Hamburg (Reuters) - Der neue Continental-Chef Nikolai Setzer will den Autozulieferer stärker auf die Digitalisierung, autonomes Fahren und die dafür nötige Software trimmen.

Dabei sucht der 49-Jährige einen Mittelweg zwischen einem radikalen Kursschwenk in die E-Mobilität, wie dies etwa der Großkunde Volkswagen vormacht, und einer Besinnung auf eigene Stärken des bald 150 Jahre alten Traditionskonzerns aus Hannover, in dem seiner Ansicht nach noch Reserven stecken. Die will Setzer heben, wie er am Mittwoch bei der Präsentation seiner Strategie erläuterte, um damit die Investitionen in die Zukunftsfelder zu stemmen. Eine Verschärfung des Sparkurses, durch den weltweit bis zu 30.000 Arbeitsplätze auf der Kippe stehen, sei nicht geplant.

Der Konzern solle die Neuausrichtung aus eigener Kraft stemmen, erläuterte Setzer. Dazu soll das Geschäft mit herkömmlichen Autokomponenten wie Bremsen, Anzeigesystemen und Oberflächenmaterialien, etwa Sitzbezügen, sowie das europäische Reifengeschäft die Erträge für die Investitionen in Zukunftsfelder aufbringen. "Wir setzen künftig mit noch mehr Kraft und Mitteln auf unsere Wachstumsfelder und Zukunftstechnologien", sagte Setzer. Mit ihnen wolle Conti überproportional wachsen. "Gleichzeitig sichern wir die Erträge in jenen Produktbereichen, die in einem gesättigten Marktumfeld bereits Top-Marktpositionen erreicht haben." Die Strategie umfasse auch mögliche Zu- und Verkäufe sowie Partnerschaften.

Die Mobilität zeichne sich künftig durch den Grad ihrer Vernetzung und Sicherheit sowie des Komforts aus - unabhängig von der Antriebsart der Fahrzeuge, betonte Setzer. "Hardware bleibt nach wie vor wichtig und künftig gilt verstärkt: Die Software macht den Unterschied." Hier wolle Conti stärker werden. Setzer hatte den langjährigen Konzernchef Elmar Degenhart Anfang Dezember abgelöst, der sich aus gesundheitlichen Gründen zurückgezogen hat. Ihm war vorgehalten worden, die Neuausrichtung des Konzerns mit zuletzt rund 234.000 Beschäftigten nicht schnell genug vorangetrieben zu haben.

AKTIE HEBT AB

Der neue Konzernchef zeigte sich optimistisch, dass Conti als Gewinner aus der Transformation hervorgehen werde. Die Zuversicht kam bei Anlegern gut an. Die im Dax gelistete Aktie legte fast fünf Prozent zu. Dazu trugen auch die ehrgeizigen Profitabilitätsziele bei. Mittelfristig peilt der weltweit drittgrößte Zulieferer ein jährliches organisches Wachstum zwischen fünf und acht Prozent und eine bereinigte operative Marge (Ebit-Rendite) von rund acht bis elf Prozent. Zum Vergleich: 2019 lag die Marge bei 7,4 Prozent. Um der Rendite auf die Sprünge zu helfen, die nach neun Monaten bei 2,4 Prozent dümpelte, will Setzer die Produktivität auch durch eine stärkere Automatisierung und Digitalisierung der Produktion steigern. Dabei sollen beispielsweise verstärkt interaktive Roboter und fahrerlose Transportsysteme eingesetzt werden.

Verkäufe von Geschäftsbereichen seien eine Option, erläuterte Setzer. Vor solchen Entscheidungen müsse aber untersucht werden, wie sich dies auf die Synergiepotenziale des Konzerns auswirke. Während es bei den herkömmlichen Bereichen darum gehe, den Ertrag zu sichern, lege Conti bei den Zukunftsfeldern den Schwerpunkt auf Wachstum. Dort seien auch Zukäufe denkbar. Die dafür bereitstehenden Beträge bezifferte Finanzvorstand Wolfgang Schäfer nicht. Er nannte einen Verschuldungsgrad von unter 40 Prozent als Ziel - derzeit liege Conti in diesem Bereich. "Wenn eine Akquistion kommt, kann das auch mal mehr werden." Dann solle mittelfristig aber sicher sein, dass sich der Wert wieder in Richtung des Ziels bewege.