Von Duncan Mavin, Julie Steinberg und Margot Patrick

LONDON (Dow Jones)-- Die Credit Suisse war bereits seit 2019 in die Probleme von Greensill Capital eingeweiht. Sie wusste, dass die sogenannten Supply-Chain-Finanzierungsfonds, die sie mit Greensill betrieb, zu sehr von einer kleinen Gruppe von Versicherern abhängig waren. Damit gab es ein zu hohes Risiko, um die Anleger effektiv vor Ausfällen zu schützen, und die Eidgenossen versäumten es, die Situation zu verbessern, so Insider.

Das erwies sich als tickende Zeitbombe, und als die Versicherer sich zu Wochenauftakt um eine Vertragsverlängerung wanden, begann die schnelle Implosion von Greensill. Die Credit Suisse zog schon 2019 eine Regelung in Erwägung, die die Fonds verpflichten würde, sich bei einer breiteren Palette von Versicherern abzusichern, setzte diese aber nie in Kraft, so die Insider weiter.


   Credit Suisse zog zum Wochenauftakt die Reißleine 

Die Konzentration unter den Finanzkonzernen wuchs und wuchs, bis die Versicherer zu einem bestimmten Zeitpunkt 75 Prozent des Portfolios absicherten. Im vergangenen Sommer warnten der Hauptversicherer Tokio Marine und die anderen Versicherer Greensill, dass sie die Deckung der Fonds nicht fortführen würden, ergibt sich aus Gerichtsdokumenten. Die Tokio-Marine-Versicherung war von entscheidender Bedeutung, da sie Greensills Vermögenswerte für die institutionellen Anleger der Credit Suisse, von denen einige nicht in risikoreichere Anlagen investieren dürfen, sicherer erscheinen ließ.

Ohne die Versicherung setzte die Credit Suisse zu Wochenauftakt die 10 Milliarden US-Dollar schweren Supply-Chain-Finanzierungsfonds aus, wodurch eine wichtige Finanzierungsquelle für Greensill versiegte. Greensill plant nunmehr, noch diese Woche in Großbritannien Insolvenz anzumelden, und ist in Gesprächen, sein operatives Geschäft an Apollo Global für einen Bruchteil seiner Spitzenbewertung zu verkaufen.


   Credit Suisse kommt einfach nicht aus den Schlagzeilen heraus 

Die Entwicklungen bedeuten einen Rückschlag für den Chef der Credit Suisse, Thomas Gottstein, der eigentlich nach eigener Aussage 2021 eine weiße Weste haben wollte. Vorher gab es einen rufschädigenden Spionageskandal und zudem verhagelten einmalige Belastungen die Finanzergebnisse. Die nunmehr vier suspendierten Fonds investierten ausschließlich in Wertpapiere der Firma Greensill, die sich auf Supply-Chain-Finanzierung spezialisiert hat. Das ist eine Art kurzfristiger Bargeldvorschuss für Unternehmen, um die Zeit zu verlängern, in der sie ihre Rechnungen bezahlen müssen.

Die Bank gründete der Finanzier Lex Greensill und sie bezeichnet sich selbst als Technologie-Start-up, das mit traditionellen Banken wie Citigroup und JP Morgan konkurriert. Der Finanzkonzern besitzt eine kleine Bank in Bremen, die die Bankenaufsicht Bafin zur Wochenmitte schloss. Greensills Geschäftsmodell basiert darauf, von traditionellen Banken nicht beachteten Unternehmen Finanzierungen für ihre Lieferketten anzubieten.


   Softbanks Vision-Fonds steht voll im Risiko 

Der Vision-Fonds der Softbank steuerte 2019 rund 1,5 Milliarden Dollar bei, was Greensill eine Bewertung von 4 Milliarden Dollar bescherte. Es wird erwartet, dass der Vision-Fonds seine gesamte Investition abschreibt, wie das Wall Street Journal diese Woche unter Berufung auf eine mit der Angelegenheit vertraute Person berichtete.

Supply-Chain-Finanzierungen gibt es schon seit Jahrzehnten. Aber sie gewannen nach der Finanzkrise an Zugkraft, da sie Unternehmen die Möglichkeit geben, effektiv Kredite aufzunehmen, um ihre Rechnungen zu bezahlen. Nach einschlägigen Buchhaltungsregeln werden diese Finanzierungen aber gar nicht als traditionelle Schulden klassifiziert. Bei einem typischen Supply-Chain-Finanzierungsgeschäft bezahlt Greensill die Lieferanten eines Unternehmens früher, als diese sich das normalerweise erhofften, aber mit einem Rabatt. Das Unternehmen zahlt Greensill dann später den vollen Betrag. Der Lieferant wird früher bezahlt, das Unternehmen hat mehr Flexibilität über seine Barmittel und bei Greensill verbleibt ein kleiner Gewinn.


   Greensill nutzte seine Bremer Tochter zur Finanzierung 

Greensill nutzte seine deutsche Bank, um einige dieser Geschäfte zu finanzieren. Doch anstatt die Barvorschüsse - die in der Regel alle 60 oder 120 Tage erneuert werden - wie eine herkömmliche Bank in der Bilanz zu halten, hat Greensill die meisten von ihnen in anleiheähnliche Wertpapiere oder Schuldverschreibungen umgewandelt. Die Fonds der Credit Suisse waren große Käufer der Anleihen und dienten im Wesentlichen als außerbilanzielle Finanzierung für Greensill.

Die Credit Suisse legte 2017 ihren ersten Greensill-Fonds auf. Hauptkäufer waren laut den mit den Fonds vertrauten Personen Versicherungsgesellschaften und Pensionsfonds sowie einige der vermögenden Private-Banking-Kunden der Credit Suisse. In den Informationsblättern der Credit Suisse, die sie ihren Anlegern aushändigte, wurden die Fonds mit 1 oder 2 auf einer Skala von 1 bis 7 bewertet, wobei 1 die sicherste Bewertung ist.


   Stahlmagnat Gupta hatte seine Finger im Spiel 

Zu den Kreditnehmern der Fonds gehörte der britische Stahlmagnat Sanjeev Gupta. Deutsche Aufsichtsbehörden zitierten Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit Guptas Geschäften, als sie diese Woche die Kontrolle über die Greensill Bank übernahmen. Ein Teil der Finanzierungen, die ihm die Fonds der Credit Suisse gewährten, war durch Versicherungen gedeckt, wie aus an Investoren verschickten Fondsunterlagen hervorgeht.

Als die Renditen von Staatsanleihen schrumpften oder negativ wurden, gewannen die Fonds bei den Anlegern an Zugkraft. Bis zum Sommer 2019 waren die Fonds auf einen Wert von 4 Milliarden Dollar angewachsen. Führungskräfte in der Vermögensverwaltungssparte der Credit Suisse planten eine neue Regel, die Greensill dazu verpflichten würde, die Quellen der Versicherungsdeckung zu diversifizieren, so Insider.


   Zu hohe Konzentration der Ausfallversicherer 

Kein einzelner Versicherer würde mehr als 20 Prozent der Vermögenswerte des Fonds abdecken. Auf diese Weise sollte im Falle eines Rechtsstreits oder des Ausstiegs eines Versicherers nicht der gesamte Fonds zusammenbrechen. Zu dieser Zeit stellte Bond and Credit, eine Tochter der Insurance Australia Group, welche Schützenhilfe von Warren Buffetts Berkshire Hathaway bekommt, etwa 40 Prozent der Deckung für den größten der vier Credit-Suisse-Fonds bereit, wie aus Fondsunterlagen hervorgeht.

Insurance Australia verkaufte Bond und Credit an den japanischen Versicherer Tokio Marine, behielt aber einen Teil der Deckungen, die langsam ausliefen. Bis April 2020 waren die von Bond and Credit gezeichneten Policen auf 51 Prozent der Deckung von Greensill angewachsen. Der Manager der Credit-Suisse-Fonds - Lukas Haas - und einer seiner Vorgesetzten - Luc Mathys - Leiter der Vermögensverwaltung für festverzinsliche Wertpapiere, waren laut Insidern an der Entscheidung beteiligt, die 20-Prozent-Obergrenze nicht umzusetzen. Sie waren optimistisch, dass es für Greensill nicht schwer sein würde, eine Warenkreditversicherung zu finden, wenn sich ein Versicherer zurückziehen würde, berichteten die Personen weiter.


   Versicherer bekamen im Sommer 2020 kalte Füße 

Das Konzentrationsrisiko verschärfte sich noch. Bis Juni 2020 stammten 75 Prozent der Deckung von Tokio Marine, seiner Bond and Credit-Sparte oder den Runoff-Insurance-Australia-Policen, wie aus den Fondsunterlagen hervorgeht. In der Zwischenzeit schwand der Appetit von Tokio Marine, Greensill Versicherungsschutz zu bieten. Im Juli 2020 teilte Tokio Marine den Versicherungsmaklern von Greensill schriftlich mit, dass das Unternehmen nicht beabsichtige, die Deckung zu erneuern, so die Gerichtsdokumente. Neben anderen Gründen hieß es, ein Mitarbeiter von Bond and Credit habe bei Verlängerung der ursprünglichen Policen außerhalb seiner Befugnisse gehandelt, so die Dokumente.

Im September teilte Tokio Marine Greensill mit, dass der Versicherungsschutz für Neugeschäfte Anfang März enden würde. Die Änderung würde 40 von Greensills Kunden betreffen, die ein Vermögen von 4,6 Milliarden Dollar in der Finanzierung von Lieferketten in die Waagschale brachten. Im selben Monat läutete Gottstein eine Überprüfung der Strategie der Vermögensverwaltungssparte der Credit Suisse mit einem Volumen von 476 Milliarden Dollar ein. Er trennte sich von leistungsschwachen Fonds und schrieb eine Beteiligung an dem Investmentmanager York Capital um 450 Millionen Dollar ab.


   Credit Suisse schwärmte bis zuletzt von Supply-Chain-Finanzierungen 

Die Supply-Chain-Fonds bekamen Schutz. Eric Varvel, Chef des Asset Managment der Bank, präsentierte sie den Aktionären auf einem Investorentag im Dezember noch als Beispiel für den Wettbewerbsvorteil der Credit Suisse. Auf der gleichen Veranstaltung prahlte Gottstein, dass er Probleme dort angehen wolle, wo sie in der Bank existierten und "Überraschungen vermeiden". Die Credit Suisse hatte Greensill im Herbst einen Überbrückungskredit in Höhe von 140 Millionen Dollar gewährt, während sie dem Start-up half, neues Eigenkapital von externen Investoren zu beschaffen. Den Kredit segneten hochrangigen Gremien innerhalb der Bank ab, so Personen, die mit dem Kredit vertraut sind. Das Darlehen zahlte Greensill bisher nicht zurück.

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March 05, 2021 05:27 ET (10:27 GMT)