Von Andreas Kißler

BERLIN (Dow Jones)--Commerzbank-Risikovorstand Markus Chromik hat die Bank im Fall Wirecard als "Opfer eines in seiner Dimension unvorstellbaren Betrugs" dargestellt. Entsprechende Aussagen machte Chromik nach Angaben der Bundestags-Pressestelle im Wirecard-Untersuchungsausschuss des Parlaments, in den Vertreter der Banken geladen waren, die Wirecard Geld geliehen hatten. Zweifel an der durch die Wirtschaftsprüfer testierten Bilanz habe man bei dem Institut, an dem der Bund 15 Prozent hält, viele Jahre nicht gehabt. Angesichts der vorgelegten Zahlen habe man im Rahmen des Konsortiums der Kreditgeber Kredite von knapp 200 Millionen Euro ausgereicht, sagte Chromik. "Damals war der Kredit voll gerechtfertigt", erklärte er den Angaben zufolge.

Angesichts der anhaltend negativen Presse habe man allerdings das interne Monitoring sowie die Gespräche mit dem Management von Wirecard verstärkt. Die Bemühungen bei der Kreditprüfung seien weit über das hinaus gegangen, was normalerweise üblich sei. Man habe bei Wirecard "100 Prozent mehr Aufwand" betrieben als bei anderen Krediten. Die Commerzbank sei dann zu dem Schluss gekommen, dass die gegen Wirecard erhobenen Vorwürfe die Rückzahlung des Kredits nicht gefährdeten. "Es gab zu keinem Zeitpunkt Anlass davon auszugehen, dass die Kreditmaterialität gefährdet war", sagte der ehemalige Vorstandsvorsitzende Martin Zielke. Außerdem hätten immer wieder ordentlich zertifizierte Abschlüsse der Wirtschaftsprüfer vorgelegen.

Chromik betonte laut den Angaben weiter, dass es bei Wirecard Unregelmäßigkeiten geben könnte, sei ihm erstmals im Frühjahr 2018 bei einer Sitzung des Kreditkomitees zu Ohren gekommen. Mit weiteren internen Prüfungen sei die Commerzbank den durch die Financial Times erhobenen Vorwürfen nachgegangen. Bald habe sich der Verdacht erhärtet, "dass da etwas anders dargestellt wurde" als es gewesen sei, dass es in Südostasien, wo sich das Unternehmen mit Zukäufen engagierte, "seltsame Vehikel gibt, die nicht mehr plausibel erschienen". Die Bank habe sich schließlich entschieden, das Engagement bei Wirecard bis Frühjahr 2019 zu beenden. Ausschlaggebend für diesen "soft exit" seien sich verdichtende Hinweise auf Geldwäsche gewesen.

Man sei mit dem Management von Wirecard übereingekommen, dass anstelle der Commerzbank ein anderer Konsortialpartner gesucht werden müsse. Schneller als die Ablösung des Kredits durch eine andere Bank sei aber im Juni 2020 dann die Insolvenz gekommen. Chromik erklärte, man habe den Kredit weiterhin in den Büchern, jedoch um etwa 187 Millionen Euro wertberichtigt. Dies sei "eine sehr große Abschreibung", aber der endgültige Schaden könne noch nicht beziffert werden. Am Markt gebe es weiterhin Interessenten, etwa Hedgefonds, die Forderungen zu übernehmen. "Wir warten mal ab, wie sich das entwickelt", sagte Chromik.

Grünen-Obmann Danyal Bayaz kritisierte in einer Mitteilung, dass die Commerzbank-Analystin Heike Pauls das Wirecard-Management über kritische Fragen von Investoren informiert habe, sei ein beispielloser Vorgang. "Leider hatten weder Ex-CEO Zielke noch der Risikovorstand der Commerzbank überzeugende Antworten darauf." Auf Nachfrage habe Zielke im Februar 2019 keine Gefahr für einen Verlust des Marktvertrauens bei weiteren Kursverlusten Wirecards gesehen. Zur Vernehmung von Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing erklärte er: "Auch wenn der Schaden für Herrn Sewing und sein Institut insgesamt überschaubar geblieben ist, so ist auch die Deutsche Bank Wirecard auf den Leim gegangen." Da könne man "sich nicht hinter den Fehlern der Finanzaufsicht und Wirtschaftsprüfer verstecken".

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January 15, 2021 07:38 ET (12:38 GMT)