten dazu, an der Seitenlinie zu stehen, fünf raten zum Kauf. Angesichts der hohen Kursverluste eine geringe Zahl. Zu groß ist die Skepsis, ob Commerzbank-Chef Zielke der Umschwung gelingt.

Von der Vorlage der Quartalszahlen an diesem Mittwoch (7. August) erwarten die Experten eher trübe Nachrichten. So gehen die Analysten beim operativen Ergebnis im Schnitt von einem Rückgang um 15 Prozent auf 331 Millionen Euro aus. Der Überschuss dürfte der Durchschnittsschätzung zufolge um ein Fünftel auf 217 Millionen Euro sinken. Die Bandbreite reicht dabei von 180 Millionen bis 306 Millionen Euro.

In den ersten drei Monaten dieses Jahres waren die Erträge - also die gesamten Einnahmen der Bank - gesunken. Zugleich war die Steuerlast höher als ein Jahr zuvor. Die Folge: ein Gewinneinbruch. Für das Gesamtjahr 2019 peilte der Vorstand zuletzt nach Steuern dennoch etwas mehr Gewinn an als die 865 Millionen Euro aus dem Jahr 2018. Viele Experten bezweifeln jedoch inzwischen, dass der Bank dies angesichts der vielen Probleme gelingen kann.

So geht Warburg-Analyst Andreas Pläsier davon aus, dass sich die Commerzbank zur Vorlage bei der Vorlage der Zwischenbilanz von ihrem Ziel für eine Gewinnsteigerung in diesem Jahr verabschiedet. Er selbst hat seine Erwartungen für die Erträge gekürzt und seine Schätzungen für die Risikovorsorge erhöht. Unter dem Strich sollte das im laufenden Jahr zu einem Gewinnrückgang um acht Prozent auf 797 Millionen Euro führen - obwohl die Commerzbank nach einer Analystenschätzung mit fast 100 Millionen Euro von einem Spartenverkauf ihrer Tochter Comdirect profitieren dürfte./zb/stw/jha/

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