Frankfurt (Reuters) - Höhere Löhne sollen angesichts steigender Preise und Unternehmensgewinne im Zentrum der anstehenden Tarifrunden in der Metallindustrie stehen.

"Die Erwartungen unserer Mitglieder sind klar - steigende Reallöhne, die sich in Tabellen wiederfinden und im Geldbeutel ankommen", sagte IG-Metall-Chef Jörg Hofmann am Donnerstag in Frankfurt. In diesem Jahr stehen Tarifrunden in der Eisen- und Stahlindustrie sowie in der Metall- und Elektroindustrie, dem größten Industriezweig, an. Eine konkrete Forderung bezifferte Hofmann nicht, da diese in einem Diskussionsprozess der Gewerkschaft festgelegt wird. Ein steigender Reallohn bedeutet, dass der Abschluss über der Inflationsrate liegen muss. Die Bundesregierung taxiert sie für das laufende Jahr auf 3,3 Prozent, nachdem sie 2021 mit 3,1 Prozent den höchsten Stand seit fast 30 Jahren erreicht hatte.

Das Risiko einer Lohn-Preis-Spirale sehe er nicht, sagte Hofmann. Der studierte Ökonom hält von der Theorie, dass hohe Lohnabschlüsse in Reaktion auf gestiegene Verbraucherpreise die Inflation noch mehr antreiben, ohnehin nicht viel. Die Faktoren, von denen die IG Metall ihre Forderungen ableitet, wirkten dem Problem entgegen. Die Komponente Inflation hebt dabei auf die Zielinflationsrate der Europäischen Zentralbank von zwei Prozent ab und nicht auf die tatsächliche, die viel höher sein kann und auch schon viel niedriger war. Die Entwicklung der Produktivität und der Verteilungsspielraum der Unternehmen sind die anderen Größen. Letzteren sieht Hofmann durch die Corona-Pandemie nicht geschmälert. Denn trotz Halbleitermangel und anderer Materialengpässe gebe es in fast allen Branchen, zum Beispiel der Autoindustrie, "erkennbar gute Erträge". In der Metall- und Elektroindustrie läuft der Tarifvertrag im Herbst aus.

Finanziell ist die IG Metall weiterhin schlagkräftig, auch wenn ihre Mitgliederzahl das zweite Jahr in Folge sank. Die Beitragseinnahmen lagen mit 592 Millionen Euro etwa auf Vorjahresniveau. Die weltweit größte, staatlich unabhängige Industriegewerkschaft zählte Ende letzten Jahres mit 2,17 Millionen Mitgliedern zwei Prozent weniger als im Jahr zuvor. Das habe am Stellenabbau in den Betrieben, aber auch an fehlender persönlicher Ansprache aufgrund der Corona-Pandemie gelegen, erklärte der Gewerkschaftsboss. Seine Amtszeit endet im Oktober 2023. Einen Fachkräftemangel zur Regelung der Nachfolge gebe es in der IG Metall nicht.

MEHR RECHTE FÜR BETRIEBSRÄTE

Ein zentrales Thema für die IG Metall ist neben der Tarifpolitik auch die betriebliche Mitbestimmung. 50 Jahre nach der letzten grundlegenden Überarbeitung gehöre die gesetzliche Grundlage, das Betriebsverfassungsgesetz, auf den Prüfstand, forderte die Zweite Vorsitzende, Christiane Benner. Die Pläne der Ampel-Koalition dazu seien nur ein "Reförmchen". Um den Strukturwandel durch Klimaschutz und Digitalisierung zu bewältigen, müssten Betriebsräte die Strategie von Unternehmen mitgestalten können. Ihre Rechte bei Aus- und Weiterbildung, Personalplanung und Jobsicherung müssten dafür gestärkt werden.

Ab 1. März werden bundesweit Betriebsratswahlen abgehalten. "Wir appellieren an die Arbeitgeber, allen Beschäftigten eine Stimmabgabe zu ermöglichen", betonte Benner. Jede sechste Betriebsratsgründung werde von Unternehmen behindert mit Methoden wie Mobbing und Kündigungen aus fadenscheinigen Gründen. "Das muss aufhören."