- von Hans Seidenstuecker

Rote Zahlen, keine Dividende und der Aktienkurs fast wieder auf Rekordtief: Die Aktionäre der Commerzbank müssen am Tag der virtuellen Hauptversammlung von Deutschlands zweitgrößter Privatbank einiges einstecken.

Bessere Zeiten sind nicht in Sicht, auch im Gesamtjahr droht ein Verlust: "Wir halten das Erreichen eines positiven Ergebnisses für deutlich ambitionierter als noch vor ein paar Monaten", sagte Finanzchefin Bettina Orlopp am Mittwoch und kündigte einen verschärften Sparkurs an. Wegen der Corona-Krise rechnet die gesamte Branche mit steigenden Kreditausfällen und Insolvenzen. "Diese Krise ist eine tiefe Zäsur", resümierte Commerzbank-Chef Martin Zielke. "Die Pandemie wird nicht nur das Leben der Menschen verändern, sondern auch das Wirtschaftssystem."

Wegen der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie stand im ersten Quartal unter dem Strich ein Verlust von 295 Millionen Euro nach einem Gewinn von 122 Millionen im Vorjahresquartal. Hauptgrund dafür war eine rund vier Mal so hohe Risikovorsorge für ausfallgefährdete Kredite von 326 Millionen Euro. 24.000 Kredite an Privat- und Firmenkunden mit einem Volumen von 2,6 Milliarden Euro habe die Commerzbank bereits gestundet. Bis Ende 2020 dürfte sich die Risikovorsorge auf bis 1,4 Milliarden Euro auftürmen, wie Orlopp ankündigte. Gleichzeitig betonte sie, die Bank sei stark genug, um die Pandemie zu überstehen. "Wir haben ein gesundes Kreditbuch und der Anteil gefährdeter Kredite liegt seit Jahren unter dem deutschen und europäischen Durchschnitt. So können wir auch weitere Auswirkungen der Pandemie abfedern."

Eine Dividende werden die Anleger jedoch auch dieses Jahr nicht sehen. Vorerst will die Bank, die während der Finanzkrise vor einem Jahrzehnt mit Milliarden vom Staat gestützt werden musste, auf eine Ausschüttung verzichten. Die Aktien des 150 Jahre alten Geldhauses sackten um mehr als fünf Prozent ab auf 3,04 Euro und näherten sich ihrem Mitte März erreichten Rekordtief von 2,80 Euro.

VORSTAND WILL NEUES SPARPROGRAMM IM SOMMER VORSTELLEN

Um wieder auf ein stabileres Fundament zu kommen, kündigte Orlopp ein weiteres Sparprogramm an. "Kosteneffizienz und leistungsfähige digitale Strukturen sind gerade in diesen Zeiten essenziell." Die Kosten sollen 2020 gegenüber den ursprünglichen Planungen zusätzlich um 150 Millionen Euro sinken. Die Pläne für das neue Sparprogramm, dem auch weitere Jobs zum Opfer fallen könnten, will der Vorstand im August mit den Zahlen zum zweiten Quartal vorstellen.

Schon jetzt zeichnet sich ab, dass noch mehr Filialen geschlossen werden dürften. "Die Pandemie zwingt uns viel schneller und radikaler in eine digitale Welt, als wir uns das noch vor Kurzem vorstellen konnten", erläuterte Zielke. Viele Kunden hätten ihre Berührungsängste verloren und das werde auch nach der Krise Folgen haben. "Wir gehen sogar davon aus, dass digitale Banklösungen noch stärker nachgefragt werden."

Bislang halten sich die Fortschritte bei der Umsetzung der im September angekündigten Strategie, durch die die Commerzbank 600 Millionen Euro einsparen will, in Grenzen. Der geplante Verkauf der polnischen Tochter mBank, der Kapital für den Konzernumbau freischaufeln sollte, scheiterte. Auch viele Details zum geplanten Abbau von 4300 Stellen und zur Schließung jeder fünften der 1000 Filialen sind noch offen.

GROSSAKTIONÄR TAUSCHT VERTRETER IM AUFSICHTSRAT AUS

Mehr Druck könnte nun von Seiten des Staates kommen, der ein Jahrzehnt nach der Rettung der Bank immer noch gut 15 Prozent der Anteile hält. Mit der Hauptversammlung tauschte der Staat seine beiden Vertreter im Aufsichtsrat aus, die sich aktiver einbringen dürften als ihre Vorgänger.

Wie die Deutsche Bank will sich die Commerzbank mit einem niedrigeren Kapitalpolster begnügen. Ihr Ziel für die harte Kernkapitalquote senkte sie von mindestens 12,75 Prozent auf mindestens 12,5 Prozent zum Jahresende. Dies gebe der Bank mit Blick auf die aktuelle Kernkapitalquote von 13,2 (Ende 2019: 13,4) Prozent mehr Spielraum. "Wir sind überzeugt, dass die Kunden sich erinnern werden, wer ihnen in der Krise beigestanden hat", sagte Orlopp. Mehrere Auslandsbanken haben sich in der Krise zurückgezogen, vor allem im für die Commerzbank besonders wichtigen Geschäft mit Mittelständlern, berichtete zuletzt etwa die Finanzaufsicht BaFin.