Frankfurt (Reuters) - Im Streit über die vom Verbrennungsmotor abhängigen Komponentenwerke von Daimler in Deutschland will der Betriebsrat geplante Auslagerungen an Zulieferer verhindern.

"Wir akzeptieren nicht, dass unsere Standorte ausbluten, und wir stattdessen Fertigung an Fremdfirmen vergeben", sagte Michael Brecht, Vorsitzender des Daimler-Gesamtbetriebsrates, der Nachrichtenagentur Reuters in einem am Samstag veröffentlichten Interview. Auch stelle sich der Betriebsrat gegen eine Verlagerung von Produkten an Daimler-Standorte in Osteuropa mit niedrigeren Lohnkosten. "In Zeiten starken Wachstums konnten wir solche Verlagerungen auffangen. Aber jetzt wird der Wind rauer und wir positionieren uns anders."

Daimler will die Pkw-Tochter Mercedes-Benz in den kommenden Jahren auf Elektromobilität umkrempeln und schrittweise aus Verbrennungsmotoren aussteigen. Vergangene Woche präsentierte Daimler-Chef Ola Källenius dazu einen neuen Plan, der unter anderem eine zweite, reine Elektroautoarchitektur vorsieht. "Grundsätzlich bin ich froh, dass wir jetzt eine klarere Richtung hin zur Elektrifizierung haben", lobte Brecht, der bislang immer kritisierte, dem Management fehle eine Strategie. "Die grundsätzliche Strategie ist gut und richtig. Aber der Hochlauf der Elektromobilität bringt Probleme mit sich." Denn vor allem die Komponenten- und Motorenwerke am Stammsitz Stuttgart-Untertürkheim sowie in Berlin, Hamburg und Kölleda stehen unter Veränderungsdruck. Betriebsräte von Untertürkheim und Berlin warnten, in ihren Werken sollten nach dem Plan des Unternehmens bis 2025 zusammen rund 5000 Jobs wegfallen. Daimler nennt dazu offiziell keine Zahlen.

NEUE ABLÄUFE UND STRUKTUREN

"Es ist einfach zu sagen, ich nehm das alles weg und verlagere das - aber wer das macht, drückt sich vor der unternehmerischen Verantwortung", kritisierte Brecht. Dass Arbeitsplätze mit dem Umschwung zu weniger arbeitsintensiv hergestellten Elektroautos verschwinden, bestreitet der Betriebsrats-Chef nicht. Doch es dürften nicht so viele Stellen so schnell wegfallen. Stattdessen müssten Abläufe geändert werden. "Die Menschen haben es verdient, dass sich das Management Gedanken über neue Strukturen macht." Für die Motivation der Belegschaft sei es nicht gut, wenn die Medien über den Abbau zehntausender Stellen berichteten. Eine Protestwelle der Beschäftigten, wie sie gerade beim Zulieferer Continental gegen Werksschließungen und Stellenabbau läuft, plant der Daimler-Betriebsrat aber nicht. "Ich setze zunächst auf vernünftige Gespräche mit dem Management. Ich glaube, dass wir Lösungen finden werden", sagte Brecht.

VORBILD CHINA

Der Gewerkschafter regte außerdem eine Übergangslösung an, ähnlich wie sie die IG Metall für Autozulieferer ins Spiel gebracht hat. Nach dem Konzept "Best Owner Group" sollen Geldgeber gesucht werden, die mit einer staatlichen Garantie gegen Kreditausfall abgesichert werden und den unter der Transformation ächzenden Mittelständlern unter die Arme greifen. "Die Aggregatewerke sind unsere hauseigenen Zulieferer. Hier müssen wir uns ähnliche Gedanken machen und Ansätze einfallen lassen, damit wir Zeit gewinnen, um noch länger Verbrennerkomponenten fertigen und Beschäftigung sichern zu können", forderte Brecht. Andere deutsche Autobauer stünden schließlich vor dem gleichen Problem. Vom Staat fordert er mehr Hilfe beim Aufbau einer Ladeinfrastruktur für E-Autos, deren Fehlen neben der begrenzten Reichweite von Modellen derzeit noch viele Käufer abschreckt. Hier sei China mit einem Masterplan schon viel weiter. Einen solchen Plan bräuchte Europa auch. "Es gibt hier zwar viele einzelne Initiativen, aber niemanden, der das zusammenbringt."