FRANKFURT (dpa-AFX) - Den Beschäftigten der Commerzbank steht die Stunde der Wahrheit bevor. Nachdem die Pläne zum Konzernumbau von 2019 bei Investoren durchfielen und ein Jahr später Aufsichtsratschef Stefan Schmittmann und Vorstandschef Martin Zielke ihre Jobs hinschmissen, will der neue Bankchef Manfred Knof bis Ende März Nägel mit Köpfen machen. Was bei der Commerzbank los ist, was Analysten sagen und wie sich die Aktie entwickelt hat.

DAS IST LOS BEI DER COMMERZBANK:

Knof tritt kein leichtes Erbe an. Nach roten Zahlen im Corona-Jahr 2020 erwarten Aktionäre und Investoren rasche Entscheidungen von dem bisherigen Deutsche-Bank-Manager, der am 1. Januar den Vorstandsvorsitz bei der Commerzbank übernommen hat. Während von Knofs Arbeit bei der Deutschen Bank eher wenig nach außen gedrungen ist, hatte er in seinem vorherigen Job beim Versicherer Allianz die Digitalisierung des Deutschlandgeschäfts vorangetrieben und Kosten gesenkt. Dort galt er als Mann für schwierige Aufgaben. Solche Qualitäten kann er bei der Commerzbank gut gebrauchen.

Deren neuer Aufsichtsratschef Hans-Jörg Vetter, der seit August im Amt ist, hat bereits eine schonungslose Analyse vorgenommen: Bei der seit der Finanzkrise 2009 teilverstaatlichten Commerzbank gebe es "in Sachen Effizienz und Profitabilität (...) noch Luft nach oben", befand der einstige Landesbanker. "Es gibt noch viele althergebrachte Strukturen, die den heutigen Anforderungen und der Größe der Bank nicht mehr angemessen sind."

Auch Knof bereitete die Mitarbeiter auf herbe Einschnitte vor. "Im ersten Quartal werden Ihnen mein Vorstandsteam und ich die strategischen Leitplanken für die kommenden Jahre vorstellen", schrieb er an die Beschäftigten. "Kern der Strategie wird sein, die Bank nachhaltig profitabler zu machen. Nur wenn uns das gelingt, können wir unsere Zukunft selbst gestalten."

Nach Knofs Worten braucht die Bank "eine tiefgreifende Transformation, um all das Gute und Positive herauszuholen, das in ihr steckt". Dies werde jedoch kein bequemer Weg sein, "und ohne Zweifel wird die Transformation, die wir brauchen, auch mit noch mehr harten Entscheidungen und weiteren Restrukturierungsmaßnahmen verbunden sein. Aber sie sind nötig, und je schneller wir damit beginnen, desto besser!"

Intern wird bei der Bank schon seit Monaten um eine Verschärfung des Sparkurses gerungen. Der langjährige Vorstandschef Zielke hatte im Herbst 2019 entsprechende Pläne vorgestellt. Nach Kritik von Investoren stellte das Management größere Einsparungen in Aussicht. Erwartet werden angesichts fortschreitender Digitalisierung weitere drastische Einschnitte im Filialnetz sowie der Abbau tausender Arbeitsplätze.

So hatte die Commerzbank im Gegensatz zu anderen Geldhäusern lange an ihrem dichten Netz festgehalten. Inzwischen steht fest, dass rund 200 Geschäftsstellen, die wegen der Corona-Pandemie geschlossen waren, gar nicht wieder öffnen. Damit macht die Bank jede fünfte ihrer Filialen dicht - und das könnte erst der Anfang sein.

Im Sommer lagen Pläne auf dem Tisch, wonach von zuvor 1000 Commerzbank-Filialen gerade einmal 200 übrig bleiben, in denen Kunden sich beraten lassen können. Von den zuletzt knapp 40 000 Vollzeitjobs bei der Bank könnte jeder vierte wegfallen. Beantworten muss das Management auch die Frage, welche Rolle die inzwischen komplett übernommene Online-Tochter Comdirect spielen soll.

Der Konzernumbau war 2020 ins Stocken geraten, weil nach dem überraschenden Doppelrücktritt erst die Spitzen von Vorstand und Aufsichtsrat neu besetzt werden mussten. Zielke hatte nach harscher Kritik von Investoren hingeschmissen und verließ die Bank Ende 2020, der damalige Aufsichtsratschef Schmittmann ging bereits Anfang August. Auch andere Führungspositionen wurden neu besetzt.

Dass der Sparkurs noch einmal verschärft wird, daran hatte das Management zuletzt keinen Zweifel gelassen. Kurz nach Weihnachten einigte sich die Bank mit dem Betriebsrat auf den Abbau von 2300 Vollzeitstellen und legte dafür im Schlussquartal 610 Millionen Euro zurück.

Daher dürfte die Bank das Corona-Jahr 2020 mit einem noch höheren Jahresverlust abschließen als ohnehin gedacht. Schon vor den jüngsten Rückstellungen waren von der Bank befragte Analysten im Schnitt von einem Minus von 323 Millionen Euro ausgegangen. Und 2021 dürfte für die Commerzbank ein weiteres Jahr des Umbruchs werden.

DAS SAGEN ANALYSTEN:

Nicht nur die Konzernführung und die Beschäftigten, auch die meisten Analysten befinden sich in Sachen Commerzbank in Wartestellung. Von den 27 Branchenexperten, deren Einschätzungen die Nachrichtenagentur Bloomberg erfasst hat, raten 15 dazu, die Aktie zu halten. Fünf Analysten empfehlen den Kauf, sieben den Verkauf des Papiers. Im Schnitt schreiben sie der Aktie ein Kursziel von 5,18 Euro zu und liegen damit unter dem jüngsten Kursniveau.

So stufte Analyst Jochen Schmitt vom Bankhaus Metzler die Commerzbank-Aktie Ende November von "Buy" auf "Hold" ab. Er warte auf die Strategie des neuen Vorstandschefs, schrieb er zur Begründung.

Seine Kollegin Martina Matouskova vom Analysehaus Jefferies behält die Entwicklung bei der Bank auch wegen drohender Kreditausfälle durch die Corona-Krise im Auge. Zum Lackmustest für das Geldhaus werde das erste Halbjahr 2021, schrieb sie im November. Dann werde sich zeigen, wie hoch die Zahl der Insolvenzen in Deutschland sei, und es dürfte mehr Klarheit rund um weitere Einsparungen bei dem Kreditinstitut geben. Auch sie rät daher zum Halten der Aktie.

Von der Commerzbank selbst befragte Analysten gehen im Schnitt davon aus, dass das Geldhaus erst im Jahr 2022 wieder mit rund 730 Millionen Euro in die Gewinnzone zurückkehrt. Ein Jahr später soll der Überschuss auf rund 1,2 Milliarden Euro klettern. Doch dies dürfte davon abhängen, wie gründlich Knof die Commerzbank umbaut und wie stark er die Kosten senken kann.

DAS MACHT DIE AKTIE:

Die Commerzbank-Aktie gehört auf längere Sicht zu den größten Verlierern unter den deutschen Standardtiteln. Auch im Corona-Jahr 2020 ging es für den Kurs zeitweise steil nach unten - von 6,83 Euro im Februar bis auf gut 2,80 Euro Mitte März. Zum Jahresschluss lag er mit 5,266 Euro noch 4,5 Prozent niedriger als Ende 2019. Allerdings: Die lange ebenfalls gebeutelten Papiere der Konkurrentin Deutsche Bank gingen mit einem Jahresplus von rund 30 Prozent aus dem Handel.

Mittel- und langfristig sieht die Bilanz für die Commerzbank-Aktionäre noch schlechter aus. In den letzten fünf Jahren summiert sich der Kursverlust auf rund 45 Prozent, über zehn Jahre gesehen sogar auf 90 Prozent. Wegen der immensen Kursverluste hatte die Bank 2018 ihren Platz im Dax verloren.

Insgesamt ist die Commerzbank an der Börse derzeit rund sieben Milliarden Euro wert. Die Deutsche Bank kommt auf fast 19 Milliarden Euro. Von Branchengrößen wie der schweizerischen UBS, die am Finanzmarkt umgerechnet mit rund 45 Milliarden Euro bewertet wird, sind beide Institute jedoch weit entfernt./stw/ben/mis/he